Labre
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FEST VOM KOSTBAREN BLUTE JESU Predit v. Kaplan A. Betschart

Vielen Gläubigen ist es unbekannt, dass Papst Johannes XXIII. ein eigenes Rundschreiben zur Förderung der Verehrung des Kostbaren Blutes erlassen und uns eine Litanei vom Kostbaren Blute Christi geschenkt hat. "Dem Vernehmen nach soll Johannes XXIII. sich von der Verehrung des Kostbaren Blutes die Abwendung eines dritten Weltkrieges erwartet haben" (Bischof Rudolf Graber).
In der Liturgie ist das FEST DES KOSTBAREN BLUTES noch ein junges Fest. Papst Pius IX. hat es nach seiner Rückkehr aus dem Exil von Gaëta im Jahre 1849 eingesetzt, und Pius XI. hat es 1934 zur 1900-Jahrfeier unserer Erlösung durch Christi Tod am Kreuz zu seinem besonderen liturgischen Rang erhoben. Auch durch dieses Fest will die Kirche im Verlauf des Kirchenjahres den Gedanken an die Passion Jesu in uns lebendig erhalten.

Heilige Schrift

Zuerst wollen wir uns fragen, was sie Hl. Schrift uns zu diesem Fest zu sagen hat. Des öfteren bringt sie das Volk Gottes in Verbindung mit dem Blute des Lammes. Besonders die Geheime Offenbarung des hl. Apostels Johannes kündet von diesem Geheimnis mit ergreifenden Worten. Als Beispiel sei jene Stelle genannt, die eine Vision des künftigen Reiches Gottes ist:

“Sie sangen ein neues Lied: Du bist geopfert worden, o Herr, und hast uns erlöst in Deinem Blute aus allen Stämmen und Sprachen, Völkern und Nationen und hast uns zubereitet zu einem Reich für unsern Gott” (5,9 f.).

Die Hl. Schrift enthüllt uns immer wieder den geheimnisvollen Zusammenhang vom Blute Christi und dem Gottesvolk des Neuen Bundes. Denn dieses so überaus kostbare Blut erschliesst uns jene Gemeinschaft mit dem dreifaltigen Gott und Seinem göttlichen Leben, die durch die Sünde zerstört wurde. Durch das Blut Christi leben wir in der Liebe des einen Vaters im Himmel. Das Blut Christi erschliesst uns die Gemeinschaft mit dem ewigen Sohne Gottes, indem wir Sein erworbenes Volk sind, Glieder Seines Reiches und Seines mystischen Leibes, der Kirche. Das Blut Christi erschliesst uns auch die Gemeinschaft des Heiligen Geistes, aus dem wir wiedergeboren sind zu einem neuen, höheren Leben, nämlich - es ist nicht zu fassen - zur Teilnahme an der göttlichen Natur.
So schafft das Blut Christi die Gemeinschaft der Heiligen, das “Volk der Heiligen des Allerhöchsten” (Dan 7,27). Aus dem Blute unseres Erlösers und Heilandes sind wir als Gottesvolk erworben und geschaffen worden. Deshalb wird auch das Kreuz einmal das Zeichen jenes Tages sein, an dem der ewige König Sein Volk sammeln wird, um es einzuführen in das ewige Reich, das den Gesegneten Seines Vaters bereitet ist seit Anbeginn der Welt.

“Lasst uns zu IHM hinausgehen ... “

Im Breviergebet des Priesters lädt uns der hl. Apostel Paulus inständig ein, dieser kostbaren Gabe zu entsprechen. Im Brief an die Hebräer schreibt er:

“... Jesus hat, damit er durch Sein Blut das Volk heilige, ausserhalb des (Stadt)Tores gelitten. Lasst uns also hinausgehen zu Ihm ... und Seine Schmach mit Ihm teilen” (13,12 f.).

Soll das Blut Christi in uns Früchte tragen, so müssen wir unser Lebensblut mit dem Seinen vereinen. Nur das Seine ist kostbar, und zwar so kostbar, dass ein einziger Tropfen genügt hätte, die ganze Welt zu retten. Jesus aber will, dass auch wir unseren kleinen Anteil hinzufügen, unsern Beitrag an Leiden und Opfern: dies heisst, Seine Schmach mittragen helfen.
Wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben, dass wir die Schmach Christi nach Kräften fliehen. Um ein Beispiel zu nennen: oft genügt eine kleine Rücksichtslosigkeit uns gegenüber, ein leiser Spott, ein kleines Unrecht, um uns aufbrausend und zornig werden zu lassen. Wie können wir dann sagen, dass wir an den Erniedrigungen Jesu teilzunehmen vermögen? Wir vergessen allzu schnell, wie unser göttlicher Herr und Meister als Übeltäter behandelt wurde, von der brutalen Soldatenhorde durch das Stadttor Jerusalems hinaus geschleift und dort zwischen zwei Verbrechern gekreuzigt. Und wir? Welchen Anteil haben wir an Seinem Leiden? Wie teilen wir in unserem Leben wirklich Seine Schmach? Der hl. Paulus tadelt uns zu recht:

“Noch habt ihr nicht bis aufs Blut widerstanden im Kampf gegen die Sünde” (Hebr 12,4).

Können wir mit Recht von uns behaupten, dass wir “bis aufs Blut” kämpfen, um unsere Fehler, unseren Stolz, unsere Eigenliebe zu überwinden? Sind wir nicht allzu oft lau und gleich gültig in diesem Kampf, nachsichtig und voll Selbstmitleid gegen uns selbst? Christus, der Unschuldige, hat an sich unsere Sünden gestraft durch einen blutigen Tod der Schande. Wir, die Schuldigen, wissen uns nicht zu strafen, ich sage nicht bis aufs Blut, sondern nicht einmal bis zum Opfern unserer Eigenliebe.
Dies aber ist das Blut, das Christus von uns verlangt, um es dem Seinen zu vereinen: das Blut, das aus der vollen und ehrlichen Verleugnung unseres sündigen Ich strömt, aus der hochherzigen, tapferen Annahme alles dessen, was unseren Stolz abtötet, ja zertrümmert und vernichtet. Das kostbare Blut Christi wird uns dazu die Kraft geben - wenn wir wollen.

Mit dem heutigen Fest wollen wir einen zweiten Gedanken verbinden, der bereits kurz angedeutet worden ist: Wir sind durch das vergossene Blut Christi Glieder der Kirche, des mystischen, geheimnisvollen Leibes Christi.
Diese etwas allgemein formulierte Wahrheit gewinnt heute wieder eine besondere Aktualität. Der innerkirchliche Aufruhr, den wir zur Zeit erleben, ist letztlich ein Kampf um eine neue, um eine andere Kirche, die geschaffen werden soll nach menschlichem Gutdünken, nach demokratischem Verständnis, nach Tagesmeinungen und nicht mehr nach der immer gültigen Wahrheit, dass die Kirche von Gott kommt.
Zu dieser unveränderlichen Wahrheit, die im praktischen Alltag bei vielen nicht mehr Gültigkeit hat, gehört wesentlich dazu, was der hl. Bischof und Kirchenlehrer Ambrosius (339-397) so formuliert hat:

“Wo Petrus ist, dort ist die Kirche.”

Ergänzend muss heute hinzugefügt werden, wo der wahre Petrus ist. Zur Zeit haben wir in Rom zwei in weisse Talare gekleidete Männer. Wirklich Papst kann nur einer sein, das ist katholische Glaubenslehre.
Zwei Tage vor dem “Fest des Kostbaren Blutes” feiert die Kirche das Fest der heiligen Apostel Petrus und Paulus”. Sie erinnert uns im Evangelium an den grossen Tag von Cäsarea Philippi, an dem Jesus zum erstenmal Petrus als den Grundstein der Kirche angeredet hat:

“Ich sage dir, du bist Petrus (d. i. der Fels), und auf diesen Felsen will ich Meine Kirche bauen” (Mt 16, 18).

Diese Worten hallen wider durch die Jahrhunderte und geben auch heute noch Zeugnis für den Primat des Petrus und aller seiner Nachfolger, der Päpste, über die gesamte Christenheit. Wo also der Papst, der wahre Nachfolger Petri ist, dort ist die Kirche; anderswo existiert sie nicht.
Als die große hl. Kirchenlehrerin, Theresia von Avila, starb, sagte sie im Augenblick des Todes:

“Ich bin eine Tochter der Kirche!”

Nachdem Theresia soviel für Gott und die Seelen gewirkt hatte, war dies der einzige Titel, der sie der göttlichen Erbarmung sicher machte. Kinder der Kirche zu sein, das ist der Titel unseres Heiles. Denn die heiligen Kirchenlehrer (hl. Cyprian) sagen mit Recht:

“Es kann nicht Gott zum Vater haben, wer nicht die Kirche zur Mutter hat”.

Das Fest des kostbaren Blutes Christi soll uns neuen Mut geben, uns im “Blute des Lammes” waschen zu lassen, damit wir so, von unseren Sünden gereinigt, lebendige Glieder des geheimnisvollen Leibes Christi, der Kirche, sind.

Quellenhinweis:

▸ Bacht H. SJ, Die Tage des Herrn, Bd. III, Frankfurt a. M. 1960

▸ Graber R., Verkünde das Wort, Regensburg 1969, 2. Aufl.

▸ Schott A. OSB, Das vollständige Römische Messbuch, Freiburg i. Br. 1958