Werden in der heutigen Chrisam-Messe in den Kathedralen die Oele noch geweiht ?

Werden in der heutigen Chrisam-Messe in den Kathedralen die Oele noch geweiht ?

Ich möchte hier untersuchen, welche Änderungen ab 1971 in der neuen Weihe der Oehle bei der Chrisammesse eingeführt wurden. Die Frage ist, ob die heutigen Oele überhaupt geweiht werden. Einiges spricht dafür, daß dies nicht der Fall ist.

Weihe der Oele nach dem Pontifikale romanum 1595- gültig bis 1969

A propos: Wer sich die tridentinische Oelweihe, die alte katholische, (noch) mal zu Gemüte führen möchte, der findet hier auf deutsch eine Darstellung des bis 1970 geltenden Weihevorgangs: Die Weihe der heil…

Was ist beim neuen Weihe-Ordo neu und warum müssen wir befürchten, daß damit keine heiligen Oele mehr geweiht werden? [i]

Tridentinische Oelweihe versus neuer Ordo Oelweihe [ii]

I.
Vom Mysterion zum bloßen Zeichen

Ich möchte als Beispiel für die tridentinische Chrisam-Weihe, die seit vielen Jahrhunderten angewendet wird, Auszüge aus fünf Gebeten bei der Weihe des Chrisam-Oeles bringen, um ihre typische Qualität zu zeigen:

Gebete zu Gott, dem Herrn, tridentinisch:

„…mache diese duftende Träne mit priesterlichem Salböl bereichert Deiner Mysterien würdig und heilige + sie durch den Segen, den du spendest …
„Wir flehen, du mögest diesem Salböl geistliche Gnade verleihen und die Fülle deiner + Heiligung eingießen. Es sei beständig ein Oel priesterlicher Salbung, es sei würdig zur Einprägung des himmlischen Heerzeichens/Banners (ad caelestis vexilli impressionem), damit alle, die mit dieser Flüßigkeit gesalbt werden, den vollsten Segen für Leib und Seele erlangen und durch Mitteilung der Gabe des beseligenden Glaubens auf ewig erhöhet werden .

„(Christus) möge diese aus verschiedenartigen Geschöpfen bereiteten Flüssigkeiten durch die Vollkommenheit der Dreifaltigkeit + segnen und dadurch + heiligen und gewähren, daß sie, unter einander gemischt, Eines werden, und daß, wer immer äußerlich damit gesalbt wird, solche Geistessalbung erlange, daß er, frei von allem Schmutze körperlichen Stoffes sich zur neuen Gemeinschaft mit dem Himmelreiche Glück wünschen darf“

„Ich beschwöre dich, Geschöpf des Öles, durch Gott, den allmächtigen Vater, welcher Himmel und Erde, Meer und alles, was in demselben ist, erschuf: ausgerottet und vertrieben aus dir soll werden jede Gewalt des Feindes, die gesamte Rotte des Teufels, jeder Angriff und jedes Blendwerk Satans; damit du Allen, welche mit dir gesalbt werden, zur Annahme an Kindesstatt durch den h. Geist gereichest.“


„Wir bitten dich also, heiliger Herr, allmächtiger Vater, ewiger Gott, durch denselben J. Chr., deinen Sohn, unsern Herrn: du mögest dieses Oel, dein Geschöpf, durch deinen + Segen + heiligen und ihm die Kraft der heiligen + Geistes beimischen unter Mitwirkung der Macht deines Sohnes Christus. Bestätige den Chrisam, dein Geschöpf, als ein Geheimnis vollkommenen Heiles und Lebens, damit sich die Gnade der Heiligung durch die Salbung in die Getauften ergieße, die Verderbnis der ersten Geburt verschwinde, und eines jeden Seele als heiliger Tempel vom Wohlgeruch eines unschuldigen, dir gefälligen Lebens dufte. Nach deiner geheimnisvollen Anordnung von königlicher, priesterlicher und prophetischer Ehre durchströmt, sollen sie das unvergängliche Gewand durch deine Huld anlegen. Dies Oel möge allen aus dem Wasser und h.Geiste Wiedergeborenen ein Chrisam des Heiles werden und sie des ewigen Lebens teilhaftig und zu Genossen der himmlischen Herrlichkeit machen.“

Weihe der Oele nach dem Pontifikale romanum 1595- gültig bis 1969

Die tridentinischen Weihegebete sind Ausdruck eines unmittelbaren Wirkens der heiligsten göttlichen Kräfte. Das, was man Mysterion nannte und lateinisch Sakramentum. Das Heilige, Göttliche, die drei Personen der Trinität werden angerufen, dem Ölgemisch göttliche Kräfte einzugießen und beständig in dem Chrisam zu wirken. Bei der Salbung durchdringen sollen diese göttlichen Kräfte des Vaters, des Sohnes, des hl. Geistes den gesalbten Menschen mit ihrer umfassenden göttlichen Macht, die den Menschen innen und außen göttlich umgestaltet. Das Banner Gottes wird mit der Salbung in den Menschen eingeprägt. Die Kräfte der Trinität walten im Wirken des Chrisams. Ein solcher Kontakt mit dem Göttlichen führt den Menschen zur Heilung seines gesamten Daseins.
Die fünf Gebete für den Chrisam drücken die verschiedenartigsten Wirkweisen des Göttlichen aus. Überwältigend. Der Mensch steht vor dem unfassbaren Heiligen der Gottesmacht.

Die tridentinische Herstellung des Chrisams ist eines der größten Mysterien der christlichen Religion; ein hochgeistiges Mysterium, das in seinen Ursprüngen der Herr selber den Aposteln beim Abendmahl mitgeteilt hat! Quellen dazu unten: [i]

Die 1970 neuerfundene Weihe des neuen Ordo

Dom Helder Camara – Mitglied der Oelweih-Gruppe

Die 1970er Oelweihe und deren Endprodukte, die drei 1970er Oele, haben einen neuen „Wirkmechanismus“. Wie der vor sich geht, wollen wir an diesem neuen 1970er Weihegebet des Chrisams betrachten:

Dich bitten wir, Herr, unser Gott:
(…) mache diese duftende Mischung aus Balsam und Oel
für uns zu einem wirksamen
Zeichen deines + Segens.
Gieße die Gaben des heiligen Geistes aus
Über unsere Brüder und Schwestern,
die wir mit diesem Chrisam salben.
Heilige alles, was wir mit diesem Oel be
zeichnen

"Quelle für die in diesem Beitrag aufgeführten Gebete der neuen Oelweihe (in blau): siehe am Ende des Artikels"[i]

Die neue Wirkung der Salbung mit Oel wird folgendermaßen erklärt:

1. Der Priester salbt einen Menschen mit dem gesegneten Oel
2.Die Salbung ist ein Zeichen, das Gott nach dieser Weihelogik wahrnimmt
4.Daraufhin soll nach der neuen Weihelogik der Herr sich bereitfinden, die entsprechenden Gaben über den mit Oel markierten Menschen auszugießen.

Das ist sehr simpel ausgedacht! Es braucht dazu auch ein neues Gottesbild: manche katholischen Theologen schreiben heute ja von Gott, dem „Dienstleister“. Katholisch ist dieses Gottesbild nicht mehr. Wie bei der Ampel: Zeichen auf grün – das Auto fährt los.

Denselben überraschend simplen Ablauf finden wir im neuen Weihegebet für das Katechumenenöl:

„Allmächtiger und starker Gott,
du hast das Oel geschaffen
und zu einem
Zeichen der Lebenskraft gemacht.
Segne + dieses Oel,

und gib den Taufbewerbern, die wir damit salben,
Kraft, Entschlossenheit und Weisheit
,
damit sie das Evangelium Christi,
deines Gesalbten, tiefer erfassen
(…)
Alle : Amen. »


Wieder der Novus Ordo-Ablauf:

1.Der Priester salbt einen Taufbewerber mit dem gesegneten Salböl.
2.Das ist das Zeichen für Gott.
3.Daraufhin soll der Herr die entsprechenden Gaben über den mit Oel markierten Menschen ausgießen. Die sind auch schon festgelegt. Damit er sich nicht groß Gedanken machen muß.
Was für ein optimistisches, freundliches und banales Gottesbild!
Es ist eine neue Weihetheologie des Zeichens.
Kraft, Entschlossenheit und Weisheit kommen nicht durch das mysterion, das von Gott eingesetzte Öl. Das tridentinische Oel ist zur Wohnung der Gotteskräfte geworden und zum Durchgangskanal.
Das Oel der modernen Weihe ist nur das Zeichen, damit Gott reagiert.

Man darf vermuten, daß hier ein gewisser Nachklang von Rahners Sakramentenlehre des Zeichens vorliegt.

Beim 1970er Krankenöl heißen die neuen Weiheworte:

„Durch Deinen Segen + werde das geweihte Oel
Für alle, die wir damit salben,
ein heiliges
Zeichen deines Erbarmens,
das Krankheit, Schmerz und Bedrängnis vertreibt…“


Wieder der simpel kausale Ablauf:

1. Der Priester salbt Menschen mit dem gesegneten Oel.
2.Dieses Oel wird ein Zeichen für den Herrn. Sein Signal.
3.Und wieder wird angenommen, daß der Herr auf dieses Signal hin die entsprechenden Gaben über den mit Oel markierten Menschen ausgießt.

Und man hat für Gott schon festgelegt, was er auszugießen hat: er vertreibt in seinem Erbarmen Krankheit, Schmerz und Bedrängnis des Gesalbten.

Dom Helder Camara

II Wer hat die neue Chrisam-Messe erschaffen und wie wurde sie erfunden?

Dom Hélder Câmara, Arcebispo de Olinda e Recife, recebe doutorado honorário em teologia em Leuven, Bélgica.

Nach Vatikan II wurde ein Organ eingerichtet, das die katholische Liturgie im Sinne der Beschlüsse des Konzils bearbeiten, untersuchen und korrigieren sollte. Dies war das sogenannte Consilium, das aus ca. 40 Arbeitsgruppen bestand, den sog. Coetus: Consilium ad exsequendam constitutionem De Sacra Liturgia. Die gesamte heilige Liturgie der katholischen Kirche wurde in 40 Teile aufgeteilt, die jeweils in einer Arbeitsgruppe bearbeitet wurden.

Der Coetus 21 - Coetus a studiis 21 : de libris II et II Pontiicalis. De oficio in feria V cenae Domini. - befasste sich mit den II. und III. Büchern des Pontifikales, die die Chrisam-Messe beinhalten.
Die Weihe der Oele wird behandelt in den Schemata/Arbeitsprotokollen und Entwürfen Nr. 48 vom 6.11.1964, n. 49 vom 28. 11. 1964, n. 151 vom 2. April 1966, n. 181 vom 25. 8. 1966, n. 192 vom 4 10. 1966 und n. 354 vom 22. 10. 1969.
Der Coetus 21 wurde von Joachim Nabuco geleitet von der Diözese Rio de Janeiro.
Bernard Botte arbeitete mit Nabuco im Consilium im Coetus 20 zusammen und beschreibt Nabuco so : « Da war mons. Nabuco, ein brasilianischer Geistlicher, Autor eines Kommentars über das Pontificale romanum. Er war uns nicht von großem Nutzen, denn er hat sich nicht an unsere Arbeitsmethode per Briefverkehr angepasst. Er antwortete nicht auf die Fragen, die man ihm stellte, aber, wenn er in Europa war, drängte er darauf, dass wir uns treffen. Dann hatten aber die anderen keine Zeit.“
Das heißt: Während der Arbeitszeit an der neuen Chrisammesse von 64 bis 69 war Joachim Nabuco meistens zu Hause in Rio de Janeiro und antwortete kaum auf Briefe. Und wenn er mal nach Europa kommen konnte, hatten die anderen Gruppenmitglieder keine Zeit. Die Tücken der Teamarbeit. Internet gab es noch nicht. Das galt für den Coetus 20, im hier besprochenen Coutus 21 wird es nicht viel anders gewesen sein.
So entstand die neue Liturgie. Alle Mitglieder mussten übigens Verschwiegenheitserklärungen unterzeichnen, deshalb sind diese internen Aussagen Bottes eine Besonderheit.
Unter all den Mitgliedern des Consiliums war Nabuco dazugeholt worden, weil er ein Buch über das Pontifikale romanum geschrieben hatte, ansonsten war er Priester der Diözese Rio de Janeiro. Kein Bischof, kein Abt, keine weltberühmter Theologieprofessor. Und wenn Botte kritisiert, daß Nabuco in den 5 Jahren ab 1964, die die Arbeit an der neuen Liturgie dauerte, meist in Rio de Janeiro war, dann rührt das einfach daher, daß er es sich einen längeren Aufenthalt in Rom gar nicht leisten konnte. Er war von seinem Bischof in Rio geschickt und mußte genau abrechnen. Auf Geschäftsreise.

Dom Helder Camara mit politischen Kampfgruppen

Da war ein anderes Mitglied der Weihegruppe, des Coetus 21, von ganz anderem Format: Dom Helder Camara. Er war weltberühmt und der langjährige Präsident der brasilianischen Bischofskonferenz – die er auf Erlaubnis Cardinal Montinis hin gegründet hatte.
Man kann davon ausgehen, daß der populäre und mächtige Dom Helder Camara die ganze Arbeit prägte und tonangebend war.
Als 1964 die Arbeit im Coetus begann, stand der einfache Priester der Diözese Joachim Nabuco neben seinem Bischof von Rio de Janeiro in derselben Arbeitsgruppe: Helder Camara war 1964 sein Bischof! Nabuco war Priester seiner Diözese. Joachim Nabuco war so unbedeutend, daß es nicht einmal ein Photo von ihm gibt. Nabucos Rolle war, laut Protokollen, historische Grundlagenforschungen einbringen (Quellenlage der Weihetexte), die Richtung zu einer neuen simplen Oelweihe kam sicher von seinem Bischof, Dom Helder Camara.
Dom Helder Camara, Bischof von Rio de Janeiro, war damals schon eine weltbekannte Persönlichkeit, der viele Veranstaltungen in Europa hatte, der mit seiner linken Befreiungstheologie die Kirche in jeder Hinsicht aus alten Formen herausführen wollte.
„Der rote Erzbischof“ war sein Spitzname.
Er suchte die Spiritualität stark im Sozialen. Im Menschen.
Dom Helder Camara war seit langem mit Paul VI. befreundet, bzw. hatte sehr gute Kontakte zu ihm. Schon in der Zeit, als dieser noch Kardinal war.
Es ist sicher nicht falsch, zu sagen:
Die neue 1970er Chrisammesse ist stark geprägt durch die dominierende Mitwirkung Dom Helder Camaras.

Dom Helder Camara: volksnah

Ich möchte die Arbeitsweise des Coetus 21 kurz anskizzieren:
An ein paar Punkten aus den drei Schemata von 1966 soll gezeigt werden, wo die Arbeit der „Erfinder“ der neuen Oelweihe Coetus 21 nach über zwei Jahren stand und wie sie vorgingen:
Zum Exorzismusöl:
Das Exorzismusöl (das ist ein Synonym für das Kathechumenenoel, das seine Qualität nennt) konnte bis ins 8. Jahrhundert hinein von jedem Priester und nicht nur dem Bischof gesegnet werden.
Bis zur dritten Sitzung ging der Coetus 21 davon aus, daß die Oelweihe des Exorzismusoels am Gründonnerstag stattfinden müsse.
Kann das Katechumenenoel bei Bedarf vor der Kindertaufe geweiht werden?
Im Rom wurde das Katechumenenoel am Gründonnerstag geweiht!
Zum Krankenoel:
Muss das Krankenoel vom Bischof geweiht werden oder kann es der Priester bei Bedarf während der Messe vor der Anwendung weihen?

Fragestellungen zum heiligen Chrisam:
Zur Eröffnung wird festgehalten, daß er am Gründonnerstag geweiht werden muß.
Muss er innerhalb des Canons geweiht werden oder außerhalb?
Wenn die Weihe des Chrisamoels wie bisher außerhalb des Canons nach der Kommunion stattfindet – soll sie an derselben Stelle bleiben?
Kann man die Weihe des Chrisamoels auch an irgendeine andere Stelle der Messe platzieren?
Muß die Weihe des Chrisamoels unbedingt am Gründonnerstag stattfinden?
Im Konzil von Toledo wird festgelegt, daß der Bischof zu jeder Zeit die Weihe des Chrisam-Oels durchführen kann.

All diese Fragestellungen erhalten dann eine historische Quellenbetrachtung, die die Fragestellungen im Rahmen der Tradition betrachtet – und die vermutlich Joachim Nabuco mit seinem Fachwissen geliefert hat.

Auf dem Link sieht man ein Bild, auf dem man Dom Helder Camara zu Vatikan II in die Aula einziehen sieht: er geht in der ersten Reihe in der Mitte: Igreja no Brasil se prepara para cinquententário do Concílio.

Als ein Beispiel für solch ein Hineinstellen in den Rahmen der Tradition sei die Frage von Exorzismen bei der Weihe des Oels angeführt:

Wieder aus den Schemata der Arbeitsgruppe:
Betreffs Exorzismen wird im Protokoll darauf hingewiesen, daß im Gregorianischen Sakramentarium und anderen alten Pontifikalen kein Exorzismus bei der Oel-Weihe genannt wird.
Man findet Exorzismen aber in der Oel-Weihe des alten Gelasianischen Sakramentariums. Wahrscheinlich von dort aus wurden diese übernommen in alle gallikanischen Sakramentarien des VIII. Jahrhunderts. Exorzismen finden sich weiter im Römisch-Germanischen Pontifikale. Guillaume Durand de Mende hat es dann um 1380 in sein Pontifikale übernommen. Das Pontifikale des tridentinischen Konzils – das von 1595 - hat sich auf Durands Pontifikale gestützt und so die Exorzismen übernommen.
Diese Arbeitsmethode ist sicher sehr gewissenhaft. Allerdings ist die Konsequenz, die die Gruppe aus dieser Quellenlage zieht, überraschend konträr: Auf Grund dieser Sachlage werden die Exorzismen weggestrichen.
Man wundert sich, warum diese ganze Betrachtung der Tradition überhaupt stattgefunden hat.
Das wird aber im Nachhinein klar, wo sich die Arbeitsgruppe beglückwünscht, diese „emblematische Konzeption aus dem Mittelalter“ im Sinne einer neuen und optimistischeren Theologie beseitigt zu haben.

Man sieht an diesem Beispiel, daß es bei dem Neuschreiben der Weiheriten vor allen darum ging,
im Sinne von Sacrosanctum Concilium 34 die Riten einfach zu gestalten und sie dem modernen geistigen Fassungsvermögen moderner Weltsicht anzupassen:

„34. Die Riten mögen den Glanz edler Einfachheit an sich tragen und knapp, durchschaubar und frei von unnötigen Wiederholungen sein. Sie seien der Fassungskraft der Gläubigen angepaßt und sollen im allgemeinen nicht vieler Erklärungen bedürfen.“ Sacrosanctum concilium

Es ging eben doch um eine Reduktion des Weiherituals nach dem modernen Fassungsvermögen und Geschmack und ich bekomme deutlich den Eindruck, daß die hunderte von beeindruckenden und oft widersprüchlichen Quellen der Tradition nur der Vorhang sind, hinter dem das wahre Spiel stattfindet und das heißt: Anpassen an den Zeitgeist.
Dazuhin fällt mir auf, daß die angeführten Quellen der Tradition nicht auf ihren spirituellen, religiösen Sinngehalt untersucht werden, sondern nur als historische Fakten der Liturgiegeschichte hingestellt werden. Bsp: Die Frage, was eine Oel-Weihe am Gründonnerstag bedeutet, wird inhaltlich nicht untersucht, zum Beispiel, daß dadurch die Beziehung zum letzten Abendmahl hergestellt wird, die Einsetzung durch den Herrn… .

Mein Kommentar dazu: Ich vermisse bei diesem Vorgehen der Arbeitsgruppe eine Sichtweise vollständig: Eine spirituelle Betrachtung der Riten! Ich meine damit: Bei der Frage der Exorzismen wäre nachzufragen, ob es denn diese bösen Wesen tatsächlich gibt. Gibt es solche Dämonen? Wenn ja, dann haben die Exorzismen ihre Berechtigung. Eine solche spirituelle Untersuchung der Riten liegt aber völlig außerhalb der Weltanschauung der Gruppe. Damit kommen sie aber gar nicht an den Kern der Riten heran, die sie bearbeiten.

II Die Exorzismen

Grafik Tridentinische Oelweihe

Ein Geschöpf, durch das die Macht des Vaters, des hl. Geistes und Jesu Christi wirken soll, muß zuvor gereinigt werden. Wir kennen dasselbe von der Reinigung vor der hl. Messe: Das Geschöpf Gottes muss sich reinigen, bevor es „in persona Christi“ zu wirken beginnt.
Deshalb werden zu Beginn der Weihe die Geister des Bösen aus dem Geschöpf vertrieben:

Deshalb beginnt die tridentinische Oelweihe mit den Exorzismen:

Krankenöl: Exorzismus: (tridentinische Oelweihe)
„Ich beschwöre dich (Exorcizo te), unreinster Geist, und jeder feindliche Angriff Satans und jedes Blendwerk! Im Namen des + Vaters und des + Sohnes und des h. + Geistes; daß du weichst von diesem Öle, damit es werden könne eine geistige Salbung, um den Tempel des lebendigen Gottes zu stärken ; damit in ihm der h. Geist wohnen könne…“

Chrisam; Exorzismus:
(tridentinische Oelweihe)
„Ich beschwöre dich, Geschöpf des Öles, durch Gott, den allmächtigen Vater, welcher Himmel und Erde, Meer und alles, was in demselben ist, erschuf: ausgerottet und vertrieben aus dir soll werden jede Gewalt des Feindes, die gesamte Rotte des Teufels, jeder Angriff und jedes Blendwerk Satans; damit du Allen, welche mit dir gesalbt werden, zur Annahme an Kindesstatt durch den h. Geist gereichest: im Namen Gottes des + allmächtigen Vaters,…“

Katechumenenöl, Exorzismus
: (tridentinische Oelweihe)
Ich beschwöre dich, Geschöpf des Oeles im Namen Gottes, des allmächtigen + Vaters und im Namen Jesu + Christi und des heiligen + Geistes: es soll, unter der Anrufung der unteilbaren Dreifaltigkeit und in Kraft der e i n e n Gottheit alle verworfene Macht des Feindes, alle die alte Bosheit des Teufels, jeder gewalttätige Angriff, jedes verworrene, unsichtbare Blendwerk aus dir ausgerottet, verscheucht werden und weichen; damit du, durch die göttlichen Geheimnisse gereinigt, aus allen mit dir gesalbten Kinder Gottes an Leib und Seele machest und zur Nachlassung aller ihrer Sünden dienest; damit deren Leib zur Aufnahme jeder geistigen Gnade geheiligt werde…“

In allen drei Exorzismen der tridentinischen Oelweihe werden die Geister des Bösen im Namen der dreifaltigen Gottheit aus dem Oel vertrieben, damit die Kraft der dreifaltigen Gottheit in das Oel als gereinigte Wohnung einziehen kann. Wie gesagt: Ähnliches vollzieht der Priester vor der Messe in der siebenmaligen Anrufung des heiligen Geistes, um die Wohnung zu reinigen, in die der Herr nun einziehen wird. (Praeparatio ad missam)

Die Oelweihe des neuen Ordo hat diese Exorzismen nicht mehr und braucht sie natürlich auch nicht, denn ein Zeichen braucht man nicht läutern und reinigen. Das Zeichen empfängt auch nicht die Macht Gottes. Es ist ein Signal an Gott, daß er mit seiner „Dienstleistung“ beginnen muss. Im Falle der Oelweihe eben doch: ein Straßenschild, eine Ampel.

III Die Anbetung/Verehrung des heiligen geweihten Geschöpfes in der tridentinischen Oelweihe:

In der tridentinischen Oelweihe begrüßt und verehrt der Bischof ehrerbietig den geweihten Chrisam, indem er dreimal spricht:
„Ave, sanctum Chrisma. (Sei gegrüßt, oh heiliger Chrisam.)“
Jedes Mal einen Ton höher.

Dasselbe tun die anwesenden Priester,
auch jedes Mal einen Ton höher.
Und indem sie zugleich zum Zeichen der Ehrerbietung die Knie beugen.
Dann küßt jeder das Chrisamgefäß.
Nacheinander.
Der Kuß des Saumes des Gewandes Gottes als bedeutsame spirituelle Tat.
Dauer: 10 Minuten.

Auch das Katechumenenoel wird verehrt, indem der Bischof und die 12 Priester dreimal sprechen:
„Ave, sanctum oleum (Sei gegrüßt, heiliges Oel)!“ Diesmal ohne Kuß.

Sie grüßen den hl. Geist und Christus, deren Macht nun durch das Geschöpf, die durch das Oel wirkt.

Logischerweise fällt das beim Novus Ordo Weihevorgang weg: Man begrüßt nicht eine Ampel und man kniet nicht vor ihr nieder und man küßt sie nicht.

IV. Die Hauchung

Rituelle Handlungen, die auf den heiligen Geist Bezug nehmen, werden durch die Hauchung ausgedrückt: „Der Bischof sitzt nieder und haucht zuerst, hernach jeder der zwölf Priester, den Rand des Chrisamgefäßes in Kreuzform an. Nun beginnt die eigentliche Weihe des Chrisams“
Das Hauchen geschieht natürlich nur im Tridentinischen. Wir wissen inzwischen: Der neue Ordo handelt von Zeichen und die haucht man nicht an.

V. Die feierliche Prozession der Oele

Die tridentinische Oelweihe führt die heiligen Oele in feierlicher Prozession durch die Kathedrale. Dies ist folgerichtig, da das Oel nach der Weihe als göttliches Geschöpf die Kräfte der dreieinigen Gottheit in sich trägt. Ihm gebührt diese Ehre, wie ein Papst in Prozession durch die Kathedrale getragen zu werden.
Und diesem tridentinische Geschöpf des Oeles gebührt auch ein besonders ehrwürdiger Aufbewahrungsort: fast ähnlich zum Tabernakel wird es an einem besonderen Ort in besonderen Gefäßen das Jahr über aufbewahrt.

Eine solche Ehrerbietung kommt natürlich dem modernen 1970er Oel als bloßem Zeichen nicht mehr zu. Es ist nicht wesenhaft. Es ist bloßes Zeichen. Deshalb gebührt ihm kein heiliger Gruß, keine Kniebeugung, kein Anhauchen, kein Kuß - aber natürlich auch: keine Prozession und kein tabernakelähnlicher Aufbewahrungsort. Es muß halt als Oel an einem schattigen und kühlen und würdigen Ort gelagert werden. Das ist alles.
Und überall, wo diesem 1970er Öl mehr Ehre erwiesen wird, findet eine Täuschung des Publikums statt, das glauben soll, das sog. 1970er „Chrisam“ hätte etwas mit Chrisam zu tun. Wieviele Menschen, die sich noch nicht mit den zwei verschiedenen Oelweihen auseinandergesetzt haben, glauben doch, die moderne 1970er Weihe sei eine Art „light Version“ der ursprünglichen Weihe, wo sie doch etwas grundsätzlich Anderes ist.

VI. Fazit:

Es steht mir nicht zu, zu urteilen, ob die heutigen Oelweihen die drei geweihten Oele hervorbringen oder nicht.
Daß hier aber eine große Zerstörungsarbeit angerichtet wurde, das steht für mich außer Frage. Ein Paradigmenwechsel: Weg vom allmächtigen Göttlichen des Mysterions hin zum rein Menschlichen mit einem nutzbar gemachten Göttlichen. Wie bei einem begradigten Flußbett. Sacrosanctum Concilium 34 eben.
Diejenigen, die das getan haben, sehen das anders: Sie sprechen davon, daß sie das dunkle mittelalterliche Dickicht gelichtet haben und auf das Wesentliche hinorientiert haben: das Menschliche. Und Klarheit der Struktur. Begradigt eben.

Immerhin gibt es auch in meinen Augen für das Chrisam-Oel einen Hoffnungsschimmer:
Die 1970er Oelweihe gibt für die Weihe des Chrisam-Oels zwei Wahlmöglichkeiten an: A oder B – wie sich das im Novus Ordo gehört. Die eine – A – hat noch einen Anklang an die tridentinische Weiheformel – wie sich das im Novus Ordo gehört; B ist ganz neu formuliert und lebt nur im „Zeichen“.
Die Variante A lautet an der 1970er zentralen Weihestelle:

„Deshalb bitten wir dich, o Herr:
Heilige + dieses Oel mit deinem Segen
Und erfülle es mit der Kraft des heiligen Geistes
durch Deinen Sohn, Jesus Christus.“


Das sind Restworte der tridentinischen Weiheformel, die hier nicht ganz wegraddiert wurde. Damit bleiben Weiheworte bestehen. Die könnten als Weihe wirken. Sie werden allerdings danach wieder in die Zeichen-Theologie eingebunden, indem weiter unten im Text dazu gesagt wird:

„Mach diesen Chrisam zu einem Zeichen…“

Aber wer weiß … Vielleicht reichen die obigen vier Zeilen als Weihe des Chrisam trotzdem?

Nun habe ich natürlich keinen Überblick darüber, welche Variante in welcher deutschen Kathedrale ausgewählt wird. Damit bliebe die Weihe dem Zufall überlassen.
Diejenigen Bischöfe, bei denen ich die Chrisammesse miterleben konnte, wählten mit sicherem Gespür die Variante B aus mit dem Weihespruch:

ein wirksames Zeichen deines + Segens.
Gieße die Gaben des hl. Geistes aus
Über unsere Brüder und Schwestern,

die wir mit diesem Chrisam salben.

Heilige alles, was wir mit diesem Oele
bezeichnen …“

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Gerne lese und beantworte ich Anfragen und Mitteilungen, die an mich im Chat gerichtet werden.

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Zum Thema der Liturgie sei auf weitere Artikel von mir hingewiesen:

Das „Officium Divinum“ von Christoph Moufang Das „Officium Divinum“ von Christoph Moufang.

Die deutsche Edition von Prosper Guérangers „Das Kirchenjahr“: Eine Sternstunde in der Kirchengeschichte, ein epochales Ereignis Die deutsche Edition von Prosper Guérangers „Das K…

Prosper Guérangers „Liturgisches Jahr“ – das „Année liturgique“ Teil 2 Prosper Guérangers…

Prosper Guérangers „Liturgisches Jahr“ – das „Année liturgique“ Teil 1 Prosper Guérangers „Liturgisches Jahr“

Dom Guéranger: Was ist Liturgie? Was ist Liturgie

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[i] Wir wissen aus der zweiten Epistel von Papst Fabianus (236 bis 256) die Zusammenhänge der Zubereitung des Chrisams: am Heiligen Donnerstag (Gründonnerstag) etc.
„Nachdem er mit seinen Jüngern das Abendmahl eingenommen hatte und ihre Füße gewaschen hatte, lehrte der Herr Jesus Christus seine Jünger an diesem Tag Chrisam zuzubereiten. Die Fußwaschung bedeutet unsere Taufe und sie wird vervollständigt und bestätigt durch die Salbung mit dem heiligen Chrisam. (...) Diese Dinge haben wir empfangen von den heiligen Aposteln und ihren Nachfolgern und wir verpflichten uns, daß sie weiter bewahrt werden. Die heilige Kirche von Rom und Antiochia war Hüter dieser Dinge seit den Zeiten der Apostel; und auch die Kirchen von Jerusalem und Ephesus bewahren diese Dinge. Als Vorsteher dieser Kirchen lehrten die Apostel dies.“ SS Fabianus - Epistola ad Omnes Orientales Episcopos [Schaff] [0236-0250] Full Text at Documenta Catholica Omnia

Quelle: P. Sorci: “Per una mistogagia dei simboli, 2. La solenne benedizione del Crisma in Oriente i en Occidente », Revista Liturgica 76 (1989) , p.255-276
Diese Forschungsergebnisse von P. Sorci verwendet auch Gabriele Tornambé in seiner hervorragenden Arbeit über die neue Chrisam-Messe. Gabriele Tornambé: „La réforme de la messe chrismale…“, 2017

[i] Ich behandle in diesem Artikel nicht die Messe, in der die heiligen Oele geweiht werden, sondern nur die Weihe der Oele.
Wollte man die Messe behandeln, dann müßten die Änderungen der heiligen Woche von Pius XII. mit einbezogen werden. Pius XII. hat die Weihe der Oele nicht verändert.

[ii] Ich gehe aus von der Weihe der hl. Oele, wie sie das Pontifikale romanum von 1595-96, das aus dem Tridentinum hervorging, darstellt. Ich habe sie hier auf deutsch wiedergegeben: Die Weihe der heil…
In meinem Text werde ich „die Weihe der hl. Oele, wie sie das Pontifikale romanum von 1595-96, das aus dem Tridentinum hervorging, beschreibt“ der Kürze halber einfach „die tridentinische Oelweihe“ nennen. Es sei in diesem Zusammenhang noch daran erinnert, daß im Coetus 21 des Consiliums das Pontifikale romanum von 1595 im gleichen Sinne „das Pontifikale der tridentinischen Reform“ genannt wurde, was auch den Tatsachen entspricht.

1970 wurde das neue Ritual der Weihe der hl. Oele erlassen: « Ordo benedicendi oleum catechumenorum et infirmorum et conficiendi chrisma », Rom, 3/12/1970.
Diese Form der Oelweihe kennen wir seit 1971 in der Chrisam-Messe.

[i] Quelle für die Gebete der neuen Oelweihe: Die neue Oelweihe legt Wert darauf, daß alle zuhören können. Sie wird deshalb laut auf Deutsch per Lautsprecher durchgeführt und jeder kann leicht die hier angeführten Gebete mitschreiben