Guntherus de Thuringia
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[LJ 6] Das Leben Jesu nach den vier Evangelisten

4. Die Jungfrau bei Elisabeth
(Luk. 1, 39-56)

Maria aber machte sich in jenen Tagen auf und ging eilends auf das Gebirge in eine Stadt von Juda. Sie trat in das Haus des Zacharias ein und grüßte Elisabeth.

Und es begab sich, sobald Elisabeth den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Schoße auf, und Elisabeth ward mit dem Heiligen Geiste erfüllt und rief mit lauter Stimme: „Gebenedeit bist du unter den Weibern, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes! Und woher wird mir das zuteil, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? Denn siehe, sobald die Stimme deines Grußes an mein Ohr gelangte, hüpfte vor Freude das Kind in meinem Schoße auf. Selig bist du, die du geglaubt hast, es werde in Erfüllung gehen, was dir vom Herrn gesagt worden ist.“

Und Maria sprach: „Hoch preise meine Seele den Herrn, und mein Geist frohlockt in Gott, meinem Heilande! Denn er hat gesehen auf die Niedrigkeit seiner Magd. Siehe, von nun an werden alle Geschlechter mich selig preisen. Denn Großes hat an mir getan, der da mächtig ist; und heilig ist sein Name. Seine Barmherzigkeit währt von Geschlecht zu Geschlecht bei denen, die ihn fürchten. Er hat Macht geübt mit seinem Arme, zerstreut, die da hoffärtig sind in ihres Herzens Sinne. Gewaltige hat er vom Throne gestürzt und Niedrige erhöht. Hungernde hat er mit Gütern erfüllt, und Reiche leer ausgehen lassen. Er hat sich Israels, seines Knechtes, angenommen, eingedenk zu sein seiner Barmherzigkeit dem Abraham und seinen Nachkommen in Ewigkeit, wie er zu unsern Väter gesprochen hat.“

Maria blieb gegen drei Monate bei ihr; dann kehrte sie zurück in ihr Haus.