Der Vorgang hat deutliche Ähnlichkeit mit einem „Versuchsballon“: ein eher unbedeutender Mitarbeiter einer vatikanischen Behörde äußert sich „mutig“ und man schaut, welches Echo sein Vorstoß wohl auslösen wird. Hält sich der Protest in engen Grenzen, geht man behutsam weiter, hagelt es hingegen Proteste, kann man die offizielle Verantwortung bequem abstreiten: Ein klassischen „hybrides“ Kommunikationsmuster (
kirchfahrter.wordpress.com/…/hybride-kommuni…). Ein weiterer Anhaltspunkt dafür, dass die konzilsprogressiven und die konzilskonservativen Kräfte immer mehr auseinanderdriften. Mußten in den 1960er und 1970ern noch die „Konservativen“ geschickt getäuscht werden, um eine gemeinsame Konzilsfront gegen die Tradition aufzubauen und zu halten, ist die Lage 50 Jahre später eine komplett andere: die Konservativen sind schlicht verzichtbar geworden. Sagte damals der profilierteste Vertreter der nachkonziliaren Liturgiereform in Deutschland, Emil J. Lengeling (1916 – 1986):
„
Manches musste sicherlich in den Jahren vor dem Konzil und in den beiden ersten Konzilssessionen zurückhaltend, beinahe verklausuliert formuliert werden, wenn man die möglichst einmütige Zustimmung zum ganzen erhalten wollte. Dabei ist es in der Formulierung gelungen, Türen zu Entwicklungen offen zu halten, für die auch in der letzten Konzilssession sicherlich keine 2/3 Mehrheit erreichbar gewesen wäre“ (Lengeling, Liturgisches Jahrbuch, zit. nach Schüler, a.a.O., Bd.2, S. 1122), so sind heute das Papstamt, die Kurie und die meisten Bistümer fest in progressiver Hand.
Preschen nun ultraprogressive Heißsporne wie besagter Pater Thomas Rosica vor, indem sie die Selbstherrschaft des Papstes unabhängig von Bibel und Tradition proklamieren oder leugnet der Papst einfach ab, die „dubia“ je gesehen zu haben, wird die Lage der Konzilskonservativen immer schwerer haltbar. Ihr Standpunkt, wonach die Kirche in den 60ern lediglich „aufgebrochen“ ist, um ihr (inhaltlich unverändertes) Glaubensgut neu interpretiert und formuliert an die Zeitgenossen zu bringen und sich dabei nur äußerlich etwas verändern mußte, hat erkennbar immer weniger mit der objektiven Realität zu tun: Der kirchliche Innenraum hat inhaltlich beinahe komplett die „Agenda“ des herrschenden sozio-kulturellen Mainstreams übernommen und muß sich nun (notwendiger Weise) von Heiliger Schrift und Tradition distanzieren, um auch „Gender“, praktizierte Homosexualität und weitgehende Realitätsausblendung gegenüber dem Islam in in das Lehramt integrieren zu können. Die anfangs nur schleichende Abkehr von der knapp 2000jährigen Tradition, behutsam in Szene gesetzt durch Bibel-Neuinterpretation, sog. „Liturgiereform“ und vor allem personellen Stellenbesetzungen in Ordinariaten, Seminaren und dem DBK-Apparat, hielten die Konzilskonservativen irrtümlich bereits für das Endstadium, dabei war es gerade mal
der Beginn der Umwälzungen. Heute ist die „Wortgottesfeier“ abhaltende Pastoralreferentin also Pseudo-Pfarrerin in Albe und stolaähnlichem Schal bereits weitgehend gewohnter Alltag in den Pfarrgemeinden, den „kreativen Liturgieexperimenten“ ist keine Grenze mehr gesetzt, die laiengeleitete Pfarrei bereits Pilotprojekt und den interkonfessionellen Religionsunterricht (in NRW) gibt es auch schon.
Verstört stellen die Konzilskonservativen fest, dass durch Verbalakrobatik („Handreichung“) nun auch die legalisierte Interkommunion durch die Hintertür kommt – und der Papst schmunzelt gütig dazu. Langsam dämmert es immer mehr, dass der Kircheninnenraum seit 50 Jahren – und dies mit zunehmender Geschwindigkeit - in den offenen Protestantismus abgleitet, was z.B. Erzbischof Lefebvre bereits vor Jahrzehnten prophezeit hat. Ihm nun Recht geben zu müssen – welch ein Horror für die einst konzilsbegeisterten bzw. von Anfang an konziliar sozialisierten Konservativen...