Maximilian Schmitt
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Die Lügen von Paul VI., Annibale Bugnini, Dom Botte und P. Joseph Lécuyer hinsichtlich der liturgischen Vorbilder zur Redaktion des Novus Ordo der Bischofskonsekration.

In seiner „apostolischen Konstitution“ Pontificalis Romani Recognitio vom Jahr 1968 behauptet Paul VI., daß sein neuer Ritus der Bischofsweihe, den Dom Botte und Joseph Lécuyer maßgeblich unter der Regie von Annibale Bugnini erstellt hatten, „magna ex parte“, also zum großen Teil dem koptischen und westsyrischem (maronitisch und jakobitisch) Ritus entnommen sei.

Das Problem dabei ist, daß man so tat, als wäre das ein unverdächtiges Traditionsargument. Die Frage, wann genau ein approbierter und zertifizierter koptisch-katholisch Weiheritus eingeführt wurde, kann selbst von einem erfahrenen Gelehrten, wie Dr. Heinzgerd Brakmann von der Universität Bonn nicht beantwortet werden. Und das gibt er in seinem Beitrag zu einer Festschrift als Hommage an P. Robert Taft SJ zu. Warum gibt es so viel Geheimniskrämerei in dieser Angelegenheit, so daß selbst Fachleute die Frage nicht beantworten können. Sicher ist nur, daß die Archivarbeiten von Mgr Raphael Tukhi, einem Zeitgenossen von Benedikt XIV., eben nur Archivarbeiten ohne praktischen Wert waren und ohne Einfluß auf die liturgische Praxis, wie Brakmann betont. Raphael Tukhi wurde übrigens als koptisch-katholischer Bischof im byzantinischen Ritus konsekriert. Es ist überhaupt erst ab 1948 denkbar, also ab der Zeit da der Patriarchenstuhl seit fast 40 Jahren der Vakanz wieder besetzt wurde, daß eine Approbation eines koptisch-katholischen Pontifikale erfolgt sein konnte, denn vorher wurden koptische Bischöfe in der Zeit der Vakanz des Patriarchenstuhls oft im römischen Ritus geweiht, ansonsten in anderen. Allein, diese Approbation ist aus den Akten des heiligen Stuhls nicht nachweisbar und das, obwohl andere koptisch-katholische Riten, wie die Forma brevis und Forma brevissima der Letzten Ölung durchaus ordnungsgemäß in den päpstlichen Akten in den 1930er Jahren veröffentlicht wurden, ebenso Riten zur Einkleidung in den Ordensstand für katholische Kopten! Wenn wir uns die Sukzessionslisten auf der Seite „Catholic-Hierarchy.org“ anschauen, dann erfolgte erst bei der Konsekration von Andraos Ghattas, dem späteren Kardinalpatriarchen Stephanos II. durch seinen Vorgänger Stephanos I. Sidarouss, eine Erhöhung der Zahl der Co-Konsekratoren von zwei auf drei.

Der alte römische Ritus sah immer nur deren zwei vor, aber im koptisch-katholischen Ritus, wie er jetzt praktiziert wird, können es sogar fünf, sechs oder mehr sein. Erst der Novus Ordo der Bischofskonsekration durch Paul VI. läßt eine höhere Zahl als zwei zu, aber selbstredend das erst seit seiner Einführung 1968. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass im Jahr 1967 zum ersten Mal eine Bischofskonsekration im koptisch-katholischen Ritus gespendet wurde, abgesehen davon gibt es in den 1940er und 1950er Jahren Bischofsweihen für Kopten, bei denen die Kokonsekratoren Franzosen, Italiener, Melkiten, Maroniten und Chaldäer waren, und auch ein Armenier ist dabei. Durch wen und wann wurde dieser koptisch-katholische Weiheritus approbiert? Erst durch Paul VI.?

Ein Traditionsargument als ein Siegel der Güte kann also nicht beigebracht werden.
Dazu kommt noch, daß weder der koptisch-katholische Ritus der Bischofskonsekration, so wie er wirklich praktiziert wird, noch der monophysitische für ihre Form den stoïzistischen Begriff des „spiritus principalis – griech. hegemonikon pneuma“, vorsehen. Und es ist gerade dieser Begriff, der angeblich so wichtig in der neuen Bischofsweihe Montinis sein soll. Mit anderes Worten: Joseph Lécuyer hatte als Arbeitsunterlagen für seine Ritenentwicklung keine Dokumente aus einem existierenden und approbierten Pontifikale vorgelegt, sondern Abschriften aus den Sammlungen von Denzingers „Ritus Orientalium“, deren Wert schon damals zweifelhaft waren und ohne wissenschaftlichen Belang. Das war eine Vorgaukelei und ein Spiel mit falschen Karten, mehr nicht!

Kommen wir nun zur Frage des westsyrischen Ritus der Bischofsweihe. Welches ist sein mutmaßlicher Beitrag, so, wie ihn Joseph Lécuyer uns verkauft hat?

Die Sache verhält sich ganz ähnlich wie im Falle des Pontifikale der katholischen Kopten. Auch in diesem Fall blicken wir nicht auf eine Tradition von Jahrhunderten innerhalb der katholischen Kirche zurück. Die Akten der Gründung einer syrisch-katholischen Patriarchalkirche ‚sui juris‘ [Syn. Sciarfen. Syrorum, a. 1888] unter Leo XIII., die in den Sammlungen der Universität Bonn eingesehen werden können, teilen uns mit, daß keine handschriftlichen liturgischen Bücher benutzt werden dürfen, sondern nur vom heiligen Stuhl approbierte und gedruckte Ausgaben. Die ältesten stammen aus den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts, also so um das Jahr 1845. Es folgte die Zeit des großen Kardinalpatriarchen Rahmani, der an der „Propaganda Fide“ ausgebildet worden war und auch er gab viele liturgische Bücher neu heraus, darunter auch ein Pontifikale, wie wir den Arbeiten von Mgr Khouri-Sarkis entnehmen können, der dessen Latinisierungen erwähnte (so auch in den maronitischen Pontifikalien), die in einer weiteren Reform durch den Kardinalpatriarchen Tappouni beseitigt wurden. Zu diesem Zwecke wurden bereits in den 1940er Jahren die ältesten Handschriften durch P. Vosté O.P. neu auf Latein übersetzt, eine kritische Ausgabe erstellt, welche es Tappouni erlaubten im Jahr 1952 sein Pontifikale herauszugeben. Das sind gerade mal zwölf Jahre, bevor Dom Botte und Joseph Lécuyer unter Annibale Bungnini im sogenannten Consilium, ihrer Ritenfabrikationsanstalt, die Arbeit im Auftrage des Konzils aufnahmen.

Seltsam ist nur, daß es wiederum Abschriften aus Denzingers Sammlungen, welcher jene Assemanis übernommen hatte, in dieses Consilium schafften, aber weder die Neuübersetzung von P. Vosté, noch das approbierte Pontifikale von Kardinal Tappouni. Mit der Übersetzung durch P. Vosté hat es übrigens noch eine besondere Bewandtnis. Kardinal Tisserant warf den Maroniten, insbesondere den Assemanis (posthum) vor, den heiligen Stuhl über Generationen hinters Licht geführt zu haben, weil die Übersetzungen der altsyrischen Handschriften so mangelhaft waren. Es kam dabei zu regelrechten Zerwürfnissen und bleibenden Erbitterungen.

Es wird übrigens aus den Arbeitsunterlagen des Consiliums deutlich, daß nicht etwa die maronitische oder jakobitische Bischofsweihe Vorbild für den Ritus des Novus Ordo der Bischofskonsekration war, sondern der Ritus der Investitur für den erwählten Patriarchen, der ja schon Bischof ist. Uns liegen inzwischen von beiden Riten vollständige Videoaufnahmen vor, also sowohl der Ritus der Bischofsweihe, als auch jener der Einsetzung des Patriarchen. Diese Riten erfolgen natürlich nach dem Pontifikale von 1952, worin es eine klare Trennung von Bischofskonsekration und und Patriarcheninvestitur nach unterschiedlichen Kapiteln gibt, wie Mgr Khouri-Sarkis in seinen Arbeiten auch erwähnt. Schon aus der Länge der Zeremonien ist der Unterschied klar ersichtlich. Die Bischofskonsekration dauert drei Stunden und fünfundvierzig Minuten, die Investitur des Patriarchen eine Stunde und fünfzig Minuten, wobei die Ansprachen der eingeladenen Politiker zu Beginn der Zeremonie inbegriffen sind.

Der Augenblick des Investiturgebets, wahrscheinlich jenes, welches man als das sogenannte klementinische bezeichnet (es entstammt der pseudo-klementinischen Literatur), kann leicht erkannt werden. Der „Patriarcha electus“ wird mit einem Schleier vor dem Gesicht an der Hand vor den Bischof (den Hauptzelebraten) geführt und kniet sich nieder. Unter Handauflegung wird dieses Gebet still gebetet. Es kann jetzt also nur so sein, daß dieses Gebet keinerlei sakramentalen Wert hat und auch nicht haben soll, denn da der „Electus“ bereits Bischof ist, wäre eine Reïteration der Weihe ein Sakrileg. Wäre dieses Gebet konsekratorisch im Hinblick auf eine Bischofsweihe, müßte man wenigstens die Handauflegung unterlassen. Da aber beides stattfindet, hat diese Konstellation eine ähnliche Bedeutung wir eine Abtsegnung mit apostolischem Mandat, die ja rein äußerlich auch einer Bischofsweihe nachempfunden ist.

Mit anderen Worten, genauso wenig, wie man aus dem Gebet einer Abtsegnung ohne wichtige Umformulierungen eine Bischofskonsekration machen kann, kann auch dieses Investiturgebet eine Bischofsweihe sein, geschweige denn Vorbild dafür sein. Auch das war ein Spiel mit falschen Karten.
Maximilian Schmitt
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