Konzilsväter diskutierten über „eine ökumenische Messe“
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Als am 5. November die Konzilsdebatte erneut begann, sprach sich einer der 24 Redner, die das Wort ergriffen, Msgr. Duschak, Titularbischof von Abbida und Apostolischer Vikar von Calapan auf den Philippinen, aber von Geburt Deutscher, dafür aus, eine ‚ökumenische Messe’ einzuführen, die nach dem Letzten Abendmahl gestaltet sein sollte.
„Christus hat die erste Messe vor den Aposteln gefeiert – zum Volk gewandt, gemäß dem damals vorherrschenden Brauch für Gastmähler. Christus hat mit lauter Stimme gesprochen, so dass alle sozusagen den Kanon dieser ersten Messe hörten. Christus hat sich der gesprochenen Sprache bedient, damit alle ihn und seine Worte ohne Schwierigkeiten verstünden. In den Worten ‚Tut dies’ scheint ihrer vollständigen Bedeutung nach das Gebot enthalten zu sein, die Messe als ein Mahl im Angesicht oder zumindest mit lauter Stimme und in einer Sprache zu feiern, die alle Mahlteilnehmer verstehen.“
Msgr. Duschak lud daher ein,
„daran mitzuarbeiten, mit der Hilfe der Experten aller Riten und der Kirchen, die den eucharistischen Glauben bewahren, eine Messe zu gestalten, die man im eigentlichen Sinn ‚ökumenisch’ bzw. ‚Messe der Welt’ nennen könnte, und damit die so sehr ersehnte Einheit herzustellen, zumindest im eucharistischen Gedächtnis des Herrn. Das Volk Gottes würde sich dann der vollen und innigen Gemeinschaft erfreuen, wie es die Apostel beim Letzten Abendmahl getan haben.“
Am Nachmittag erläuterte Msgr. Duschak seine Intervention den Journalisten: Seine Absicht sei „die Einführung einer ökumenischen Messe, die, soweit nur möglich, von historischen Anwüchsen befreit, auf das Wesen des heiligen Opfers gegründet und tief verwurzelt in der Heiligen Schrift ist“.
Der Bischof ging soweit, die traditionellen Worte des Kanon zu verändern: „Wenn die Menschen in vergangenen Jahrhunderten fähig waren, Meßriten auszuwählen und zu schaffen, warum sollte dann das größte von allen Konzilien nicht fähig sein, dasselbe zu tun? Warum sollte man nicht anordnen können, daß mit allem schuldigen Respekt ein neues Messformular verfaßt wird, das dem modernen Menschen ansteht und von ihm gewünscht wird, das verstanden wird von einem, der in einer täglich kleiner und uniformer werdenden Welt lebt?“ Die ganze Messe, so beharrte Msgr. Duschak, solle mit lauter Stimme in der Volkssprache und dem Volk zugewandt gefeiert werden. Diese Vorschläge erschienen damals radikal, doch sollten sie schon vor dem Abschluss des Konzils in die Praxis umgesetzt werden.
Die Entgegnungen blieben jedoch nicht aus. Auf die Äußerung von Kard. Döpfner, man müsse die Volkssprache auch deshalb einführen, weil die Priesteramtskandidaten aufgrund ihrer Ausbildung an den öffentlichen Schulen Latein nicht mehr beherrschten, erwiderte beispielsweise Msgr. Carli, dass eben jene Kandidaten auch die christliche Philosophie und die Theologie nicht beherrschten und niemand daran dächte, sie zu weihen, bevor sie ihre Studien in diesen Stoffgebieten beendet hätten.
Der im Gange befindliche Konflikt entpuppte sich als einer zwischen der römischen Kurie und einigen Bischofskonferenzen, vornehmlich der französischen und der deutschen, die von einigen Bischöfen aus den Ländern der Dritten Welt Unterstützung erhielten, wie beispielsweise von Msgr. D’Souza, der bei seinen Interventionen am 27. Oktober und am 7. November 1962 forderte, den Bischofskonferenzen nicht nur das Recht zu erteilen, die Sprache für den Vollzug des Ritus zu wählen, sondern auch, „die Liturgie der Sakramente anzupassen“, und von Msgr. Bekkers, der die Auffassung vertrat, dass allein „der grundlegende sakramentale Kern aller Sakramente“ „universal“ sein sollte, „doch für eine entfaltetere und umfänglichere Feier dieses sakramentalen Kernes eine möglichst große Freiheit gewährt werden sollte, über deren Grenzen nur die Bischofskonferenz der betreffenden Völker in sachkundiger Form urteilen könne, sofern die Beschlüsse vom Heiligen Stuhl approbiert würden“.
Das Latein wurde von der antirömischen Partei als das Instrument angesehen, dessen sich die Kurie bediente, um ihre Macht auszuüben. Solange das Latein die einzige Sprache der Kirche blieb, besäße Rom die Kompetenz, die Riten zu kontrollieren und zu überprüfen. Doch wenn Hunderte von Sprachen und lokalen Bräuchen in die Liturgie eingeführt würden, so verlöre die Kurie automatisch ihre Vorrechte und die Bischofskonferenzen würden die Richtlinienkompetenz auf diesem Gebiet erhalten. „Und gerade das war es, worauf die sich herausbildende Mehrheit bestand. Sie wollte“, so unterstreicht Wiltgen, „daß die Bischofskonferenzen zu gewissen wichtigen Entscheidungen bezüglich liturgischer Praktiken ermächtigt würden.“
Die progressistische Allianz erhielt in der Aula Unterstützung durch eine lebhafte Gruppe von Bischöfen aus Lateinamerika, an deren Spitze Kard. Silva Henríquez, Erzbischof von Santiago de Chile, stand. Diese Väter zeigten sich, wie Wiltgen anmerkt, erkenntlich für die kräftige finanzielle Unterstützung, die sie im Verlauf der letzten Jahre vom Kölner Kardinal Frings über die Organisationen ‚Misereor’ und ‚Adveniat’ erhalten hatten. „Viele von denen, die die Gelegenheit des Konzils benützten, um Kardinal Frings einen Besuch zu machen und sich bei ihm persönlich zu bedanken, fanden sich als Mitglieder der Allianz wieder.“