eiss
2765

#MeToo ist ein Zeichen, aber wofür?

Die Französin Catherine Deneuve hat mit 90 anderen Frauen in Le Monde eine Debatte gegen #MeToo angestoßen.
Der Spiegel schreibt: #MeToo habe, so heißt es in ihrem offenen Brief, eine "Kampagne von Denunziation und öffentlicher Anschuldigung" ausgelöst. Die Unterzeichnerinnen warnen vor dem "Klima einer totalitären Gesellschaft" und sehen die "sexuelle Freiheit" gefährdet, befürchten einen "Hass auf Männer und Sexualität" - und sorgen sich um das Flirten.“
Die Neue Züricher (NZZ) zitiert die Autorinnen, dass #MeToo eine «Kampagne der Denunziation und öffentlicher Anschuldigungen» sei, bei der die Beschuldigten weder antworten noch sich verteidigen könnten: «Dieses Fieber, die Schweine zur Schlachtbank zu führen (. . . ), diene in Wahrheit den Interessen der Feinde sexueller Freiheit, der religiösen Extremisten, der schlimmsten Reaktionäre und derjenigen, die meinen (. . .), dass Frauen besondere Wesen sind, Kinder mit Erwachsenengesicht, die nach Schutz verlangen.»

Hier weitere Links:
www.nzz.ch/feuilleton/ist-die-metoo-d…
www.nzz.ch/feuilleton/metoo-die-medie…
www.welt.de/…/Franzoesinnen-g…
www.spiegel.de/…/metoo-debatte-s…

Kommentar:

Grundsatz unserer Kultur sind erstaunlich stabile sekundäre Tugenden wie Arbeitsfleiß, Pünktlichkeit, Verlässlichkeit, Ehrlichkeit und eben auch ein Respekt vor den religiösen Überzeugungen des Nachbarn, sofern dessen Apfelbaum nicht der eigenen Grundstücksgrenze zu nahe kommt. Dann kann es Ärger geben, auch vor Gericht und auch über Monate und Jahre, aber alles ordentlich.

#MeToo kommt aus einer anderen Welt. #MeToo beschreibt Vorfälle, die rechtlich belangbar sind, die aber überwiegend in den grauen Bereich des Das-Tut-man-Nicht und des Anstands bzw. eben des Un-Anstands gehören. Dieser Anstand wandelt sich und hat sich inzwischen erheblich gewandelt. Was in der Kulturrevolution der 60er und 70er Jahre noch anständig war, ist heute inzwischen wieder anstößig. Alles wieder wie zuvor?

#MeToo überträgt heutiges Empfinden auf Vorgänge in einem älteren Kontext einer anderen Empfindsamkeit. #MeToo ist die öffentlichkeitswirksame Mobilisierung für einen neuen Kontext der Empfindsamkeiten und dessen Deutungshoheit. Das Verfahren des #MeToo ist der Pranger und die rückwirkende Umdefinition von Vorgängen, die seinerzeit nicht den heute wahrgenommenen Charakter hatten. Aber die neue Deutungshoheit ist nicht kooperativ und schreibt die Geschichte um.

#MeToo verwendet den Pranger als Instrument der Umdefinition des Empfindens, nur dass dieser Pranger durch das Internet eine globale Reichweite hat. Die Wucht dieses modernen Hexen-Hammers ist unmittelbar zerstörend, sie kennt keinen Einspruch, sie kennt keine Verteidigung und zwischen Urteil und Hinrichtung ist kein Aufschub.

#MeToo ist der Hexen-Hammer des Herbstes der Modernen, die in einem über 200 jährigen Revolutionsprozess die alten Werte und Begriffe zerstörte, um an die Macht zu gelangen, nun aber an die Macht gelangt, die neuen Werte in das Gewand der alten kleiden möchte, um die eigene Herrschaft zu verewigen. Dass der Widerstand gegen #MeToo aus dem Land der „Großen“ Revolution kommt, ist dabei nicht überraschend, aber vielleicht doch gut. Genau wie der Aufstieg der wertefressenden Modernen sich über viele Generationen vollzog, genau so muss auch der Ausklang dieser Zeit sich über Generationen erstrecken.

Staatliche Ordnung und das Recht sind die Strukturen, die einen allmählichen Wandel der Werteordnungen ermöglichen. #MeToo ist aber ungeduldig. #MeToo ist global und ist unschuldig. #MeToo will hier und jetzt, und zwar Rache. Aber #MeToo, das sind jene Frauen, die zu Macht und Einfluss gelangten, in einem Spiel der Macht, das unappetitlich war, und die nun sich den Tarnmantel des Opfers überwerfen, um weitere Macht an sich zu reißen. Das ist das Totalitäre und Hässliche an #MeToo.

Der religiöse Mensch ist duldsam und still, auch wo mehr Lautstärke angebracht wäre, weil er um die Verletzlichkeit des Menschen weiß und zum Steine werfen nicht kommt, weil er auch um die mangelnde eigene Unschuld weiß. #MeToo ist unschuldig. #MeToo darf mit Steinen werfen. Kein Zeichen für Gutes und kein gutes Zeichen.
Josephus
Zum Erschlafen einer Filmrolle gehören immer zwei. Einer der es probiert und einer der es zulässt. Man soll doch heute nicht so tun, als habe es den Begriff "Besetzungscouch" nicht gegeben und gäbe es ihn nicht immer noch.
elisabethvonthüringen
<<Genau wie der Aufstieg der wertefressenden Modernen sich über viele Generationen vollzog, genau so muss auch der Ausklang dieser Zeit sich über Generationen erstrecken.<<
...bis man wieder bei der Erkenntnis des Wertes #du sollst nicht Unkeuschheit treiben ankommt! 👍