Stadt Rüthen will Hexen rehabilitieren
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Der Rat der sauerländischen Stadt Rüthen will sich in seiner Sitzung am Donnerstag mit einem geschichtsschweren Thema befassen. Auf der Tagesordnung steht ein Antrag, wonach die im Mittelalter auf dem heutigen Gebiet der Stadt als Hexen und Zauberer verurteilten und getöteten Frauen und Männer rehabilitiert werden sollen.
Nach derzeitigem Forschungsstand waren zwischen 1573 und 1660 insgesamt 196 Personen unschuldig zum Tode verurteilt und hingerichtet worden. Ihnen sollen nun per Stadtratsbeschluss eine «sozialethische Rehabilitation» zuteil werden. Nach Einschätzung von Fachleuten ein Novum in Nordrhein-Westfalen und eine Seltenheit in Deutschland.
Bürgermeister Peter Weiken (parteilos) spricht von einem «symbolischen Akt». Er räumt ein, dass der Ratsbeschluss kurios anmutet. Andererseits pocht er aus verschiedenen Gründen auf die Seriosität des Anliegens. Denn zum einen ragt aus den historischen Stadtmauern von Rüthen der sogenannte Hexenturm hervor - ein steinernes Mahnmal für das dunkle Kapitel um die Hexenverbrennungen in vergangenen Jahrhunderten. «Jedes Kind in Rüthen weiß, dass es das gab.» Folterwerkzeuge wie Daumenschrauben oder Streckbänke in dem Turm zeugen immer noch von der grausamen Praxis, aus angeklagten Frauen und Männer ein Geständnis herauszupressen.
Auch die Klasse 8a des ortsansässigen Gymnasiums hatte sich im Unterricht eingehend mit dem Schicksal der «Scheipperschen», der ersten dokumentierten Hexe, oder dem der «groten Else» oder des «Zwerges» befasst - und gemeinsam mit Heimatforschern den Antrag an das Stadtparlament gestellt, diese Opfer zu rehabilitieren. Nicht zuletzt um den Schülern zu signalisieren, dass sich politisches Engagement lohnt, hat der Bürgermeister die Wiedergutmachungs-Initiative wohlwollend aufgenommen.
Er verweist aber auch darauf, dass in der Stadt zahlreiche Straßen und Einrichtungen nach Persönlichkeiten benannt sind, die mutig gegen den Hexenwahn ankämpften - darunter Friedrich Spee. Nach ihm ist das Gymnasium benannt, zu dem die 8a gehört. Die Recherchen der Schüler im Archiv der Stadt und am Hexenturm eröffnete ihnen somit auch einen ganz neuen Blick auf den Namenspatron ihrer Schule.
Wie Friedrich Spee lässt es die Schüler von heute nicht kalt, dass damals Mitbürger kurzerhand als Hexe oder Zauberer denunziert und als eine Art Sündenbock für Hungersnöte, Naturkatastrophen oder andere Unglücke verantwortlich gemacht wurden. «Denn wenn eine Frau oder ein Mann als Hexe beziehungsweise Zauberer angeklagt wurde, hatten sie kaum noch eine Überlebenschance», heißt es in dem Schreiben der Klasse an die Kommunalpolitiker. Den Prozess und die damit verbundene Folter habe so gut wie niemand überstanden. «Wenn die Stadt Rüthen die Opfer jedoch rehabilitieren würde, würden sie ihre Würde zurückerlangen», so die Schüler. Am Donnerstag also stimmt der Rat ab - und der Ausgang wird wohl alles andere als verhext sein. Bürgermeister Weiken ist jedenfalls fest davon überzeugt, dass alle Fraktionen das Anliegen der Klasse unterstützen.