»Aus der Natur des Glaubens folgt, daß nichts ihm so sehr widerspricht, als wenn man das eine glaubt und das andere verwirft. Die Kirche lehrt nämlich, „daß der Glaube ... eine übernatürliche Tugend ist, durch die wir unter Anregung und mit Hilfe der Gnade Gottes seine Offenbarung für wahr halten, nicht wegen der natürlichen Vernunfteinsicht in den inneren Wahrheitsgehalt des Gegenstandes, sondern …Mehr
»Aus der Natur des Glaubens folgt, daß nichts ihm so sehr widerspricht, als wenn man das eine glaubt und das andere verwirft. Die Kirche lehrt nämlich, „daß der Glaube ... eine übernatürliche Tugend ist, durch die wir unter Anregung und mit Hilfe der Gnade Gottes seine Offenbarung für wahr halten, nicht wegen der natürlichen Vernunfteinsicht in den inneren Wahrheitsgehalt des Gegenstandes, sondern wegen der Autorität des offenbarenden Gottes selbst, der weder sich täuschen noch andere irreführen kann“ (Vatikanisches Konzil, Sess. III cap. 3. Denzinger Nr. 1789). Wenn also von irgendeinem Gegenstande feststeht, daß er von Gott geoffenbart ist, und man nicht daran glaubt, so glaubt man überhaupt nichts mit göttlichem Glauben. Was nämlich der Apostel Jakobus bezüglich einer Sünde auf dem Gebiete der Sittlichkeit behauptet, das gilt auch von einem Irrtum auf dem Gebiete des Glaubens: Wer ... auch nur ein einziges Gebot ... übertritt, der versündigt sich gegen alle (Jak 2, 10). Das gilt sogar in noch höherem Maße vom Glaubensirrtum. Von einem Menschen, der nur ein Gebot übertreten hat, kann man nämlich mit geringerem Recht behaupten, er habe das ganze Gesetz übertreten, weil er doch offenbar die Majestät des göttlichen Gesetzgebers nur dann verachtet haben kann, wenn er den ausgesprochenen Willen dazu hatte. Wer hingegen die geoffenbarten Wahrheiten auch nur in einem Punkte leugnet, streift in Wirklichkeit den Glauben ganz ab, da er sich weigert, Gott als die höchste Wahrheit und als den eigentlichen Beweggrund des Glaubens zu achten. „In vielem sind sie mit mir, in wenigem sind sie nicht mit mir; aber wegen dieses Wenigen, in dem sie nicht mit mir einig gehen, nützt ihnen das Viele nichts, worin sie mit mir sind“ (AUGUSTlNUS, In Psalm. LIV n.19. PL 36, 641.). Und mit Recht; denn jene, die von der christlichen Lehre nur das annehmen, was ihnen zusagt, stützen sich auf ihr eigenes Urteil, nicht auf den Glauben; sie weigern sich nämlich, ihre Gedanken in Zucht zu nehmen und sie Christus dienstbar zu machen (VgI. 2 Kor 10, 5), sie gehorchen mehr sich selbst als Gott. „Wenn ihr vom Evangelium nur glaubt, was ihr wollt, und ,was ihr nicht wollt,' nicht glaubt, so glaubt ihr weit mehr euch als dem Evangelium (AUGUSTlNUS, Contra Faustum Manichaeum lib. XVII cap. 3. CV 25, 1,486. PL 42, 342).« aus der Enzyklika „Satis cognitum“ von Papst Leo XIII. (+1905)