Theologin Huml: "Frage nach den Ämtern wird massiver werden"
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Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) sprach mit der Diplom-Theologin Wiltrud Huml (56), Leiterin der Frauenseelsorge in der Erzdiözese München-Freising, über Erwartungen, Entwicklungen und Hoffnungen. Von Barbara Just (KNA)
KNA: Frau Huml, was war revolutionär an diesem Bischofswort?
Huml: Schon dass das Papier in einem partnerschaftlichen Dialog entstand, war etwas Besonderes. Der damals in der Deutschen Bischofskonferenz für die Frauen zuständige Speyerer Weihbischof Ernst Gutting sprach mit den katholischen Frauenverbänden und auch mit der bundesweit tätigen Frauenseelsorge.
KNA: Die Frauen sollten ermutigt werden ...
Huml: ..., ihre Talente und Kompetenzen in der Kirche einzubringen.
Es ging um ihre Sichtweise. Die Kirche hatte wahrgenommen, wie die Rolle der Frau sich in der Gesellschaft wandelte. Erstmals wurde formuliert, dass Frauen nicht nur in der Familie tätig sind, sondern auch in der Erwerbsarbeit.
KNA: Wurde das auch gutgeheißen?
Huml: Völlig neu war, dass die Bischöfe der alleinstehenden, berufstätigen Frau eine wichtige Funktion in der Gesellschaft zuschrieben. Im früheren katholischen Denken gab es, überspitzt gesagt, für die Frau nur die ihr zugedachte Rolle der Ehefrau und Mutter oder Ordensfrau. Frauen haben aber auch andere Lebensentwürfe und verstehen sich dennoch als katholisch. Diese Vielfalt von Lebensformen wurde anerkannt.
KNA: Welche Ratschläge gab's für die Männer?
Huml: Wenn sich die Rolle der Frau ändert, bedeutet dies zugleich für die Männer zu akzeptieren, dass partnerschaftliches Teilen sämtlicher Aufgaben in der Familie oder der Berufswelt angesagt ist.
Seither ist viel passiert. Auch wenn Umfragen ergeben, dass berufstätige Frauen nach wie vor den größeren Teil der Hausarbeit übernehmen.
KNA: Hat sich gesellschaftlich im Sinne des Papiers etwas gewandelt?
Huml: Mittlerweile gibt es Bemühungen, eine familienfreundlichere Arbeitswelt zu schaffen. Die Elternzeit mit den Vätermonaten gehört dazu. Doch Ökonomisierung und Globalisierung wirken solchen positiven Anstrengungen entgegen. Das geht zu Lasten einer humanen Gesellschaft, wie Kardinal Reinhard Marx moniert. Nicht zu vergessen, Frauen verdienen meist weniger als Männer, und gerade Alleinerziehende haben besonders zu kämpfen. Aber eine Frau ist heute auch Bundeskanzlerin.
KNA: Wie schaut es in der Kirche aus?
Huml: Wo nicht ein Priester die Leitung innehaben muss, gibt es erfreuliche Fortschritte. Ordinariatsrätinnen sind keine Seltenheit.
Die größeren Probleme sehe ich in der Pfarrseelsorge. Das Verbot der Laienpredigt war sicher nicht hilfreich, um die Stimme der Frauen im Gottesdienst auch in einer autorisierten Form zur Geltung zu bringen. Für einen Priester, der oft Leiter eines pastoralen Großraums ist, erfordert es große Souveränität mit theologisch und religionspädagogisch sehr gut ausbildeten Pastoral- oder Gemeindereferentinnen wirklich partnerschaftlich umzugehen.
KNA: Die Bischöfe machten Hoffnung auf das Diakonat der Frau.
Huml: Es hieß auch, Männer und Frauen müssten gemeinsam teilhaben am Propheten-, Priester- und Hirtenamt Jesu Christi. Das hätte Konsequenzen in der Struktur erfordert. Solange keine Veränderungen passieren, wird die Frage nach den Ämtern für Frauen massiver werden, weil Gleichberechtigung in der Gesellschaft selbstverständlich ist. Auf einen Dialog hoffe ich dennoch. Je mehr sich die Gesellschaft weiter entwickelt, desto größer wird die Kluft. Die Gefahr ist groß, dass eine kirchliche Sondernische entsteht, wo nur eine kleine Minderheit die vom Kirchenamt vorgetragenen Argumente teilt, die für die große Mehrheit nicht nachvollziehbar sind. Das wäre bedauerlich, denn die Kirche hat eine froh machende Botschaft zu verkünden.