Interview: Kardinal Meisner erwartet von Benedikt XVI. klare Worte
(gloria.tv) Kardinal Joachim Meisner erhofft sich von Papst Benedikt XVI. bei dessen Deutschlandbesuch eine unverkürzte Verkündigung des christlichen Glaubens und klare Ansagen für Katholiken und Protestanten. Von Ludwig Ring-Eifel (KNA).
KNA: Herr Kardinal, Sie haben vor kurzem den Papst in Spanien erlebt, wie er bei großer Hitze ein enormes Pensum absolvierte. Auch in Deutschland ist das Reiseprogramm dicht. Wie schafft er das in seinem Alter?
Meisner: Das weiß ich auch nicht. Ich bin nur immer wieder erstaunt.
Wahrscheinlich schöpft er Kraft auch aus der Begegnung mit den Menschen. Es ist schon ein kleines Mysterium. Er ist immerhin sieben Jahre älter als ich, da wirkt sicher auch eine Art Amtsgnade.
KNA: Nun kommt er bald zu uns. Es ist der erste offizielle Besuch in Deutschland. Was hat der Papst dem deutschen Volk zu sagen?
Meisner: Ich bin gespannt, was er uns sagen wird. Denn der Papst ist der personifizierte katholische Katechismus. Er wird uns die Wahrheit verkünden. Und die Wahrheit hat ein Gesicht, das ist Jesus Christus. Das wird er in der ganzen Tiefe und Breite und Höhe, wie es Paulus beschreibt, an uns herantragen. Davon werden alle Menschen guten Willens bewegt werden.
KNA: Aber er trifft in Deutschland nicht nur auf Menschen guten Willens. Wie wird er darauf reagieren?
Meisner: Der Papst soll ja nicht die Botschaft verdünnen, um eventuell auch von denen akzeptiert zu werden. Er muss die ganze Botschaft verkünden, so wie Jesus. Und diese Botschaft ist wahr, sie ist gut und sie ist schön. Gerade die Schönheit des Evangeliums darzustellen, ist diesem Papst ja gegeben.
KNA: Damals, kurz vor dem Konklave, haben Sie ihn in Rom besucht und ihn beschworen, dass er für das Papstamt bereit sein solle. Haben sich die Erwartungen, die Sie in ihn setzten, erfüllt?
Meisner: Ja, völlig! Er hat den Glauben an Jesus Christus verkündet in einer Weise, die überraschend ist. Und schauen sie mal die
Reaktionen: Die Pilgerzahlen sind gestiegen. Und was sagen die? Zum alten Papst sind wir gekommen, um ihn zu sehen. Und nun gehen wir zu Benedikt XVI., um ihn zu hören. Das zeigt seine ganze Stärke. Nur muss ich ehrlich sagen, dass ich mich getäuscht habe in der Reaktion der Deutschen. Dass viele so negativ reagieren, habe ich nicht geahnt. Das trifft mich auch persönlich. Der Papst ist das Haupt des Bischofskollegiums, und wer das Haupt schlägt, der trifft alle.
KNA: Welches Buch aus der Feder Joseph Ratzingers würden Sie empfehlen, um sich auf den Papstbesuch vorzubereiten?
Meisner: Seine «Einführung in das Christentum». Das Buch trifft die Mentalität der heutigen Menschen und führt ins Zentrum des Evangeliums. Und es gibt Antworten, die man bestätigt findet durch die Entwicklung seit dem Erscheinungsjahr 1968. Ich wurde 1962 zum Priester geweiht, aber ein bisschen Theologe geworden bin ich erst durch die Lektüre dieses Buches.
KNA: Und außerdem?
Meisner: Alles, was er über die Liturgie geschrieben hat. Die Kirche hat derzeit nichts nötiger, als wieder zurückzufinden zum Zentrum der Liturgie - und zwar in dem Sinn, dass die Liturgie nicht von uns Menschen gemacht wird, sondern dass unser Gottesdienst Teilnahme ist an der himmlischen Liturgie.
KNA: Wäre dann nicht die Rückkehr zur alten Liturgie konsequenter?
Meisner: Der entscheidende Punkt liegt woanders: Der Hunger nach der alten Liturgie kam auf, weil die neue Liturgie oft missgestaltet wurde. Wie viele Leute sagen mir, dass sie sich immer wieder über Selbstinszenierungen in Gottesdiensten ärgern müssen und mit Bangen zur Kirche gehen.
KNA: Zurück zur Reise. Der Papst besucht mit Berlin und Erfurt zwei eher arme Bistümer. Wird das reiche Erzbistum Köln da finanziell ein bisschen helfen?
Meisner: Das sind so Vorurteile. Die Kirchensteuereinnahmen in Erfurt und in Berlin sind gestiegen. Das sind keine armen Bistümer mehr, und wir sind auch nicht das große, reiche Bistum. Wir sind zahlenmäßig das größte Bistum und deshalb haben wir den umfangreichsten Etat. Aber ich glaube nicht, dass Köln für diesen Besuch zusätzlich etwas leisten muss.
KNA: Berlin und Erfurt sind Bistümer einer katholischen Minderheit.
Was bedeutet für die Katholiken dort der Besuch des Papstes?
Meisner: Wir Katholiken hatten im DDR-Sozialismus unsere innere Freiheit nur dem Papst zu verdanken. Der Staatssekretär für Kirchenfragen, Klaus Gysi, der alte Gysi, hat mir oft gesagt, wenn ich wieder - wie er meinte - frech gewesen war: «Mit euch vier Prozent Hanseln wären wir längst fertig, wenn hinter euch nicht der weiße Mann in Rom stehen würde und damit fast eine Milliarde Katholiken.» Und wenn jetzt der Papst, das Oberhaupt der weltweiten Kirche, zu so einer kleinen Herde kommt, ist das eine ungeheure Aufwertung. Ich habe dem Papst öfter vom Eichsfeld erzählt, wo ich Kaplan gewesen bin. Und da hat er gesagt: Ich will zu diesen treuen Katholiken und dort einen Extra-Besuch machen, denn die hatten es im Sozialismus besonders schwer.
KNA: Ein Schwerpunkt dieser Reise wird die Begegnung mit den Vertretern der evangelischen Kirchen sein. Was erwarten Sie davon?
Meisner: Diesen Programmpunkt hat der Papst selbst ausgedehnt. Das zeigt, dass er nicht, wie oft gesagt wird, nur mit den Ostkirchen die Verständigung sucht. Durch die Begegnungen in Erfurt wird es sicher eine Klimaverbesserung geben. Aber er muss natürlich bei der Wahrheit bleiben. Von der Erklärung «Dominus Iesus» aus dem Jahr 2000, wo er die Einzigartigkeit der katholischen Kirche betont hat, wird er nicht abrücken. Und nach allem, wo die Protestanten uns in letzter Zeit allein gelassen haben - bei der Abtreibung, bei der PID, beim Problem der gleichgeschlechtlichen Partnerschaften - wird er ihnen auch sagen müssen: Bewahrt den Glauben auch in der christlichen Lebenslehre, geht nicht überall mit dem Zeitgeist!
KNA: Wird sich der Papst auf der Reise auch zum Dialogprozess der katholischen Kirche äußern?
Meisner: Er ist über die Entwicklungen in Deutschland bestens informiert. Und deshalb ist er auch nicht auf angebliche Geheimpapiere über angebliche Kirchenspaltungen angewiesen. Aber er betet wie jeder Priester täglich: «Bewahre uns vor Verwirrung und Sünde!» Und die Verwirrung der Geister ist eine echte Gefahr. Der Dialogprozess muss das bewirken, was auch der Heilige Vater ständig im Sinn hat: Den Glauben aktualisieren, nicht verbilligen, ihn in einer Sprache zu sagen, die von den Menschen verstanden wird. Wenn die Kirche wie der Papst ganz Ohr ist für Gott und ebenso ganz Ohr für die Menschen, dann wird es keine Verwirrung geben.
KNA: Herr Kardinal, Sie haben vor kurzem den Papst in Spanien erlebt, wie er bei großer Hitze ein enormes Pensum absolvierte. Auch in Deutschland ist das Reiseprogramm dicht. Wie schafft er das in seinem Alter?
Meisner: Das weiß ich auch nicht. Ich bin nur immer wieder erstaunt.
Wahrscheinlich schöpft er Kraft auch aus der Begegnung mit den Menschen. Es ist schon ein kleines Mysterium. Er ist immerhin sieben Jahre älter als ich, da wirkt sicher auch eine Art Amtsgnade.
KNA: Nun kommt er bald zu uns. Es ist der erste offizielle Besuch in Deutschland. Was hat der Papst dem deutschen Volk zu sagen?
Meisner: Ich bin gespannt, was er uns sagen wird. Denn der Papst ist der personifizierte katholische Katechismus. Er wird uns die Wahrheit verkünden. Und die Wahrheit hat ein Gesicht, das ist Jesus Christus. Das wird er in der ganzen Tiefe und Breite und Höhe, wie es Paulus beschreibt, an uns herantragen. Davon werden alle Menschen guten Willens bewegt werden.
KNA: Aber er trifft in Deutschland nicht nur auf Menschen guten Willens. Wie wird er darauf reagieren?
Meisner: Der Papst soll ja nicht die Botschaft verdünnen, um eventuell auch von denen akzeptiert zu werden. Er muss die ganze Botschaft verkünden, so wie Jesus. Und diese Botschaft ist wahr, sie ist gut und sie ist schön. Gerade die Schönheit des Evangeliums darzustellen, ist diesem Papst ja gegeben.
KNA: Damals, kurz vor dem Konklave, haben Sie ihn in Rom besucht und ihn beschworen, dass er für das Papstamt bereit sein solle. Haben sich die Erwartungen, die Sie in ihn setzten, erfüllt?
Meisner: Ja, völlig! Er hat den Glauben an Jesus Christus verkündet in einer Weise, die überraschend ist. Und schauen sie mal die
Reaktionen: Die Pilgerzahlen sind gestiegen. Und was sagen die? Zum alten Papst sind wir gekommen, um ihn zu sehen. Und nun gehen wir zu Benedikt XVI., um ihn zu hören. Das zeigt seine ganze Stärke. Nur muss ich ehrlich sagen, dass ich mich getäuscht habe in der Reaktion der Deutschen. Dass viele so negativ reagieren, habe ich nicht geahnt. Das trifft mich auch persönlich. Der Papst ist das Haupt des Bischofskollegiums, und wer das Haupt schlägt, der trifft alle.
KNA: Welches Buch aus der Feder Joseph Ratzingers würden Sie empfehlen, um sich auf den Papstbesuch vorzubereiten?
Meisner: Seine «Einführung in das Christentum». Das Buch trifft die Mentalität der heutigen Menschen und führt ins Zentrum des Evangeliums. Und es gibt Antworten, die man bestätigt findet durch die Entwicklung seit dem Erscheinungsjahr 1968. Ich wurde 1962 zum Priester geweiht, aber ein bisschen Theologe geworden bin ich erst durch die Lektüre dieses Buches.
KNA: Und außerdem?
Meisner: Alles, was er über die Liturgie geschrieben hat. Die Kirche hat derzeit nichts nötiger, als wieder zurückzufinden zum Zentrum der Liturgie - und zwar in dem Sinn, dass die Liturgie nicht von uns Menschen gemacht wird, sondern dass unser Gottesdienst Teilnahme ist an der himmlischen Liturgie.
KNA: Wäre dann nicht die Rückkehr zur alten Liturgie konsequenter?
Meisner: Der entscheidende Punkt liegt woanders: Der Hunger nach der alten Liturgie kam auf, weil die neue Liturgie oft missgestaltet wurde. Wie viele Leute sagen mir, dass sie sich immer wieder über Selbstinszenierungen in Gottesdiensten ärgern müssen und mit Bangen zur Kirche gehen.
KNA: Zurück zur Reise. Der Papst besucht mit Berlin und Erfurt zwei eher arme Bistümer. Wird das reiche Erzbistum Köln da finanziell ein bisschen helfen?
Meisner: Das sind so Vorurteile. Die Kirchensteuereinnahmen in Erfurt und in Berlin sind gestiegen. Das sind keine armen Bistümer mehr, und wir sind auch nicht das große, reiche Bistum. Wir sind zahlenmäßig das größte Bistum und deshalb haben wir den umfangreichsten Etat. Aber ich glaube nicht, dass Köln für diesen Besuch zusätzlich etwas leisten muss.
KNA: Berlin und Erfurt sind Bistümer einer katholischen Minderheit.
Was bedeutet für die Katholiken dort der Besuch des Papstes?
Meisner: Wir Katholiken hatten im DDR-Sozialismus unsere innere Freiheit nur dem Papst zu verdanken. Der Staatssekretär für Kirchenfragen, Klaus Gysi, der alte Gysi, hat mir oft gesagt, wenn ich wieder - wie er meinte - frech gewesen war: «Mit euch vier Prozent Hanseln wären wir längst fertig, wenn hinter euch nicht der weiße Mann in Rom stehen würde und damit fast eine Milliarde Katholiken.» Und wenn jetzt der Papst, das Oberhaupt der weltweiten Kirche, zu so einer kleinen Herde kommt, ist das eine ungeheure Aufwertung. Ich habe dem Papst öfter vom Eichsfeld erzählt, wo ich Kaplan gewesen bin. Und da hat er gesagt: Ich will zu diesen treuen Katholiken und dort einen Extra-Besuch machen, denn die hatten es im Sozialismus besonders schwer.
KNA: Ein Schwerpunkt dieser Reise wird die Begegnung mit den Vertretern der evangelischen Kirchen sein. Was erwarten Sie davon?
Meisner: Diesen Programmpunkt hat der Papst selbst ausgedehnt. Das zeigt, dass er nicht, wie oft gesagt wird, nur mit den Ostkirchen die Verständigung sucht. Durch die Begegnungen in Erfurt wird es sicher eine Klimaverbesserung geben. Aber er muss natürlich bei der Wahrheit bleiben. Von der Erklärung «Dominus Iesus» aus dem Jahr 2000, wo er die Einzigartigkeit der katholischen Kirche betont hat, wird er nicht abrücken. Und nach allem, wo die Protestanten uns in letzter Zeit allein gelassen haben - bei der Abtreibung, bei der PID, beim Problem der gleichgeschlechtlichen Partnerschaften - wird er ihnen auch sagen müssen: Bewahrt den Glauben auch in der christlichen Lebenslehre, geht nicht überall mit dem Zeitgeist!
KNA: Wird sich der Papst auf der Reise auch zum Dialogprozess der katholischen Kirche äußern?
Meisner: Er ist über die Entwicklungen in Deutschland bestens informiert. Und deshalb ist er auch nicht auf angebliche Geheimpapiere über angebliche Kirchenspaltungen angewiesen. Aber er betet wie jeder Priester täglich: «Bewahre uns vor Verwirrung und Sünde!» Und die Verwirrung der Geister ist eine echte Gefahr. Der Dialogprozess muss das bewirken, was auch der Heilige Vater ständig im Sinn hat: Den Glauben aktualisieren, nicht verbilligen, ihn in einer Sprache zu sagen, die von den Menschen verstanden wird. Wenn die Kirche wie der Papst ganz Ohr ist für Gott und ebenso ganz Ohr für die Menschen, dann wird es keine Verwirrung geben.