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Konzilsblitzlicht: Als der entlaufene Mönch dem Medienmogul predigte

Zander trifft Nannen - Das Einnicken eines Gläubigen während einer Predigt darf unter besonderen Umständen als Schlaf eines Gerechten anerkannt und gar als Verdienst dem Prediger zugerechnet werden. Weit mehr trifft dies zu, wenn es sich, wie in Hans Conrad Zanders Beispiel, um den Schlaf eines Ungläubigen als Reaktion auf die Predigt eines entlaufenen Mönchs handelt. Doch lassen wir den Buchautor und Essayisten selbst zu Wort kommen:

Dass ich nach meiner ersten Reportage Henri Nannen vorgestellt worden sei, wage ich nicht zu behaupten. Ich wurde ihm, im Gegenteil, regelrecht vorgeführt. Auf dem „Affenfelsen“ an der Alster in Hamburg, wo der „Stern“ lange Zeit gemacht wurde, empfing er mich in einem Ledersessel mit so mächtiger Rückenlehne, und sein Bauch, zur Sessellehne passend, wölbte sich unterm Hemd so mächtig vor, dass mir schien, ich trete nicht vor einen modernen deutschen Illustriertenchef, sondern vor einen altjapanischen Kriegsherrn.

„Sie sind also“, sagte er, „der davongelaufene Mönch, der so gute Reportagen schreibt.“ Er musterte mich ohne Sympathie: „Na, dann erzählen Sie mir etwas über ihr Verhältnis zu Gott.“ Die gezielte Taktlosigkeit des Mächtigen. Ich nahm sie hin. Hoch auf dem Affenfelsen in Hamburg begann ich von Gott zu reden. Henri Nannen hörte zu. Er schloss die Augen. Mir schien, er höre gesammelt zu.

Und dann das Unfassbare: ein jähes Schnarchen. Ein Schnarchen nicht hoch aus einer neudeutschen Nase, sondern tief aus einem altjapanischen Bauch. Henri Nannen hatte die Augen nicht geschlossen, weil er sich sammeln wollte. Er war eingeschlafen.

Im Schlaf holte er mich aus einer Kirche, die sich, merkwürdig genug, im gleichen Zustand befand wie die Illustrierte „Stern“. Noch stand das alte, grandiose katholische Gefüge. Noch war dies die grösste Kirche aller Zeiten. Aber die Dekadenz hatte begonnen. Wie zu erwarten mit einer Blüte.

Mit dem Reformeifer des Konzils. „Bekehrung zu Welt“ war die Losung, an die ich mit der gleichen illusionären Naivität glaubte wie eine ganze Generation von katholischen Intellektuellen. Wir brauchten uns nur der Welt zu öffnen, davon waren wir überzeugt, und alles, alles würde heil.

Bekehrung zur Welt. Vom Mönch zum „Stern“-Reporter. Im Schlaf liess Henri Nannen die theologische Illusion journalistische Wirklichkeit werden.

Quelle: hansconradzander.com
Zu Henri Nannen: wikipedia.org/wiki/Henri_Nannen
Klaus Elmar Müller
"...entlaufener Mönch", nennt Hans Conrad Zander sich. Aber hatte er als 23Jähriger schon die ewige Profess abgelegt? Zum Priester kann er nicht geweiht worden sein, dafür war er zu jung.
Copertino
Vermutlich nicht. Doch das müssten Sie ihn schon selber fragen: Hans Conrad Zander c/o
LIT Verlag, Grevener Str. 179, 48159 Münster.