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Die Fakten: Warum die Angriffe gegen Tonio Borg falsch sind

Bild: Europäisches Parlament, Creative Commons.

(gloria.tv/ fafce.org) Die „Föderation der katholischen Familienverbände in Europa“ veröffentlichte folgende Informationen und Richtigstellungen im Vorfeld der gestrigen, öffentlichen Anhörung von Tonio Borg, designiertes Mitglied der Europäischen Kommission mit Zuständigkeitsbereich Gesundheit und Verbraucherschutz:

Eine aggressive Rufmord-Kampagne wird in Brüssel gegen den von Malta nominierten EU-Kommissar Tonio Borg durch Homosexuellen-, Atheisten- und Abtreibungsorganisationen inszeniert, um den Kandidaten bereits vor seiner Anhörung aufgrund seiner persönlichen Haltung in allgemeinen Fragen der Sozialethik zu diskreditieren.

Grundrechte und bürgerliche Freiheiten, wie z.B. das Grundrecht auf Glaubens- Gewissens- und Meinungsfreiheit gelten für alle Bürger, auch wenn sie Kandidaten für hohe Ämter des öffentlichen Dienstes der EU sind.

Der vorliegende Vermerk zeigt die bewusste Falschinformation auf und stellt die Faktenlage richtig dar.

Warum bedarf es seines neuen EU-Kommissars?

Der Posten des maltesischen EU-Kommissars ist nach der Amtsenthebung von John Dalli, EU-Kommissar für Gesundheit und Verbraucherschutz, im noch immer ungeklärten Zusammenhang mit der Überarbeitung der EU-Tabakrichtlinie, vakant. Daher muss die Regierung von Malta einen neuen Kandidaten vorschlagen.

Jeder EU-Mitgliedsstaat stellt einen EU-Kommissar. Die nationalen Regierungen suchen ihren Kandidaten nach eigenen nationalstaatlichen und parteipolitischen Erwägungen aus. Der Präsident der EU-Kommission bestätigt die Nominierung. Der zuständige Fachausschuss des Europäischen Parlaments organisiert eine öffentliche Anhörung, um die fachlichen Qualitäten des Kandidaten für seinen Zuständigkeitsbereich zu prüfen. Nach Empfehlung des Parlaments ernennt der Rat der Europäischen Union den Kandidaten als Mitglied der EU-Kommission.

Malta hat seinen stellv. Ministerpräsidenten und Außenminister Dr. Tonio Borg als EU-Kommissar vorgeschlagen. Tonio Borg ist katholisch und Mitglied der Regierungspartei PN (Europäische Volkspartei, Christdemokraten).

Welche sind die nächsten Etappen im Europäischen Parlament?

Am Dienstag, dem 13. November 2012, findet die öffentliche Anhörung statt, die gemeinsam von den drei zuständigen Fachausschüssen des EP organisiert wird: “Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit“ i (ENVI), “Binnenmarkt und Verbraucherschutz” ii (IMCO), “Landwirtschaft und ländliche Entwicklung” iii (AGRI).

Diese Fachausschüsse sind vom Zuständigkeitsbereich der Generaldirektion “Gesundheit und Verbraucherschutz“ der EU-Kommission betroffen.

Die Anhörung findet in öffentlicher Sitzung von 15h bis 18h statt (Tagesordnung) und wird im Internet übertragen (Webstream). Sie wird in alle Amtssprachen verdolmetscht. Die Anhörung besteht aus Fragen und Antworten (Sitzungsunterlagen). Im Anschluss an die öffentliche Anhörung beraten die Obleute der Fraktionen der drei Ausschüsse über die Empfehlung für das Plenum. Das Plenum stimmt in der Plenarwoche in Strasbourg im November über die Annahme des Vorschlags ab.

Der Angriff auf die Grundrechte durch Atheisten-, Homosexuellen- und Abtreibungslobby

Die Europäische Humanistische Föderation (EHF) iv , die Internationale Lesbian and Gay Association (ILGA-Europa) v und der Internationale Familienplanungsverband (IPPF vi ) versuchen, die Ernennung des Kandidaten zu verhindern.

In einem am 29. Oktober veröffentlichten Vermerk vii haben diese Gruppen unredliche Argumente zusammengestellt. Sie stellen die persönlichen Standpunkte und politischen Aktivitäten des Kandidaten in seinem Mitgliedsstaat verzerrt dar. Sie berufen sich heuchlerisch auf den gemeinschaftsrechtlichen Besitzstand, um ein vermeintliches Grundrecht auf Abtreibung und „Homo-Ehe“ zu begründen. Auch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit des Kandidaten wird infrage gestellt.

Der Deutsche Humanistische Verband x sieht in der Nominierung eine “Schande für Europa” und beruft sich in seinem Online-Journal „Diesseits“ xi darauf, dass selbst die Vereinten Nationen die Nominierung von Tonio Borg verurteilten:

„Die Europäische Humanistische Föderation (EHF) (…) und das UN-Flüchtlingshilfswerk protestierten umgehend gegen die Nominierung und riefen die EU-Parlamentarier auf, Borgs Nominierung die Zustimmung zu verweigern.“

Richtig ist: Das UN-Flüchtlingshilfswerk hat die Nominierungen der EU-Kommission nicht bewertet, weil es dafür nicht zuständig ist. Der Bezug auf die Vereinten Nationen ist unredlich und frei erfunden!

Weitere Argumente des Deutschen Humanistischen Verbands: Borg ist Jesuitenschüler und strenggläubiger Katholik, klarer Gegner gesellschaftlicher Liberalität, für ein striktes Abtreibungsverbot und gegen die Legalisierung von Scheidungen, gegen homosexuelle Zuwanderer, gegen die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften.

Richtig ist jedoch:

Grundrechte und bürgerliche Freiheiten, wie z. Bsp. die Glaubens-, Gewissens- und Meinungsfreiheit gelten auch für ein designiertes Mitglied der EU-Kommission aus Malta. Glaubens- und Gewissensfreiheit sind Grundwerte für alle Bürger der Europäischen Union.

Die persönlichen Meinungen eines Kandidaten zu Homo-Ehe und Abtreibung sind für seine Eignung als EU-Kommissar irrelevant. Die Institutionen der EU haben keinerlei Zuständigkeit, die Familie zu definieren, bzw. Abtreibung zu erlauben oder zu verbieten. Die Definition der Familie oder die nationalstaatlichen Regelungen zur Abtreibung, Familienrecht und Strafrecht fallen in die ausschließliche Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten.

Atheisten, Homosexuellen- und Abtreibungs-Verbände manipulieren die öffentliche Meinung mit einer aggressiven Rufmordkampagne. Sie sind intolerant und diskriminieren politische Entscheidungsträger wegen ihrer Haltung in gesellschaftspolitischen Fragen, die klar außerhalb der Zuständigkeit der EU liegen.

Die u.a. auch von der katholischen Soziallehre geprägte allgemeine Sozialethik wird als „mit europäischen Werten unvereinbar“ dargestellt. Folgte man dieser Auffassung, dann wären christliche Werte in der Politik ein Hindernis, um hohe öffentliche Ämter in der EU auszuüben.

Die falschen Beschuldigungen im Detail

Glaubens- und Gewissensfreiheit

Die Charter der Grundrechte der Europäischen Union sagt:

Präambel: Die Union trägt zur Erhaltung und zur Entwicklung dieser gemeinsamen Werte unter Achtung der Vielfalt der Kulturen und Traditionen der Völker Europas sowie der nationalen Identität der Mitgliedstaaten (…) bei Artikel 10: Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit: (1) Jede Person hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Dieses Recht umfasst die Freiheit, die Religion oder Weltanschauung zu wechseln, und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht, Bräuche und Riten zu bekennen.

Diese Grundrechte gelten auch für designierte Kommissionsmitglieder. Der Vorwurf der Atheisten ist haltlos.

Der “Verhaltenskodex für Kommissionsmitglieder” (2011) 2094) sieht vor: Kommissionsmitgliedern ist die aktive Mitgliedschaft in nationalen und europäischen Parteien oder Gewerkschaften gestattet, sofern ihre Arbeit für die Kommission bzw. ihre Unabhängigkeit im Amt hierdurch nicht beeinträchtigt wird. (…) Es wird von Kommissionsmitgliedern erwartet, die Entscheidungen des Kollegiums zu verteidigen und zu unterstützen. Ihre Pflichten gegenüber der Kommission gehen Verpflichtungen gegenüber einer Partei vor. (...) Das Recht der Kommissionsmitglieder auf freie Meinungsäußerung bleibt unberührt.

Der designierte Kandidat hat in seinen Antworten auf die Fragen der MdEP xiv ganz klar seine Absicht zum Ausdruck gebracht, den Verhaltenskodex für Kommissionsmitglieder zu respektieren.

Schutz des ungeborenen Lebens

Der Internationale Familienplanungsverband IPPF wirft dem Kandidaten vor, gegen Abtreibung zu sein und ein veraltetes Konzept des menschlichen Embryos aufrechtzuerhalten.

Fakt ist: Die Regelung der Legalisierung oder Strafbarkeit der Abtreibung ist keine Kompetenz der EU.

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat in Ausübung seiner für die gesamte EU verbindlichen Rechtsprechungskompetenz festgestellt, dass ab dem Zeitpunkt der Befruchtung einer menschlichen Eizelle ein „menschlicher Embryo“ vorliegt. Der menschliche Embryo ist durch die Biopatent-Richtlinie gegen jede Form der Kommerzialisierung geschützt, weil ihm Menschenwürde zukommt. Dass dem menschlichen Embryo ab der Befruchtung Menschenwürde zukommt ist daher ein EU-weit geltender Rechtsstandard, und nicht eine „extremistische“ Sondermeinung.

Urteil des Gerichtshofes (Große Kammer) vom 18. Oktober 2011, C-34/10 Oliver Brüstle gegen Greenpeace eV.

Leitsatz des Grundsatzurteils: Jede menschliche Eizelle vom Stadium ihrer Befruchtung an, jede unbefruchtete menschliche Eizelle, in die ein Zellkern aus einer ausgereiften menschlichen Zelle transplantiert worden ist, und jede unbefruchtete menschliche Eizelle, die durch Parthenogenese zur Teilung und Weiterentwicklung angeregt worden ist, ist ein „menschlicher Embryo“.

Abtreibung ist keine EU-Zuständigkeit

Die Befürchtung, dass Tonio Borg sein Amt dazu ausnützen werde, Abtreibung auf europäischer Ebene zu beschränken, ist unbegründet, weil der Politikbereich „Abtreibung“ nicht in den Zuständigkeitsbereich der EU fällt. Regelungen zum Zugang zu Abtreibung und Geburtenregelung fallen stattdessen in die ausschließliche Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten. Selbst wenn er dies wollte, könnte Her Borg kein EU-weites Abtreibungsverbot erlassen.

Gemeinschaftsrechtlicher Besitzstand: ”Die Kommission spricht sich weder für noch gegen Abtreibungen aus, da es für diesen Bereich keine Gemeinschaftsvorschriften gibt.”

Parlamentarische Anfrage, 2. Dezember 2011, E-009068/2011

Antwort von Vizepräsidentin Reding im Namen der Kommission Die Kommission nimmt die nationalen Unterschiede in der Politikgestaltung und der Gesetzgebung im Bereich der Abtreibung zur Kenntnis. Gemäß dem EU-Vertrag hat die Europäische Union keine Zuständigkeit im Politikbereich der Abtreibung auf nationalstaatlicher Ebene und kann daher nicht den Mitgliedsstaaten in diesem Politikfeld Vorschriften erteilen. Die Kommission hat keinerlei Studien über die Konsequenzen von Abtreibung in den Mitgliedsstaaten finanziert.

Parlamentarische Anfrage an den Rat, 30. November 2009, E-5125/2009,

Antwort der Ratspräsidentschaft Der Rat weist darauf hin, dass die Frage der Abtreibung in der Verantwortung der einzelnen Mitgliedstaaten liegt, da der Handlungsrahmen der Gemeinschaft im Bereich Gesundheit durch Artikel 152 EGV genau eingegrenzt ist.

Parlamentarische Anfrage an die Kommission, 11. September 2007, E3087/2007

Antwort von Vizepräsident Frattini im Namen der Kommission Die Legalisierung von Abtreibung liegt in der ausschließlichen Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten, die allein für die Gesetzgebung in diesem Politikbereich zuständig sind.

Anfrage an die Kommission, H-0239/07, Plenardebatte, Donnerstag, 26. April 2007 Die Kommission spricht sich weder für noch gegen Abtreibungen aus, da es für diesen Bereich keine Gemeinschaftsvorschriften gibt.

Parlamentarische Anfrage an den Rat, 19. März 2007, E-4955/2006,

Antwort Was das Recht auf Abtreibung betrifft, so teilt der Rat mit, dass die Frage der Abtreibung aus rechtlicher Sicht in die Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten fällt.

Parlamentarische Anfrage, 6. April 2006, E-0720/2006

Antwort von Vizepräsident Frattini im Namen der Kommission Die Gemeinschaft besitzt keinerlei Zuständigkeit für die Gesetzgebung in denen vom Abgeordneten genannten Bereichen, wie Abtreibung, Euthanasie oder „Flugzeugstatistiken“. Sie muss indes strikt das Subsidiaritätsprinzip einhalten.

Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften

Die Homosexuellen-Bewegung beschuldigt Herrn Borg, dass er als Mitglied der maltesischen Regierung auf eine unrichtige Umsetzung der „Freizügigkeitsrichtlinie“ xvi hingewirkt habe. Die Kommission habe deswegen ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Malta beim EuGH angestrengt. Diese Behauptungen sind falsch.

Richtig ist vielmehr, dass Malta die Richtlinie korrekt umgesetzt hat. Die Freizügigkeits-Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht zur Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften. Die zuständige Vizepräsidentin Frau Reding erklärte dazu ausdrücklich in einer Plenardebatte des EP: „Die Frage der gegenseitigen Anerkennung von Eheschließungen fällt nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie. Um die Richtlinie korrekt umzusetzen, müssen die Mitgliedsstaaten nicht die Problematik gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften berücksichtigen.“ Deswegen gab es auch kein Vertragsverletzungsverfahren.

Die Definition der Ehe gehört nicht zu den Aufgaben der EU, sondern ist ein ausschließlicher Zuständigkeitsbereich der Mitgliedsstaaten.

Charta der Grundrechte der Europäischen Union xvii , Art. 9 - Recht, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen: Das Recht, eine Ehe einzugehen, und das Recht, eine Familie zu gründen, werden nach den einzelstaatlichen Gesetzen gewährleistet, welche die Ausübung dieser Rechte regeln.

EUV Art 81-3, Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen

(…) Maßnahmen zum Familienrecht mit grenzüberschreitendem Bezug werden vom Rat gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren festgelegt. Dieser beschließt einstimmig nach Anhörung des Europäischen Parlaments. Der Rat kann auf Vorschlag der Kommission einen Beschluss erlassen, durch den die Aspekte des Familienrechts mit grenzüberschreitendem Bezug bestimmt werden, die Gegenstand von Rechtsakten sein können, die gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren erlassen werden. Der Rat beschließt einstimmig nach Anhörung des Europäischen Parlaments. Der in Unterabsatz 2 genannte Vorschlag wird den nationalen Parlamenten übermittelt. Wird dieser Vorschlag innerhalb von sechs Monaten nach der Übermittlung von einem nationalen Parlament abgelehnt, so wird der Beschluss nicht erlassen. Wird der Vorschlag nicht abgelehnt, so kann der Rat den Beschluss erlassen.

Vizepräsidentin Viviane Reding erklärt den Anwendungsbereich der Frezügigkeits-Richtlinie in einer Plenardebatte im EP am 22. Mai 2012

The question of recognition of marriages does not fall within the scope of the Free Movement Directive. In order to apply it correctly, Member States do not need to address the recognition of same-sex unions. They need simply to grant entry and residence to the couples in question and to their family members, including spouses and partners, irrespective of their sexual orientation. This means that (…) the host Member State is under no obligation to recognise the marriage under its national law.

Parlamentarische Anfrage, 2. Juli 2010, P-4250/2010

Antwort von Frau Reding im Namen der Kommission "No existing EU legal instrument or adopted Commission proposal in the area of judicial cooperation in civil matters contains a definition of ¶marriage•. If the term ¶marriage• is needed to be interpreted for the purposes of applying an EU legal instrument in the area of judicial cooperation in civil matters, it would be for the courts in the Member States and ultimately the Court of Justice of the European Union to interpret this term."
elisabethvonthüringen
Kurzer Nachtrag zum Katholischen Kandidaten
13. November 2012
Mittlerweile liegt mir ein Beitrag über den Außenminister Maltas und Kandidaten für die Leitung der EU-Kommission Gesundheit und Verbraucher, Dr. Tonio Borg, vor, der heute morgen im Deutschlandfunk ausgestrahlt wurde.
Drei Bemerkungen dazu:
1. Tonio Borgs Haltung in der Flüchtlingspolitik überrascht mich. Wie kann ein katholischer …Mehr
Kurzer Nachtrag zum Katholischen Kandidaten
13. November 2012
Mittlerweile liegt mir ein Beitrag über den Außenminister Maltas und Kandidaten für die Leitung der EU-Kommission Gesundheit und Verbraucher, Dr. Tonio Borg, vor, der heute morgen im Deutschlandfunk ausgestrahlt wurde.
Drei Bemerkungen dazu:
1. Tonio Borgs Haltung in der Flüchtlingspolitik überrascht mich. Wie kann ein katholischer Christ sich in der Frage illegaler Einwanderung allein auf Recht und Gesetz berufen? Als Politiker muss es das, als Jurist ohnehin, aber von einem katholischen Christen erwarte ich einen anderen Sprachgebrauch und zudem – wenn denn, wie im Falle Borgs, die Möglichkeit dazu besteht – eine politische Initiative, dem Phänomen anders zu begegnen als mit Inhaftierung und Abschiebung.
Dass er – so wird es jedenfalls dargestellt – die herrschende Praxis regungslos rechtfertigt und beinahe zynisch kommentiert, kann ich vom katholischen Standpunkt aus nur schwer nachvollziehen. Oder wie darf ich das verstehen, wenn Borg, auf die Behandlung von Flüchtlingen in seinem Land angesprochen, zu Protokoll gibt: „Wir nehmen sie aber nicht in Haft, weil sie Asyl beantragen, sondern weil sie illegal nach Malta eingereist sind. Wer legal nach Malta einreist, wird nicht inhaftiert.“
2. Tonio Borg soll in einer parlamentarischen Verhandlung über den Vorschlag, auch gleichgeschlechtliche Paare bei der Rentenreform zu berücksichtigen, geäußert haben: „Das hat uns gerade noch gefehlt, jetzt auch noch Schwule zu tolerieren.“ Auch hier verlässt er den Boden der katholischen Morallehre.
Auch wenn die Soziallehre der Kirche aus guten Gründen die Ehe zwischen Mann und Frau als die einzige von Staat und Fiskus zu begünstigende Verbindung zweier Menschen betrachtet, bedeutet das nicht, dass Menschen, die anderen Lebensentwürfen folgen, die Toleranz zu verweigern wäre. Zwischen Privilegierungsabsicht und Unduldsamkeit ist eine Menge Platz für einen christlichen Umgang mit Menschen, deren Verhalten aus Sicht der Kirche jedoch nicht finanziell zu fördern ist, und zwar nicht etwa deshalb nicht, weil es schlechte Menschen sind, sondern weil ihrem Lebensentwurf die sachlichen Voraussetzungen für die Förderung fehlen.
Sollte Borg hier richtig zitiert worden sein, ist diese Einlassung mehr als fragwürdig.
3. „So hat er im vergangenen Jahr gegen die Einführung der Ehescheidung gestimmt, obwohl es zuvor eine eindeutige Volksabstimmung dafür gegeben hatte.“, ist in dem Beitrag weiterhin zu lesen. Hier soll ihm ein Strick aus einem scheinbar undemokratischen Verhalten gedreht werden. Ich wiederum werte das eher als Pluspunkt für Borg, schließlich leben auch die Malteser nicht in einer Mehrheitsdiktatur, sondern in einer Demokratie, in der jeder Parlamentarier zuerst und vor allem seinem Gewissen verpflichtet ist. Das ist bei uns nicht anders.
Aus christlich-katholischer Sicht ist das positive Recht keine Folge von Konvention, sondern Konkretion vorrechtlich-überpositiver Annahmen, denen es stets verpflichtet bleibt. Eine davon lautet, dass dem Mensch im Gewissen eine Instanz eignet, deren Spruch immer zu berücksichtigen ist und der letztlich schwerer wiegt als Umfragetrends oder auch Ergebnisse von Volksabstimmungen. Denn was dem Volk zugebilligt wird, nämlich bei Wahlen und Abstimmungen von seinem Gewissen Gebrauch zu machen, kann dem Parlamentarier nicht verwehrt werden.
Das alles führt etwas weg von der anstehenden Bestellung Dr. Tonio Borgs zum EU-Kommissar. Festhalten wollte ich es trotzdem.
(Josef Bordat)
elisabethvonthüringen
Der katholische Kandidat
13. November 2012
Ein Lehrstück in Sachen Toleranz, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie kommt derzeit auf der Seite European Dignity Watch zur Aufführung. European Dignity Watch ist eine „non-governmental and non-profit organization based in Europe’s capital Brussels“, die sich zum Ziel gesetzt hat, die „three most vital pillars of a free society“ zu verteidigen, nämlich …Mehr
Der katholische Kandidat
13. November 2012
Ein Lehrstück in Sachen Toleranz, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie kommt derzeit auf der Seite European Dignity Watch zur Aufführung. European Dignity Watch ist eine „non-governmental and non-profit organization based in Europe’s capital Brussels“, die sich zum Ziel gesetzt hat, die „three most vital pillars of a free society“ zu verteidigen, nämlich „personal freedom and responsibility, fundamental rights and the family“. Und in Verrichtung dieser Aufgabe verteidigt sie nun das „fundamental right“, einen religiösen Glauben zu haben und dennoch als Mandatsträger politisch tätig zu sein. Auch in Europa.
Doch der Reihe nach. Maltas Außenminister Dr. Tonio Borg wurde von seinem Land für das „European Commission’s Health and Consumer Policy Portfolio“ nominiert. European Dignity Watch zählt seine Qualifikationen auf und kommt zu dem Schluss: „Dr. Borg is an ideal nominee“. Soweit, so gut. Doch es gibt ein Problem: „Dr. Borg is catholic Christian“. Da er offensichtlich nicht nur auf dem Papier „catholic Christian“ ist, sondern so richtig, mit allem, was dazu gehört, vor allem mit Glaubensinhalten, für die er einsteht, kann Dr. Borg zehnmal „an ideal nominee“ sein, es wird ihm nicht nützen. Denn „catholic Christian“, das geht natürlich gar nicht, wenn man im Europa des 21. Jahrhunderts irgendwas werden will, unabhängig davon, was genau.
Also, los geht’s: „In articles, blog-posts and tweets, his critics – first and foremost the European Humanist Federation, the International Planned Parenthood Federation, and the International Lesbian and Gay Association (ILGA) – have focused their attacks on Dr. Borg’s Christian faith and his personal views on issues like abortion, same-sex ,marriage’ and divorce“. Der Witz: „None of these“ (also keine seiner „personal views“ auf Abtreibung, Homo-„Ehe“ und Scheidung) fällt „under EU competence“ oder hat „anything to do with the portfolio Dr. Borg would inherit if confirmed“.
Es geht folglich um die Person Borg, d. h. um Borgs persönlichen Glauben, nicht darum, dass man meinte, er könne die Aufgaben, welche die Stelle mit sich bringt, nicht kompetent und im Einklang mit geltendem europäischen Recht bewältigen. European Dignity Watch zieht ein eindeutiges Fazit: „Dr. Borg’s values are absolutely consistent with the European values embodied in the Charter of Fundamental Rights. All the vicious, intolerant and hateful attacks made against him should be seen for what they are – a smokescreen behind which radical special interest groups are trying to advance their own agenda“.
European Dignity Watch meint jedoch, es ginge dabei nicht allein um Dr. Borg. Die „aggressive negative campaign“ rücke das Christentum selbst in ein schlechtes Licht: „In other words, according to these vocal lobby groups, simply holding Christian beliefs on social issues is a sign of ,extremism’“. Das stellt nach Einschätzung von European Dignity Watch nicht nur „hateful and intolerant propaganda“ dar, sondern ist zudem ein Schlag ins Gesicht für jeden Europäer. So wären die „founding fathers“ der europäischen Integration „certainly surprised“, bekämen sie mit, dass christliche Werte heute nicht mehr als „European values“, sondern stattdessen als „extremist values“ gehandelt werden, wo sie selbst doch größte Sorgfalt darauf verwandten, das Haus Europa auf „Christian principles such as subsidiarity, as well as human dignity and solidarity“ zu errichten.
Ich habe diese Darstellung von European Dignity Watch nicht anhand von Quellen überprüft. Es kann also sein, dass es schlicht und einfach nicht stimmt, was in dem Text behauptet wird. Dass es mithin die Artikel und die Blog-Beiträge nicht gibt. Und den Extremismus-Vorwurf auch nicht. Ja, vielleicht ist sie völlig frei erfunden, die Geschichte, dass es Menschen gibt, die andere Menschen für keine geeigneten Mitarbeiter im „Commission’s Health and Consumer Policy Portfolio“ halten, wenn, soweit und weil diese anderen Menschen katholisch sind. Allein: Ich bin geneigt, den Angaben von European Dignity Watch zu vertrauen. Sie passen ins Bild, ins Zerrbild, das regelmäßig zu bestaunen ist, geht es irgendwo im öffentlichen Diskurs um das Christentum katholischer Prägung. Zum Beispiel in Artikeln und Blog-Beiträgen.
Was also ist das jetzt, die Sache mit Bürger Borg, dem katholischen Kandidaten, und denen, die den Kandidaten im Namen von Toleranz, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie verhindern wollen, weil er katholisch ist? Erschreckend? Alarmierend? Ein Skandal? Ich will mich nicht künstlich aufregen, das ist schlecht fürs Herz. Für mich bedeutet es: Ran ans Werk! Denn ich schreibe schon seit einiger Zeit an einer satirischen Dystopie, die katholische Christen in Berlin als verfolgte und unterdrückte Minderheit zeigt. Mir scheint: Ich muss mich beeilen, wenn ich will, dass die Satire fertig wird, bevor sie als Dokumentation durchgeht.
(Josef Bordat)
Ein weiterer Kommentar von elisabethvonthüringen
elisabethvonthüringen
"Angriff auf Grundrechte durch Atheisten-, Homosexuellen- und Abtreibungslobby"
Föderation der katholischen Familienverbände in Europa weist "Rufmordkampagne" gegen den von Malta nominierten EU-Kommissar und Katholiken Tonio Borg zurück

(MEDRUM) Die Föderation der katholischen Familienverbände in Europa hat sich in einer umfassenden Erklärung gegen eine "aggressive Rufmordkampagne durch Homosexuellen …Mehr
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Föderation der katholischen Familienverbände in Europa weist "Rufmordkampagne" gegen den von Malta nominierten EU-Kommissar und Katholiken Tonio Borg zurück


(MEDRUM) Die Föderation der katholischen Familienverbände in Europa hat sich in einer umfassenden Erklärung gegen eine "aggressive Rufmordkampagne durch Homosexuellen-, Atheisten- und Abtreibungsorganisationen" gewandt, weil diese mit Hilfe von "falschen Beschuldigungen" verhindern wollen, dass Toni Borg Gesundheitskommissar in der EU wird. Weiterlesen »
Shuca
"Der Internationale Familienplanungsverband IPPF wirft dem Kandidaten vor, gegen Abtreibung zu sein und ein veraltetes Konzept des menschlichen Embryos aufrechtzuerhalten."
Sie weigern sich bis zum Anschlag das Beginnen des menschlichen Lebens festzulegen. Denn wenn sie es tun würden dann wäre das ungeborene Kind eine Minute vor Mitternacht kein Leben und eine Minute nach Mitternacht wäre es …Mehr
"Der Internationale Familienplanungsverband IPPF wirft dem Kandidaten vor, gegen Abtreibung zu sein und ein veraltetes Konzept des menschlichen Embryos aufrechtzuerhalten."
Sie weigern sich bis zum Anschlag das Beginnen des menschlichen Lebens festzulegen. Denn wenn sie es tun würden dann wäre das ungeborene Kind eine Minute vor Mitternacht kein Leben und eine Minute nach Mitternacht wäre es plötzlich oh Wunder ein schützend wertes menschliches Leben. Man könnte es auch in Sekunden ausdrücken wenn man diese Herrschaften vor Christus total lächerlich machen wollte.
"Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist".
Per Mariam ad Christum.