Göttliche Wunder
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Verhalten gegenüber Tieren

„Was ist der Mensch, daß du seiner gedenkst, der Erdensohn, daß du ihn ansiehst? Zu einem beinahe göttlichen Wesen hast du ihn gemacht, ihn gekrönt mit Hoheit und Glanz, zum Herrscher über das Werk deiner Hände hast du ihn gesetzt, ihm alles gelegt zu Füßen: die Schafe und Rinder und Tiere des Feldes, die Vögel des Himmels, die Fische der Flut, was immer dahinzieht auf den Pfaden des Meeres“[1]. „Wir wissen ja“, schreibt Augustinus, „daß alle jene Wesen zu unserm Gebrauche erschaffen worden sind“[2]. Sind „die unvernünftigen Tiere“ doch „von Natur nur dazu da“, um „gefangen und getötet zu werden“[3]. Gott aber sorgt für sie. Auf ihn „harren sie alle“, dass er sie speise „zur rechten Zeit“[4], „den Tieren zuteilt ihr Futter“[5]. Sein Gesetz bot den Tieren Schutz. Die Sabbatruhe galt auch für Ochs und Esel[6]. Rind, Schaf und Zicklein sollten nach der Geburt sieben Tage bei der Mutter bleiben[7]. Falls Jungvögel gefangen wurden, hatte man die Mutter fliegenzulassen[8]. Dem Ochsen durfte beim Dreschen kein Maulkorb angelegt werden[9]. Gott hatte Mitleid mit der Stadt Ninive auch wegen der „vielen Tiere“[10]. Paulus schreibt: „Nehmt Gott zum Vorbild als seine geliebten Kinder“[11]. „Der Gerechte sorgt für das, was sein Vieh bedarf; ohne Gefühl aber ist das Herz des Frevlers“[12]. Mitleid mit den empfindsamen Tieren ist gemäß Thomas von Aquin nicht unvernünftig, sondern gottgewollt[13]. Tiere gut zu behandeln, ist „eine Pflicht des Menschen gegen Gott, dessen Geschöpfe wir nicht quälen dürfen, eine Pflicht gegen den Nächsten, dessen Besitz wir nicht schädigen dürfen, eine Pflicht gegen sich selbst, die ungeordneten Gefühle, z. B. der Grausamkeit, des Zornes usw. zu unterdrücken“[14]. „Wieviel wertvoller aber ist ein Mensch als ein Schaf!“[15] „Es ist nicht recht, den Kindern das Brot wegzunehmen und es den Hunden hinzuwerfen“[16]. „Ist es Gott nur um die Ochsen zu tun“, fragt Paulus, „oder sagt er das nicht vielmehr unsertwegen?“[17] „So dehnte das Gesetz seine Milde sogar auf die unvernünftigen Tiere aus“, erklärt Clemens von Alexandrien, „damit wir an denen, die nicht gleichen Wesens mit uns sind, Milde üben und dann in weit höherem Maß Freundlichkeit gegen Unseresgleichen walten lassen“[18].

[1] Ps 8,5-9. Alle Schriftzitate aus: Die Heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments. Neuauflage der Schöningh’schen Bibelübersetzung von 1936 (AT) bzw. 1946 (NT), aus den Grundtexten übersetzt und erläutert von P. Dr. Eugen Henne O. M. CAP. und P. Dr. Konstantin Rösch O. M. CAP., Bobingen 2022.
[2] Sermo de Symbolo ad catechumenos 2,11; Bibliothek der Kirchenväter (unifr.ch).
[3] 2 Petr 2,12.
[4] Ps 104,27.
[5] Ps 147,9.
[6] Ex 23,12.
[7] Lev 22,27.
[8] Dtn 22,6-7.
[9] Dtn 25,4.
[10] Jona 4,11.
[11] Eph 5,1.
[12] Spr 12,10.
[13] Summa theologiae I-II 102,6,8; Bibliothek der Kirchenväter (unifr.ch).
[14] Lehrbuch der Moraltheologie von Dr. Anton Koch, Professor der Theologie an der Universität Tübingen, dritte, vermehrte und verbesserte Auflage, Freiburg im Breisgau 1910, S. 242.
[15] Mt 12,12.
[16] Mt 15,26.
[17] 1 Kor 9,10.
[18] Stromateis 2,18,93,3; Bibliothek der Kirchenväter (unifr.ch).
Boni
Die anima animarum ist das Prinzip der Fähigkeit, leiblich Freude und Leid zu empfinden. Sie erhebt die Tiere über die Pflanzen. Im Unterschied zu uns Geistbeseelten, die überdies zu geistiger Freude und geistigem Leid befähigt sind, darf man ihr Leben beenden, wenn man sie wie Pflanzen essen oder stofflich nutzen möchte. Nur eben vorsichtiger als bei Pflanzen.
F. J. S.
Danke, ist nicht ganz unwichtig!