Malta: Wähler entscheiden sich für die Scheidung

(gloria.tv/ KNA) Überraschung in Malta: Im kleinen Mittelmeer-Inselstaat mit seinen kaum mehr als 400.000 Einwohnern soll künftig die Ehescheidung möglich werden. Von Christoph Lennert (KNA)

In einem Referendum sprach sich am Wochenende eine knappe, aber eindeutige Mehrheit der Abstimmungsteilnehmer für die Einführung von Scheidungen aus.
Ministerpräsident Lawrence Gonzi zeigte sich noch vor Abschluss der Auszählung als guter Verlierer: Das Ergebnis sei so nicht von ihm gewünscht worden, aber der Volkswille müsse respektiert werden. Das Parlament werde ein Gesetz zur Einführung der Ehescheidung beschließen.

Damit bleibt Malta nicht länger eine Ausnahme in Europa - alle anderen EU-Staaten lassen Scheidung zu. Und selbst weltweit ist die maltesische Rechtslage bislang fast einmalig, sieht man von den Philippinen, Andorra oder dem Vatikan ab.

Das Referendum hatte zwar nur empfehlenden Charakter. Das «Ja» zur Scheidung zwingt die Parlamentarier juristisch zu nichts. Mit der klaren Ansage des Ministerpräsidenten scheint aber besiegelt, dass ein von einem Hinterbänkler seiner eigenen National Party eingebrachter Gesetzentwurf zur Einführung der Scheidung gute Chancen hat, auch eine Mehrheit im Parlament zu erhalten.

Die konkurrierende Labour Party hatte sich zwar nicht ganz eindeutig festgelegt, aber zumindest Sympathien für die Bewegung zur Einführung der Ehescheidung erkennen lassen. Beobachter erklärten am Sonntag, der Aufruf eines Labour-Chefs, Scheidungsgegner unter Wählern der Partei sollten sich enthalten, könnten den Ausgang ermöglicht haben - und die für maltesische Verhältnisse geringe Wahlbeteiligung von nur 72 Prozent erklären.

Die Frage, über die Maltas Wahlbevölkerung zu entscheiden hatte, war kompliziert formuliert. «Sind Sie dafür, die Option der Scheidung im Fall eines verheirateten Paares einzuführen, das mindestens vier Jahre getrennt lebt, wenn keine vernünftige Hoffnung auf Versöhnung zwischen den Eheleuten besteht, sofern der angemessene Unterhalt garantiert ist und die Kinder geschützt sind?» Gemeint war eine Anlehnung an das irische Modell: Auch dort ist Ehescheidung nur zulässig, wenn eine Ehe als unauflöslich gescheitert gelten muss.

Die katholische Kirche, laut maltesischer Verfassung Staatsreligion, hatte in der scharf geführten Debatte vor dem Abstimmungsdatum ihren Standpunkt klar vertreten. Sie war dafür, die Referendumsfrage mit «Nein» zu beantworten. Nötig sei, die Einstellung zur Ehe zu verändern, nicht aber die Gesetze. Wo es die Möglichkeit zur Ehescheidung gebe, hätten sich die Probleme vervielfacht, so die Bischöfe.

Allerdings vertraten auch katholische Geistliche wie der Philosophieprofessor Peter Serracino Inglott andere Auffassungen.
Sie hielten ein «Ja» zur Scheidung für Christen nicht grundsätzlich für ausgeschlossen. Streit gab es zuletzt darum, mit welchen Mitteln die Kirche in den Wahlkampf eingriff. Vorwürfe wurden laut, Haussegnungen oder gar die Eucharistie seien verweigert worden, wenn sich die Betroffenen dazu bekannt hätten, mit «Ja» stimmen zu wollen. Bischof Mario Grech von Gozo jedenfalls nannte Christen, die sich für die Scheidungs-Gesetzgebung einsetzten, «Wölfe im Schafspelz».

Unmittelbar nach Schließung der Wahllokale entschuldigten sich die Bischöfe, sollten Kirchenmitglieder in der Debatte jemanden verletzt haben. Da noch beim Urnengang am Samstag Vorwürfe der Beeinflussung laut wurden, sei diese Entschuldigung nur schwer zu akzeptieren, erklärten Scheidungsbefürworter dagegen.

Bislang hatte es in Malta nur zwei Wege gegeben, eine Ehe
aufzulösen: Jährlich wurden zwischen 150 und 200 Ehen von der Kirche annulliert - ein langer Prozess, der über Jahre dauern kann. Zudem beklagten immer wieder besonders Frauen und Mütter, die Eheannullierung verschlechtere ihre soziale Lage massiv.
Unterhaltszahlungen gibt es nicht, denn eine annullierte Ehe hat ja nie bestanden. Malta erkennt zudem auch im Ausland gesprochene Ehescheidungen seiner Bürger an, wenn einer der Ehepartner dort seinen Wohnsitz oder die jeweilige Nationalität hat. Das betraf zuletzt knapp 50 Fälle im Jahr.
Monika Elisabeth
Es ist nicht gerecht - das kann man mal ganz laut und deutlich sagen. Bei so einer niedrigen Wahlbeteiligung sollte eine Wahl gar nicht erst zustande kommen.
Aber trotzdem: was für ein Armutszeugnis des sog. katholischen Maltas!Mehr
Es ist nicht gerecht - das kann man mal ganz laut und deutlich sagen. Bei so einer niedrigen Wahlbeteiligung sollte eine Wahl gar nicht erst zustande kommen.

Aber trotzdem: was für ein Armutszeugnis des sog. katholischen Maltas!
Conde_Barroco
Das ist nicht gut! Ich frage mich auch, wie denn diese "Stimme" des Volkes zu bewerten ist, wenn die Wahlbeteiligung extrem niedrig ist. Ich habe das nie verstanden. Dieses "demokratische" System, dass einen Willen von 20 Prozent (maximal) der Bevölkerung widerspiegelt gehört ordentlich überdacht.
Galahad
Ich weiß nicht wofür die Bischöfe sich hier entschuldigen müssen!!! 😡 😡 😡 🤬 🤬 🤬