Im Januar wollte er die Priesterehe, jetzt war der Bundestagspräsident beim Papst
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Mit Lammert kam nicht nur der Hausherr des Bundestages und die treibende politische Kraft hinter der ersten Rede eines Oberhauptes der katholischen Kirche vor der deutschen Volksvertretung zum Papst, sondern auch ein streitbarer Katholik.
Dass er sich nach seiner Audienz ausgerechnet vor dem Sitz der Glaubenskongregation vor Journalisten äußerte, entbehrte vor diesem Hintergrund nicht einer gewissen Ironie. In jüngster Vergangenheit hatte er wiederholt Positionen vertreten, die von der offiziellen Lehre des Heiligen Stuhls und der Auffassung der deutschen Bischöfe abwichen.
So gehörte Lammert zu den zehn CDU-Politikern, die sich im Januar dieses Jahres in einem Schreiben an die Deutsche Bischofskonferenz für eine Zulassung verheirateter Männer zum Priesteramt unter bestimmten Bedingungen einsetzten.
Auch in der Debatte über die Präimplantationsdiagnostik (PID) ist er - im Gegensatz zur Deutschen Bischofskonferenz - gegen ein vollständiges Verbot; der westfälische Katholik zählt zu den Befürwortern des parteiübergreifenden Antrags, der eine Anwendung der PID erlauben will, wenn eine Fehlgeburt oder der Tod des Kindes innerhalb des ersten Lebensjahrs mit «hoher Wahrscheinlichkeit» eintreten.
Im Mittelpunkt des insgesamt rund halbstündigen Gesprächs standen aber nicht diese Streitthemen, sondern die Rede vor dem Bundestag und die ökumenischen Aspekte der Papstreise. Dass seine Stellvertreterin Göring-Eckardt als Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ihn nach Rom begleitete, bezeichnete Lammert als «passende Konstellation».
Die Politikerin, die zum wertkonservativen Flügel der Grünen zählt, war aus protokollarischen Gründen erst später zum Gespräch mit dem Papst hinzugekommen. Sie ist nicht die erste hochrangige Grüne, die der römische Gastgeber kennenlernt. Im Jahr 2003 hatte Joseph Ratzinger, damals noch Präfekt der Glaubenskongregation, mit Antje Vollmer schon einmal eine grüne Bundestagsvizepräsidentin mit protestantisch-theologischem Hintergrund empfangen.
Zuletzt hatte Benedikt XVI. im Vatikan einen Grünen begrüßt, dem er im September dieses Jahres in Freiburg als Ministerpräsident von Baden-Württemberg wiederbegegnen wird: Winfried Kretschmann. Als Fraktionsvorsitzender der Grünen im baden-württembergischen Landtag war Kretschmann im September 2010 mit dem damaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus und den übrigen Fraktionsvorsitzenden nach Rom gereist.
Göring-Eckardts Besuch in Rom dokumentierte nicht zuletzt die parteiübergreifende Zustimmung für eine Rede des Papstes vor dem Bundestag. Eine Absage dieser Rede habe nie ernsthaft zur Debatte gestanden, sagte Lammert in Rom. Zwar hatte es unter den Grünen vereinzelte kritische Stimmen gegeben - die prominentesten waren Christian Ströbele und der Fraktionsvorsitzende Volker Beck - die große Mehrheit sprach sich jedoch für eine Papstrede vor dem Bundestag aus.
Dies war nicht zuletzt auch dem taktischen Geschick Lammerts zu verdanken, der den Papst schon 2006 zu einer Rede vor dem Bundestag eingeladen hatte - ohne vorher die Fraktionsspitzen zu konsultieren. Diese zog er erst hinzu, als der Vatikan im Jahr 2010 auf die Einladung zurückkam.
Im September werden Göring-Eckardt und Lammert den Papst zu jeweils historischen Premieren begrüßen: Lammert, der Präsident der Volksvertretung, empfängt den Papst im Bundestag als Kirchen- und Staatsoberhaupt, Göring-Eckardt hingegen begrüßt den Papst in ihrer Eigenschaft als Synodenpräses im Augustinerkloster in Erfurt, dem Kloster des Mönchs Martin Luther.