Kommt die angestrebte Errichtung einer Personalprälatur für die Priesterbruderschaft St. Pius X. auf der Grundlage fauler Kompromisse zustande?
Mein Haupteinwand gegen eine Personalprälatur sei hier nur am Rande erwähnt. Er besteht darin, dass die Piusbruderschaft allein mit dem Faktum der Unterstellung unter das moderne Rom es akzeptiert, dass Wahrheit und Irrtum im Glauben und in der Liturgie auf eine Stufe gestellt werden, was unvereinbar mit der Wahrheitsposition ist, denn diese Akzeptanz stellt eine Verunehrung der katholischen Wahrheit dar.
In langen Gesprächen haben das moderne Rom und die Piusbruderschaft in der Vergangenheit ihre „Schmerzgrenzen“ ausgetestet. Die ursprüngliche Position des modernen Roms lautete:
1) Die Piusbruderschaft muss die Neue Messe uneingeschränkt anerkennen
2) Die Piusbruderschaft muss die Konzilsbeschlüsse uneingeschränkt anerkennen.
Mit beiden Positionen hat sich die Bruderschaft nicht einverstanden erklärt, sondern erkannte in Bezug auf den NOM zwar dessen Gültigkeit an, lehnte es aber ab, ihn als einen würdigen Ritus der Kirche zu akzeptieren. In Bezug auf das Konzil lehnte die Bruderschaft alle Äußerungen des Konzils ab, die der traditionellen Lehre widersprechen.
Damit waren unvereinbare Positionen formuliert, die eine Vereinbarung über eine Integration der Bruderschaft in das moderne Rom ausschlossen.
Da aber die Bruderschaft eine kanonische Anerkennung anstrebte und das moderne Rom daran interessiert war, sie in seine Gewalt zu bekommen, ging es los mit der Austestung der Schmerzgrenzen, was im Prinzip zu folgenden Kompromissen führte:
Zu 1: Die Bruderschaft verzichtet darauf, die Neue Messe als mit dem katholischen Glauben unvereinbar zu behaupten, sondern stellt ihre Vorbehalte gegen sie nur noch als Ausdruck subjektiver Befindlichkeit dar, was sie z. B. in folgenden Formulierungen zum Ausdruck bringt: Wir sind der Überzeugung, dass die Neue Messe kein würdiger Ritus der Kirche ist, bzw. Wir können mit unserem Gewissen eine Zelebration derselben nicht vereinbaren.
Damit rückt sie von der Position von Erzbischof Lefebvre ab, denn dieser nannte die Neue Messe "Satans Meisterstück". Unter dem Titel „Die Luthermesse“ veröffentlichte die Piusbruderschaft im Jahre 1975 zwei Predigten des Erzbischofs, wobei die erste unter dem Titel steht „Von der Luthermesse zur neuen Messordnung.“ In dieser stellt er: „… eine befremdende Übereinstimmung der gegenwärtigen Messordnung mit der Reform Luthers“ fest und kommt zu dem Ergebnis:
„Es ist für die Katholiken psychologisch, pastoral und theologisch unmöglich, eine Liturgie, die für sie wahrhaft Ausdruck und Stütze ihres Glaubens bedeutet, zu verlassen, um neue, von Irrlehren ausgedachte Riten zu übernehmen, ohne dadurch ihren Glauben in allergrößte Gefahr zu bringen. Man kann nicht auf unbestimmte Zeit die Protestanten nachahmen, ohne nicht am Ende selber protestantisch zu werden.“[1]
Wie gesagt, ist die Piusbruderschaft in den letzten Jahren von dieser Position abgerückt. Sie sagt schon seit langer Zeit nicht mehr „Es ist für die Katholiken […] unmöglich, eine Liturgie, die für sie wahrhaft Ausdruck und Stütze ihres Glaubens bedeutet, zu verlassen, um neue, von Irrlehren ausgedachte Riten zu übernehmen, ohne dadurch ihren Glauben in allergrößte Gefahr zu bringen“, sondern sie sagt nur noch: Wir sind der Überzeugung, …, Wir können es mit unserem Gewissen nicht …, wodurch sie den Kampf gegen die Neue Messe auf der objektiven Ebene aufgegeben hat, und gegen sie nur noch mit ihren als subjektiv deklarierten Ansichten operiert.
Das moderne Rom kann dazu sagen: Nun gut, da ihr nicht mehr, wie früher, den Anspruch erhebt, dass die Neue Messe in sich schlecht ist, sondern euren Einwand als subjektive Befindlichkeit herabstuft, können wir das anerkennen, weil wir auf eure subjektive Befindlichkeit Rücksicht nehmen wollen; ihr seid eben Nostalgiker, denen wir diese Barmherzigkeit erweisen.
Zu 2: Für das moderne Rom war es ausschlaggebend, dass die Bruderschaft die wichtigsten und höchstrangigen Dokumente des Konzils anerkennt und das sind die sogenannten dogmatischen Konstitutionen, insbesondere die Kirchenkonstitution Lumen gentium, die die Grundlage für den pastoralkonziliaren Ökumenismus und die Religionsfreiheit des Konzils bildet. (Nebenbei: „dogmatische Konstitution“ heißt nur „lehrmäßige Konstitution“ und bedeutet nicht „Dogma“)
Wenn ihr, im Gegensatz zu euren früheren Vorbehalten gegen Lumen gentium, z. B. gegen die Kollegialität, die ihr in unseren theologischen Gesprächen vorgebracht habt, nun alle dogmatischen Konstitutionen des Konzils anerkennt, so das moderne Rom, dann gestatten wir euch, Vorbehalte anzumelden bezüglich des Ökumenismus und der Religionsfreiheit. Denn diese Vorbehalte sind dann nur pastoraler Art (wie Erzbischof Pozzo bemerkte). Denn ihr habt ja die Grundlagen des Ökumenismus und der Religionsfreiheit mit der Anerkennung von Lumen gentium einschlussweise anerkannt. Zu diesen Grundlagen gehört insbesondere die Abkehr von dem durch alle christlichen Jahrhunderte bis zum Konzil erhobenen Absolutheitsanspruch der Kirche, den das Konzil mit der subsistit-in-Lehre aufgegeben hat, was für uns, als vom Konzil geprägten Rom, von ausschlaggebender Bedeutung ist.
Beide Parteien sind davon überzeugt, dass sie ihre Positionen in der Substanz aufrechterhalten haben:
Die Führung der Piusbruderschaft wird ihren Anhängern sagen: Wir haben weder die Neue Messe uneingeschränkt anerkannt noch das Konzil. Dabei wird sie aber verschweigen, dass sie ihren Kampf gegen die Neue Messe dadurch aufgegeben hat, dass sie die Vorbehalte gegen sie als Ausdruck subjektiver Befindlichkeiten hinstellt, und sie wird auch verschweigen, dass sie die Grundlagen des pastoralkonziliaren Ökumenismus und der Religionsfreiheit anerkennt, und zwar durch ihre Anerkennung von Lumen gentium.
Das moderne Rom kann sagen: Die Piusbruderschaft hat bezüglich der Neuen Messe ihre ursprüngliche Position aufgegeben, mit der sie behauptet hatte, dass diese in sich schlecht ist. Sie behauptet nur noch, dass sie nach ihrer subjektiven Überzeugung für sie nicht akzeptabel ist. Darin sehen wir den Ausdruck ihrer nostalgischen Mentalität, auf die wir großzügig Rücksicht nehmen.
Bezüglich des Konzils haben wir die Hauptsache durchgesetzt, nämlich die Anerkennung der dogmatischen Konstitutionen durch die Bruderschaft. Ihre Vorbehalte gegen den Ökumenismus und die Religionsfreiheit spielen nur auf der nachgeordneten, pastoralen Ebene eine Rolle, weshalb wir sie akzeptieren können.
Der große Verlierer in dieser Sache wird die Priesterbruderschaft St. Pius X. sein, denn sie akzeptiert mit der Unterstellung unter das moderne Rom eine Koexistenz von Wahrheit und Irrtum im Glauben und in der Liturgie, was unvereinbar mit der Wahrheitsposition ist, denn diese Akzeptanz stellt eine Verunehrung der katholischen Wahrheit dar.
Darüber hinaus entwertet die Priesterbruderschaft St. Pius X. ihre Einwände gegen die mit der traditionellen Lehre der Kirche nicht zu vereinbarenden Lehren des modernen Roms, indem sie diese Einwände bloß als Ausdruck ihrer Ansichten präsentiert, nach dem Motto: Wir sehen das so …
Die Priesterbruderschaft St. Pius X. behauptet zwar, dass der Kampf für den Glauben und die Liturgie auch nach der Unterstellung unter das moderne Rom weiter geht. Aber fortan wird er nicht mehr in Anklagen gegen die pastoralkonziliaren Irrtümer Roms bestehen, sondern dieser Kampf wird sich auf die Abwehr von Übergriffen aus dem offiziellen kirchlichen Raum auf ihr Inseldaseins inmitten des römischen Modernismus konzentrieren.
Nicht mehr der Kampf gegen die Unvereinbarkeiten der Lehren des modernen Roms mit der überlieferten Lehre der Kirche wird im Mittelpunkt stehen, sondern der Kampf wird sich darauf verlagern, nicht selbst modernistische Praktiken übernehmen zu müssen.
Was den zu erwartenden Erfolg dieses Kampfes betrifft, sollte man nicht vergessen, dass das moderne Rom am längeren Hebel sitzt, was andere konservative Gruppierungen schon schmerzlich erfahren mussten.
[1] Priesterbruderschaft St. Pius X., Stuttgart 1975, S. 9f.
In langen Gesprächen haben das moderne Rom und die Piusbruderschaft in der Vergangenheit ihre „Schmerzgrenzen“ ausgetestet. Die ursprüngliche Position des modernen Roms lautete:
1) Die Piusbruderschaft muss die Neue Messe uneingeschränkt anerkennen
2) Die Piusbruderschaft muss die Konzilsbeschlüsse uneingeschränkt anerkennen.
Mit beiden Positionen hat sich die Bruderschaft nicht einverstanden erklärt, sondern erkannte in Bezug auf den NOM zwar dessen Gültigkeit an, lehnte es aber ab, ihn als einen würdigen Ritus der Kirche zu akzeptieren. In Bezug auf das Konzil lehnte die Bruderschaft alle Äußerungen des Konzils ab, die der traditionellen Lehre widersprechen.
Damit waren unvereinbare Positionen formuliert, die eine Vereinbarung über eine Integration der Bruderschaft in das moderne Rom ausschlossen.
Da aber die Bruderschaft eine kanonische Anerkennung anstrebte und das moderne Rom daran interessiert war, sie in seine Gewalt zu bekommen, ging es los mit der Austestung der Schmerzgrenzen, was im Prinzip zu folgenden Kompromissen führte:
Zu 1: Die Bruderschaft verzichtet darauf, die Neue Messe als mit dem katholischen Glauben unvereinbar zu behaupten, sondern stellt ihre Vorbehalte gegen sie nur noch als Ausdruck subjektiver Befindlichkeit dar, was sie z. B. in folgenden Formulierungen zum Ausdruck bringt: Wir sind der Überzeugung, dass die Neue Messe kein würdiger Ritus der Kirche ist, bzw. Wir können mit unserem Gewissen eine Zelebration derselben nicht vereinbaren.
Damit rückt sie von der Position von Erzbischof Lefebvre ab, denn dieser nannte die Neue Messe "Satans Meisterstück". Unter dem Titel „Die Luthermesse“ veröffentlichte die Piusbruderschaft im Jahre 1975 zwei Predigten des Erzbischofs, wobei die erste unter dem Titel steht „Von der Luthermesse zur neuen Messordnung.“ In dieser stellt er: „… eine befremdende Übereinstimmung der gegenwärtigen Messordnung mit der Reform Luthers“ fest und kommt zu dem Ergebnis:
„Es ist für die Katholiken psychologisch, pastoral und theologisch unmöglich, eine Liturgie, die für sie wahrhaft Ausdruck und Stütze ihres Glaubens bedeutet, zu verlassen, um neue, von Irrlehren ausgedachte Riten zu übernehmen, ohne dadurch ihren Glauben in allergrößte Gefahr zu bringen. Man kann nicht auf unbestimmte Zeit die Protestanten nachahmen, ohne nicht am Ende selber protestantisch zu werden.“[1]
Wie gesagt, ist die Piusbruderschaft in den letzten Jahren von dieser Position abgerückt. Sie sagt schon seit langer Zeit nicht mehr „Es ist für die Katholiken […] unmöglich, eine Liturgie, die für sie wahrhaft Ausdruck und Stütze ihres Glaubens bedeutet, zu verlassen, um neue, von Irrlehren ausgedachte Riten zu übernehmen, ohne dadurch ihren Glauben in allergrößte Gefahr zu bringen“, sondern sie sagt nur noch: Wir sind der Überzeugung, …, Wir können es mit unserem Gewissen nicht …, wodurch sie den Kampf gegen die Neue Messe auf der objektiven Ebene aufgegeben hat, und gegen sie nur noch mit ihren als subjektiv deklarierten Ansichten operiert.
Das moderne Rom kann dazu sagen: Nun gut, da ihr nicht mehr, wie früher, den Anspruch erhebt, dass die Neue Messe in sich schlecht ist, sondern euren Einwand als subjektive Befindlichkeit herabstuft, können wir das anerkennen, weil wir auf eure subjektive Befindlichkeit Rücksicht nehmen wollen; ihr seid eben Nostalgiker, denen wir diese Barmherzigkeit erweisen.
Zu 2: Für das moderne Rom war es ausschlaggebend, dass die Bruderschaft die wichtigsten und höchstrangigen Dokumente des Konzils anerkennt und das sind die sogenannten dogmatischen Konstitutionen, insbesondere die Kirchenkonstitution Lumen gentium, die die Grundlage für den pastoralkonziliaren Ökumenismus und die Religionsfreiheit des Konzils bildet. (Nebenbei: „dogmatische Konstitution“ heißt nur „lehrmäßige Konstitution“ und bedeutet nicht „Dogma“)
Wenn ihr, im Gegensatz zu euren früheren Vorbehalten gegen Lumen gentium, z. B. gegen die Kollegialität, die ihr in unseren theologischen Gesprächen vorgebracht habt, nun alle dogmatischen Konstitutionen des Konzils anerkennt, so das moderne Rom, dann gestatten wir euch, Vorbehalte anzumelden bezüglich des Ökumenismus und der Religionsfreiheit. Denn diese Vorbehalte sind dann nur pastoraler Art (wie Erzbischof Pozzo bemerkte). Denn ihr habt ja die Grundlagen des Ökumenismus und der Religionsfreiheit mit der Anerkennung von Lumen gentium einschlussweise anerkannt. Zu diesen Grundlagen gehört insbesondere die Abkehr von dem durch alle christlichen Jahrhunderte bis zum Konzil erhobenen Absolutheitsanspruch der Kirche, den das Konzil mit der subsistit-in-Lehre aufgegeben hat, was für uns, als vom Konzil geprägten Rom, von ausschlaggebender Bedeutung ist.
Beide Parteien sind davon überzeugt, dass sie ihre Positionen in der Substanz aufrechterhalten haben:
Die Führung der Piusbruderschaft wird ihren Anhängern sagen: Wir haben weder die Neue Messe uneingeschränkt anerkannt noch das Konzil. Dabei wird sie aber verschweigen, dass sie ihren Kampf gegen die Neue Messe dadurch aufgegeben hat, dass sie die Vorbehalte gegen sie als Ausdruck subjektiver Befindlichkeiten hinstellt, und sie wird auch verschweigen, dass sie die Grundlagen des pastoralkonziliaren Ökumenismus und der Religionsfreiheit anerkennt, und zwar durch ihre Anerkennung von Lumen gentium.
Das moderne Rom kann sagen: Die Piusbruderschaft hat bezüglich der Neuen Messe ihre ursprüngliche Position aufgegeben, mit der sie behauptet hatte, dass diese in sich schlecht ist. Sie behauptet nur noch, dass sie nach ihrer subjektiven Überzeugung für sie nicht akzeptabel ist. Darin sehen wir den Ausdruck ihrer nostalgischen Mentalität, auf die wir großzügig Rücksicht nehmen.
Bezüglich des Konzils haben wir die Hauptsache durchgesetzt, nämlich die Anerkennung der dogmatischen Konstitutionen durch die Bruderschaft. Ihre Vorbehalte gegen den Ökumenismus und die Religionsfreiheit spielen nur auf der nachgeordneten, pastoralen Ebene eine Rolle, weshalb wir sie akzeptieren können.
Der große Verlierer in dieser Sache wird die Priesterbruderschaft St. Pius X. sein, denn sie akzeptiert mit der Unterstellung unter das moderne Rom eine Koexistenz von Wahrheit und Irrtum im Glauben und in der Liturgie, was unvereinbar mit der Wahrheitsposition ist, denn diese Akzeptanz stellt eine Verunehrung der katholischen Wahrheit dar.
Darüber hinaus entwertet die Priesterbruderschaft St. Pius X. ihre Einwände gegen die mit der traditionellen Lehre der Kirche nicht zu vereinbarenden Lehren des modernen Roms, indem sie diese Einwände bloß als Ausdruck ihrer Ansichten präsentiert, nach dem Motto: Wir sehen das so …
Die Priesterbruderschaft St. Pius X. behauptet zwar, dass der Kampf für den Glauben und die Liturgie auch nach der Unterstellung unter das moderne Rom weiter geht. Aber fortan wird er nicht mehr in Anklagen gegen die pastoralkonziliaren Irrtümer Roms bestehen, sondern dieser Kampf wird sich auf die Abwehr von Übergriffen aus dem offiziellen kirchlichen Raum auf ihr Inseldaseins inmitten des römischen Modernismus konzentrieren.
Nicht mehr der Kampf gegen die Unvereinbarkeiten der Lehren des modernen Roms mit der überlieferten Lehre der Kirche wird im Mittelpunkt stehen, sondern der Kampf wird sich darauf verlagern, nicht selbst modernistische Praktiken übernehmen zu müssen.
Was den zu erwartenden Erfolg dieses Kampfes betrifft, sollte man nicht vergessen, dass das moderne Rom am längeren Hebel sitzt, was andere konservative Gruppierungen schon schmerzlich erfahren mussten.
[1] Priesterbruderschaft St. Pius X., Stuttgart 1975, S. 9f.