Jesuitenpater Mertes will „angstfreien Diskurs“ über Masturbation und Homosexualität
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Die katholische Kirche trage selbst mit dazu bei, dass sie sich immer stärker «auf abseitige Themen festnageln» lasse. Als Beispiel nannte Mertes die Rezeption des vor kurzem erschienenen Interview-Buches mit Papst Benedikt XVI. Nicht ohne Grund habe sich die Öffentlichkeit auf die Kondomfrage konzentriert, auch wenn dies vollkommen unangemessen sei gegenüber dem, was sonst Hervorragendes in diesem Buch stehe.
Mertes verteidigte die vom Jesuitenorden angebotene Entschädigungssumme von 5.000 Euro pro Missbrauchsopfer. Bei rund 200 Opfern beliefe sich die Gesamtsumme auf eine Million Euro, die der Jesuitenorden zahlen müsse. Im Unterschied dazu müsse für die Entschädigungssumme von 80.000 Euro pro Opfer, die in Irland gezahlt werde, der Steuerzahler aufkommen.
Präventionsarbeit müsse auch darin bestehen, das Schweigesystem intellektuell zu durchschauen, sagte Mertes. Häufig schwiegen Opfer, um Täter, die sie liebten, zu schützen. Außerdem würden Kinder bei dem Versuch zu reden, oft nicht gehört. Personen, denen sich Kinder anvertrauten, hätten sich das Geschilderte oft nicht vorstellen können und die Kinder der Lüge bezichtigt. Es müsse eine Bereitschaft geben, den Schmerz, der mit solchen Schilderungen auch für die Hörenden verbunden sei, zuzulassen.
Mertes unterstrich, er verstehe sein Tun als einen wichtigen Dienst an der Kirche. Im vergangenen Jahr sei ihm klar geworden, dass die Missbrauchsdebatte auch eine Chance auf Erneuerung in sich trage.
Zum Thema Zölibat meinte Mertes, er habe «zu keinem einzigen Zeitpunkt den Zölibat wegen dieser Missbrauchsfälle in Frage gestellt». Zum einen gebe es schon rein statistisch keinen Zusammenhang. Zum anderen glaube er, «dass der Zölibat vor Missbrauchstätern geschützt werden kann durch gute Zulassungsbedingungen. Beim Zölibat liegt für mich nicht das zentrale Problem.»
Pater Mertes machte im Januar 2010 Fälle von Missbrauch und Misshandlung in den 1970er und 1980er Jahren am Canisius-Kolleg öffentlich bekannt. Dies führte zur Aufdeckung weiterer Taten auch an Schulen nichtkirchlicher Träger und löste eine bundesweite Missbrauchsdebatte aus.
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