Kardinal Law blickt mit 80 auf ein bewegtes Leben zurück

(gloria.tv/ KNA) Kardinal Bernard Francis Law vollendet am 4. November sein 80. Lebensjahr. Von Ludwig Ring-Eifel (KNA).

Damit verliert er das Papstwahlrecht, und auch seine stimmberechtigte Teilnahme an den Sitzungen wichtiger Kongregationen (Ministerien) im Vatikan endet mit diesem Tag. Sein Amt jedoch ist nicht an eine Altersgrenze gebunden: Der rüstige Jubilar bleibt bis auf weiteres das, was er seit siebeneinhalb Jahren ist: Erzpriester der Römischen Patriarchalbasilika Santa Maria Maggiore, einer der schönsten Kirchen Roms.


Law freut sich auf den nächsten Teilschritt in Richtung Ruhestand.
Nun werde er noch mehr Zeit haben zum Lesen und zum Beten, meinte er wenige Tage vor seinem Geburtstag. Die ihm anvertraute größte Marienkirche Roms will er jedoch weiter pflegen und hegen, sie ist ein populäres Pilgerziel für Christen aus aller Welt. Und auch in der Nationalkirche der Amerikaner in Rom, Santa Susanna, die seit
1985 seine Titelkirche als Kardinal ist, bleibt Law eine feste Größe. Verglichen mit der Stellung, die er einst im amerikanischen Episkopat hatte, sind diese Aufgaben freilich winzig.

Von 1984 bis 2002 leitete er das Erzbistum Boston, eines der größten und traditionsreichsten in den USA. In der nationalen Bischofskonferenz war der polyglotte Kardinal mit dem Auftreten des gebildeten Ostküsten-Grandseigneurs eine Vielzweckwaffe. Er leitete die Kommission für Ökumenische und Interreligiöse Beziehungen, er managte die Eingliederung übergetretener verheirateter Priester aus der anglikanischen Episkopalkirche in die katholische Kirche. Und er knüpfte - dem staatlichen Embargo trotzend - die kühnen Kontakte der US-Bischofskonferenz zum kommunistischen Kuba und verhandelte persönlich stundenlang mit Diktator Fidel Castro über Menschenrechtsfragen.

Umso tiefer war Laws Absturz. In den 1990er Jahren deckte die Regionalzeitung «Boston Globe» Fälle sexuellen Missbrauchs von Priestern an Minderjährigen auf - und enthüllte, wie Law mit diesen Fällen umgegangen war. Es war Laws doppeltes Pech, dass die Reporter des «Globe» diesen Fällen mit einer bis dahin nicht gekannten Hartnäckigkeit nachgingen, und dass einer der Täter, der Bostoner Priester John Geoghan, ein besonders übler pädosexueller Täter war.
Mehr als 100 Fälle wurden ihm zur Last gelegt, fünf Mal wurde er wegen seines Verhaltens in psychiatrische Behandlung geschickt und danach «geheilt» in eine andere Pfarrei versetzt - damals die übliche Methode, mit solchen Menschen umzugehen.

Je mehr die Öffentlichkeit über diesen und andere klerikale Täter erfuhr, umso schwieriger wurde es für Law, seine frühere Milde gegen solche Priester zu rechtfertigen. Opfer-Organisationen und Medien machten den Bostoner Kardinal bald zu ihrer meist gehassten Zielscheibe, wenn es darum ging, das institutionelle Fehlverhalten der katholischen Kirche zu brandmarken. Bei Sitzungen der Bischofskonferenz versammelten sich Demonstranten, um mit Sprechchören und Transparenten Laws Abgang zu fordern. Als der Druck unerträglich wurde, reichte er, zwischenzeitlich ein gebrochener Mann, seinen Rücktritt vom Amt des Bostoner Erzbischofs ein, den Papst Johannes Paul II. am 13. Dezember 2002 annahm.

Dass er die Fehler seiner Amtsführung öffentlich bereute, bewirkte wenig. Medien und Justiz schonten ihn nicht, einige Male wurde er als Zeuge vor Gericht zitiert, und in seinem einstigen Erzbistum, das durch Entschädigungsklagen an den Rand des Ruins geriet, wurde er mehr und mehr zur Unperson - und das obwohl er niemals, kirchlich oder bürgerlich, wegen eines Gesetzesbruchs verurteilt wurde.

Johannes Paul II., der die früheren Verdienste des Kardinals kannte und schätzte, machte ihn schließlich im Mai 2004 zum Erzpriester von Santa Maria Maggiore in Rom und gab ihm damit eine späte zweite Chance. Auf seine Zeit in Boston blickt Law heute geläutert zurück.
Ob seine Fehler so gravierend waren, wie seine Kritiker behaupten?
Das wolle und könne er nicht entscheiden, meinte er unlängst im kleinen Kreis. Das zu beurteilen, überlasse er in seinem Alter getrost Gott alleine.