Oenipontanus
9409

Theodor von Mopsuestia - Morgenhymnus

Zum frühen Morgen, gemacht vom seligen Theodor, dem Interpreten.

Licht strahlte hervor für die Gerechten
und für die Herzensaufrechten Freude.
Jesus, unser Herr, der Messias
strahlte hervor für uns aus dem Schoß seines Vaters.
Er kam und führte uns heraus aus der Finsternis
und erleuchtete uns mit seinem erhabenen Licht.
Der Tag strahlte auf über die Menschenkinder
und es floh die Macht der Finsternis.
Licht strahlte hervor für uns aus seinem Licht
und erleuchtete unsere verfinsterten Augen.
Seine Herrlichkeit ließ er erstrahlen auf dem ganzen Erdkreis
und erleuchtete die Abgründe unten.
Vertilgt ist der Tod und geflohen die Finsternis
und zerbrochen sind die Pforten der Sheol.
Und er erleuchtete alle Geschöpfe,
die zuvor verfinstert waren.
Es standen auf die Toten, die Staubbewohner,
und priesen, dass ihnen wurde Erlösung zuteil.
Er vollzog Erlösung und gab uns Leben
und wurde erhöht zu seinem hohen Vater.
Und wieder kommt er in seiner großen Herrlichkeit
und erleuchtet die Augen aller, die ihn erwarten.
Unser König kommt in seiner großen Herrlichkeit –
Lasst uns entzünden unsere Lampen und hinausgehen, um ihm zu begegnen.
Und wir werden uns freuen über ihn, wie er sich gefreut hat über uns
und er ergötzt uns mit seinem erhabenen Licht.
Lasst uns Ehre geben seiner Größe
und lasst uns alle danken seinem hohen Vater,
dessen Erbarmungen viele sind, der ihn zu uns gesandt hat.
Und er bereitete für uns Hoffnung und Erlösung,
sein Tag strahlt unerwartet hervor
und es gehen hinaus seine Heiligen, um ihm zu begegnen.
Und es zünden an ihre Lampen
alle, die sich abgemüht haben und erschöpft waren, und sie haben sich bereitet.
Es freuen sich die Engel und die Wachenden des Himmels
über die Ehre der Aufrechten und der Gerechten.
Kronen setzen sie auf deren Häupter,
sie jauchzen und preisen zugleich.
Meine Brüder, steht auf und macht euch bereit,
auf dass wir Dank sagen unserem König und Erlöser,
der kommt in seiner Herrlichkeit und uns ergötzt
durch sein erhabenes Licht in seinem Reich.

(Übersetzung: Oenipontanus)

Quelle: Eduard Sachau, Theodori Mopsuesteni Fragmenta Syriaca. Lipsiae: Sumptibus Guilelmi Engelmann, 1869, S. 94-96 (syrische Paginierung).

Bildnachweis: ikonen-museum.com/…Museum/Geschichte/csm_Ho__llenfahrt_c123c8e916.jpg
Ischa Ischa Ischa
Auch hier wieder das hervorstrahlende Licht! Sehr schöner Text!
Oenipontanus
Der Hymnus findet sich auch, wie ich inzwischen herausgefunden habe, im Brevier der unierten Ostsyrer ("Chaldäer")!
Ischa Ischa Ischa
Sehr interessant, danke für die Information, lieber Oenipontanus.
Mir wird die Bedeutung bestimmter Bildfelder (Echos) immer klarer, so das Licht (Joh 1 u.a.), wofür Ihr Text ein gutes Beispiel ist. Wenn man auswendig lernt, kommen diese Dinge stärker zum "Klingen" und gehen tiefer ins Bewusstsein, genau genommen ins Herz.
Ich bin grade über dem sogenannten "Perlenhymnus" in den "Thomasakten", da …Mehr
Sehr interessant, danke für die Information, lieber Oenipontanus.
Mir wird die Bedeutung bestimmter Bildfelder (Echos) immer klarer, so das Licht (Joh 1 u.a.), wofür Ihr Text ein gutes Beispiel ist. Wenn man auswendig lernt, kommen diese Dinge stärker zum "Klingen" und gehen tiefer ins Bewusstsein, genau genommen ins Herz.
Ich bin grade über dem sogenannten "Perlenhymnus" in den "Thomasakten", da kommt das Bedeutungsfeld auch auf verschiedenen Ebenen vor. (Retour à la Source, das neueste Perrrier-Buch). (Die Evangeliumsperlen machen leuchtende Reflexe, das Evangelium ist ein Perlengeschmeide, eigentlich ein glitzernder Fluss aus Perlen.)

Im Missel der Chaldäer müsste auch das alte Glaubensbekenntnis zu finden sein, an dem man die volle, parallel strukturierte Mündlichkeit erkennen kann (von wo aus es möglich ist, spätere Zusätze, Präzisierungen, auszumachen, weil sie den ursprünglichen Sprachrhythmus stören ... Perrier datiert es vor 36 n. Chr. (weil Pilatus erst nach 36 gefahrlos erwähnt werden konnte, aber vermutlich erst viel später - Nicäa - in das Glaubensbekenntnis hineingeriet.)
Oenipontanus
@Ischa Ischa Ischa
Oh, Sie lesen gerade die Thomasakten, das ist wunderbar! Ich habe vor einigen Monaten damit begonnen und studiere immer wieder einmal ein Stückchen. Bis zum Perlenhymnus (Madrāšā d-Yihūdā Thūmā šlīḥā dabʾathrā d-hendwāye) bin ich leider bis jetzt noch nicht vorgedrungen, aber ich freue mich darauf. 😍
Ich schaue einmal bei Gelegenheit nach dem Glaubensbekenntnis in chaldäischen …Mehr
@Ischa Ischa Ischa
Oh, Sie lesen gerade die Thomasakten, das ist wunderbar! Ich habe vor einigen Monaten damit begonnen und studiere immer wieder einmal ein Stückchen. Bis zum Perlenhymnus (Madrāšā d-Yihūdā Thūmā šlīḥā dabʾathrā d-hendwāye) bin ich leider bis jetzt noch nicht vorgedrungen, aber ich freue mich darauf. 😍

Ich schaue einmal bei Gelegenheit nach dem Glaubensbekenntnis in chaldäischen Messbüchern. Außerdem glaube ich mich zu erinnern, dass der Protestant Carl Paul Caspari im 19. Jahrhundert diverse aramäische Glaubensbekenntnisse aus sehr alten Handschriften herausgegeben hat. Vielleicht findet sich da ja etwas Interessantes.
Ischa Ischa Ischa
aha, das ist ja was! Habe bei der Lektüre bzw. Übersetzung ins Deutsche mehrfach an Sie gedacht.
Ich fasse Ihnen mal ganz grob die Grundthesen von Perriers neuem Buch zusammen: der Perlenhymnus, Madrashchâ dmarganitha, ist kein gnostischer Text, sondern hat die Bildlichkeit (siehe Thema "Licht" (u.a.) und das Vokabular mit den aramäischen Evangelien gemeinsam und muss in diesem Zusammenhang verstanden …Mehr
aha, das ist ja was! Habe bei der Lektüre bzw. Übersetzung ins Deutsche mehrfach an Sie gedacht.
Ich fasse Ihnen mal ganz grob die Grundthesen von Perriers neuem Buch zusammen: der Perlenhymnus, Madrashchâ dmarganitha, ist kein gnostischer Text, sondern hat die Bildlichkeit (siehe Thema "Licht" (u.a.) und das Vokabular mit den aramäischen Evangelien gemeinsam und muss in diesem Zusammenhang verstanden und entschlüsselt werden, und zwar als das, was "Akten" sind: Berichte von Taten, vergleichbar den "Akten der Apostel" (Apostelgeschichte) in Jerusalem, in dem Fall also eine Reflexion von Thomas (Juda thoma) über seine Missionierung im Industal, seine Fehler, seine Heimreise nach Jerusalem und die Rückkehr zu seinem ursprünglichen Missionsauftrag: das Evangelium mit den Ketten aus Perlen zum Lernen anzubieten etc.
Dabei entdeckte Perrier die Aufbaustruktur dieser Texteinheit, die folgendermaßen ausschaut:
eine typisch mesopotamische mündliche Organisationsform komplexer wertvoller Texte und quasi ein "Stempel": 1. christliches Jahrhundert.
Ischa Ischa Ischa
@Oenipontanus Zum alten Glaubensbekenntnis: Perrier hat den Wortlaut aus dem chaldäischen Missel und sagt, die haben die älteste Form ganz einfach beibehalten. Muss ich bei Gelegenheit raussuchen für Sie.
Oenipontanus
@Ischa Ischa Ischa
Danke für Ihre Mühe! Ich habe soeben selbst das Credo aus dem in Mossul gedruckten chaldäischen Missale von 1901 herausgesucht. Auf die Schnelle ist mir aufgefallen, dass dem griechischen ὁμοούσιον τῷ Πατρί hier "bar kyānā d-ʾābbu(h)y" - "Sohn der Natur seines Vaters" entspricht, während die Westsyrer einfach das griechische οὐσία übernommen haben: "wašwe bʾūsia l-…Mehr
@Ischa Ischa Ischa
Danke für Ihre Mühe! Ich habe soeben selbst das Credo aus dem in Mossul gedruckten chaldäischen Missale von 1901 herausgesucht. Auf die Schnelle ist mir aufgefallen, dass dem griechischen ὁμοούσιον τῷ Πατρί hier "bar kyānā d-ʾābbu(h)y" - "Sohn der Natur seines Vaters" entspricht, während die Westsyrer einfach das griechische οὐσία übernommen haben: "wašwe bʾūsia l-ʾābbu(h)y" - "und gleich in der οὐσία seinem Vater". Dass die chaldäische Formulierung altertümlicher ist, sieht man auf den ersten Blick.
Wenn ich Zeit finde, übersetze ich das chaldäische Credo einmal ins Deutsche.
Ischa Ischa Ischa
Vielen herzlichen Dank, @Oenipontanus fürs Heraussuchen. Ich glaube Perrier hatte diegleiche Quelle wie jetzt Sie. Die unterschiedlichen Übersetzungen von "Wesen des Vaters" erklären mir hier sehr gut, was er immer wieder ohne Beispiel sagt, dass der ostsyrische Text der ältere und originalere ist (im Sinne von: direkt aus der Urgemeinde von Jerusalem kommend), während die westsyrische Fassung …Mehr
Vielen herzlichen Dank, @Oenipontanus fürs Heraussuchen. Ich glaube Perrier hatte diegleiche Quelle wie jetzt Sie. Die unterschiedlichen Übersetzungen von "Wesen des Vaters" erklären mir hier sehr gut, was er immer wieder ohne Beispiel sagt, dass der ostsyrische Text der ältere und originalere ist (im Sinne von: direkt aus der Urgemeinde von Jerusalem kommend), während die westsyrische Fassung von den Griechen, und insbesondere einer abstrahierenden griechischen Art von Denken, geprägt ist. Demgegenüber habe die chaldäische Sprach- und Denkform für den unsichtbaen Bereich ein reines Analogiedenken (also keine Abstraktion, keine Begriffs-Deduktion und kein binäres Denken wie die Griechen). Es ist ein Denken, in dem der "schmale Weg" der zwischen Extremen zu suchende ist (z.B. zwischen Gerechtigkeit und Barmherzigkeit etc.). Viel mehr habe ich davon noch nicht verstanden, aber das genau fasziniert mich.
Ischa Ischa Ischa
Hier nun das Chaldäische Glaubensbekenntnis (das Perrier aus dem Aramäischen übersetzt hat und ich aus dem Französischen, was Verluste nach sich zieht...). Ich kann nicht feststellen, ob es dergleiche Text ist, den Sie vor sich liegen haben, leider.