Heilung eines taubstummen und gelähmten Mädchens auf die Fürbitte des hl. Vinzenz von Paul

Der hl. Vinzenz ist der Begründer einer allgemeinen, planmäßigen und organisierten Caritas, der Stifter der „Kongregation der Weltpriester für die Missionen“ und der geistliche Vater der Barmherzigen Schwestern. Er ist am 24. 4. 1581 als Sohn eines kleinen Bauern in einem Dorfe der Gascogne geboren und in Paris am 27. 9. 1660 gestorben.

Übersetzt wird aus der Positio super miraculis, Romae 1728, gekürzt das zweite Wunder, S. 22–26. Die Heilung geschah im Jahre 1710, die Vernehmungen über sie erfolgten ein Jahr später im Apostolischen Prozeß. – In dem Text geht, wie auch in anderen Prozessen manchmal, die indirekte Rede öfter in die direkte über oder umgekehrt.


Die Pariserin Frau Quintina Marie, 45 Jahre alt, Gattin des Herrn Maturin Lhullier und Mutter des geheilten Kindes, erklärt, daß dieses Mädchen von der Geburt an bis zum Alter von acht Jahren stumm war und nicht gegangen ist und so schwach war, daß es sich in keiner Weise auf den Füßen halten konnte. Eine Frau Margarete Cuculle, Gattin des Gärtners Gallois im Vorort St. Denys, hat ihr geraten, zum Diener Gottes Vinzenz von Paul ihre Zuflucht zu nehmen, weil viele Wunder an seinem Grabe geschähen und das Kind gesund würde, wenn sie es dorthin brächte, was sie auch tat. Sie begann eine Novene, nach der das Mädchen, das sich vorher überhaupt nicht bewegte, sondern immer auf einem Stühlchen saß, anfing, dieses zu verlassen. Als die Zeugin das sah, begann sie eine zweite Novene bei dem Grabe, während der sie beichtete und kommunizierte. Danach ging dieses Kind allein und sprach sehr deutlich, so daß sie ihm mit Leichtigkeit die Gebete beibringen konnte. – Nach dieser Aussage haben wir [die Untersuchungsrichter] uns das Mädchen kommen lassen, und wir haben gesehen, wie es unbehindert ging, und gehört, wie es unbehindert sprach.

Zeuge 3, Herr Mathurin Lhullier, Bürger von Paris, Seidenweber, 74 Jahre alt, sagte aus: Eines seiner Kinder namens Maria Anna sei bis zum Alter von acht Jahren nicht gegangen und habe nicht gesprochen. Seiner Frau, der Mutter des Kindes namens Quintina Marie, habe die Nachbarin Frau Margarete Cuculle Gallois gesagt, sie solle zu dem Diener Gottes beten, und nach zwei Novenen an dessen Grabe sei sein Töchterchen gegangen und habe gesprochen und habe stets sehr gut gesprochen und sei von da an gegangen, ohne daß vorher oder nachher irgendwelche Medizin angewandt worden wäre.

Zeuge 4, der Gärtner Alexander Gallois, Pariser, 60 Jahre alt, wohnt mit den Eltern und dem Kinde Maria Anna im selben Haus. Das Kind konnte sich von Geburt an nicht bewegen und sich in keiner Weise auf den Füßen halten. Der Zeuge erinnert sich, daß die Beine des kleinen Mädchens es so wenig tragen konnten wie die einer Person, der sie gebrochen waren, so sehr waren sie zurückgeblieben. Nach der Novene hat er das Kind ohne Stock gehen gesehen. Was das Sprechen angeht, so hat der Zeuge niemals mit dem Mädchen vor seiner Heilung gesprochen. Er weiß nicht, ob das Kind niemals davor gesprochen hat, wohl haben dessen Eltern es ihm so gesagt.

Zeuge 5, Andreas Busigny, 44 Jahre alt, erklärt dasselbe wie Zeuge 4 über das Gehen und Sprechen des Kindes.

Zeuge 6, Frau Margarete Cuculle Gallois, 66 Jahre alt, wohnt im selben Hause wie das Kind und hat gesehen, daß es, bis es acht Jahre alt war, nicht gehen und in keiner Weise auf den Füßen stehen konnte. Ihr Mann hatte der Mutter geraten, dem Kinde kleine Krücken machen zu lassen, die es aber nicht zu gebrauchen vermochte, so daß die Mutter es an ihrem Halse tragen mußte. Die Zeugin mit der Nachbarschaft war überrascht, plötzlich das Kind bequem und frei gehen zu sehen nach zwei Novenen der Mutter am Grabe des Dieners Gottes.

Zeuge 7, Frau Maria le Compte, Witwe, 60 Jahre alt, wohnhaft im selben Haus wie das geheilte Kind, hat gesehen, daß es von Geburt an bis zum Alter von acht Jahren in keiner Weise gegangen ist, da es sich auf seinen Füßen weder mit Krücken noch auf irgendeine andere Weise halten konnte. Sie weiß, daß dieses Kind kein einziges klares Wort, das man hören und verstehen konnte, hervorgebracht hat, bis daß die Mutter Hilfe beim Grabe des Dieners Gottes gesucht hat. Die Zeugin war überrascht, daß dieses Kind nach zwei Novenen der Mutter mit Leichtigkeit ging und deutlich sprach, was bei der ersten Novene anfing und nach der zweiten vollendet war. Die Zeugin hat das mit ihren eigenen Augen gesehen und erlebt, da sie das Kind jeden Tag gesehen hat.

Zeuge 10, der Gärtner Johannes Gervais, 49 Jahre alt, hat die kleine Maria Anna sieben oder acht Monate vor der Heilung gekannt. Sie konnte sich nicht auf den Beinen halten. Ihre Eltern hatten ihm gesagt, daß sie von Geburt an nicht gehen konnte und stumm war. Nach der Novene der Mutter sah man zum Erstaunen dieses Kind ohne Hilfe gehen und sprechen, was, wie die Eltern sagten, es noch nie getan hatte. Was das Nichtsprechen des Kindes angeht, so könnte er es nicht selbst bezeugen, da er es nur oft mit Mitleid angeschaut habe, wenn es auf seinem Stühlchen immer dasaß, ohne sich erheben zu können. Der Zeuge hat es gesehen, weil der Hof des Hauses, wo er wohnt, mehreren Mietern gemeinsam ist, von denen der Vater des Mädchens einer ist.

Aus: Wilhelm Schamoni, Wunder sind Tatsachen. Eine Dokumentation aus Heiligsprechungsakten, 2. Auflage, Würzburg/Stein am Rhein/Linz 1976, S. 105-107. Abdruck je einzelner Dokumentationen bei Quellenangabe gestattet.
Heiliger Josef teilt das
164
pater pauperum teilt das
91