Die Große Koalition und katholisches Milieu?
Die Große Koalition steht, „aber am Grunde der Moldau wandern die Steine“
Das SPD-Volk willigt ein,
die CDU-Funktionäre finden sich drein
und unterm Strich kann die Lösung sogar gut werden.
Während die Leit-Medien in der großen Koalition das Alte sehen und den Erbfall Angela Merkel geregelt wissen möchten, geraten die grundlegenden Veränderungen leicht aus dem Blick. Mit Andrea Nahles, Horst Seehofer und Annegret Kramp-Karrenbauer rücken Personen des katholischen Milieus in Schlüsselposition vor, während gleichzeitig der Anteil ostdeutsch-protestantischer Personen substanziell reduziert wird. Das ist eine beachtliche Veränderung. Endlich das Ende der Nach-Wiedervereinigungs-Ära und ihres deutsch-protestantisch-grünen Erweckungsfrühlings?
Eine Rückkehr des politischen Katholizismus wäre vor dem Hintergrund des politischen Aufstands in Gestalt der AfD ein geradezu paradoxes Ergebnis. Die AfD ist wesentlich Aufstand des protestantischen Bürgertums gegen die Regierung Merkel, deren Euro-Politik und Masseneinwanderung und gegen deren Missachtung des bürgerlichen Essentials, wonach das Eigentum, also das Haus und die Frau des Bürgers, für den Fürsten unantastbar zu sein haben. Nun ist der Aufstand vorbei. Die Parolen verhallen und die Geschäftigkeit des Alltags kehrt zurück in der Gestalt einer weiteren Partei im Bundestag. Es kreißte der Berg und heraus traten die Deutschnational(inn)en in neuem Gewande?
Die weitere Rolle und Entwicklung der AfD ist noch unklar, denn Oppositionspartei ist sie nur bedingt, eher die zugespitzte Befindlichkeit einer unerklärten Regierungspolitik im Wartezimmer. Und doch hat der politische Aufstand etwas bewirkt. Auf stillem Wege rücken Personen des katholischen Milieus in politische Schlüsselpositionen ein. Schon bald könnte wieder von der katholischen Soziallehre die Rede sein, so als ob in den letzten fünfundzwanzig Jahren nie anders gesprochen worden wäre. Das Grundmuster der Veränderung spiegelt sich sogar bei den Linken. Sahra Wagenknechts Idee einer linken Volksbewegung passt in den Stimmungswandel und ist auch dort mit ähnlichen politischen Gegenkräften konfrontiert. Immerhin verheiratet ist sie mit einem saarländischen Milieu-Katholiken. Jens Spahn wiederum stammt aus dem katholischen Milieu und ist doch eher ein Gegenargument. Während Christian Lindner von der „Welt“ aus angeschoben wird, kann sich Jens Spahn der Unterstützung der FAZ sicher sein. Als konservativen Merkelkritiker haben die Frankfurter Spahn in Stellung gebracht. Und Laschet hat darauf zu Recht geantwortet, dass das Christliche der Markenkern der CDU sei, nicht das Konservative. Das klingt angesichts der faktischen Lage lächerlich, ist aber als perspektivische Aussage und als Kampfansage zu verstehen. Spahn entspricht jenem bekannten Typ des Katholiken, der seine Andersartigkeit durch Überanpassung kompensiert. Als Schwuler und Bilderberger passt er ins FAZ-Schema, wäre aber für die Christdemokratie langfristig dieselbe Gefahr wie Merkel, die auch vom Christlichen und Sozialen wenig nur wusste. Spahn als nächste Merkel 2.0? Spahn und die AfD könnten die CDU in eine Debatte über ihre Christlichkeit als Markenkern zwingen. Das allein wäre schon was Gutes.
Helmut Kohl war 1989 auf dem Bremer-Parteitag politisch am Ende, wäre da nicht die Mauer in den Parteitag hineingefallen. Angela Merkel bekommt mit der großen Koalition noch einmal Zeit, auf stillem und wirksamem Wege die notwendigen Veränderungen anzugehen: die Festigung Deutschlands in der Mitte Europas, Investitionen in die Verbesserung der wirtschaftlichen Infrastruktur und eine Neuausrichtung des Schul- und Bildungswesens. Im Grunde geht es um ähnliche Maßnahmen, wie sie einst Preußen nach der Niederlage gegen Napoleon aktivierte. Auch die katholische Kirche in Deutschland wird von dem Wandel erfasst werden. Es wird stiller werden um den Wettlauf mit der Ökumene, der besseren Reformation und der freudigen Selbstabschaffung. Neue Wege werden beschritten, so als sei es nie anders gewesen. Mal abwarten, wer sich da in den Vordergrund schiebt. Nach einer alten Adenauer-Regel könnte schlechtes Gewissen eine wirksame Triebkraft sein, und dann hätten wir ja gleich mehrere Kandidaten ...
Das Geheimnis deutscher Politik der letzten 200 Jahren besteht darin, unabhängig vom politischen Herrscher und allen Katastrophen zum Trotz das jeweils Nächste und Notwendige pragmatisch, still und leise anzugehen. Die inhaltliche Unbestimmtheit der Angela Merkel ist nun ein großes Plus.
Am Grunde der Moldau wandern die Steine
Es liegen drei Kaiser begraben in Prag.
Das Große bleibt groß nicht und klein nicht das Kleine.
Die Nacht hat zwölf Stunden, dann kommt schon der Tag.
Es wechseln die Zeiten. Die riesigen Pläne
Der Mächtigen kommen am Ende zum Halt.
Und gehn sie einher auch wie blutige Hähne
Es wechseln die Zeiten, da hilft kein Gewalt.
Am Grunde der Moldau wandern die Steine
Es liegen drei Kaiser begraben in Prag.
Das Große bleibt groß nicht und klein nicht das Kleine.
Die Nacht hat zwölf Stunden, dann kommt schon der Tag.
B. Brecht 1944
Das SPD-Volk willigt ein,
die CDU-Funktionäre finden sich drein
und unterm Strich kann die Lösung sogar gut werden.
Während die Leit-Medien in der großen Koalition das Alte sehen und den Erbfall Angela Merkel geregelt wissen möchten, geraten die grundlegenden Veränderungen leicht aus dem Blick. Mit Andrea Nahles, Horst Seehofer und Annegret Kramp-Karrenbauer rücken Personen des katholischen Milieus in Schlüsselposition vor, während gleichzeitig der Anteil ostdeutsch-protestantischer Personen substanziell reduziert wird. Das ist eine beachtliche Veränderung. Endlich das Ende der Nach-Wiedervereinigungs-Ära und ihres deutsch-protestantisch-grünen Erweckungsfrühlings?
Eine Rückkehr des politischen Katholizismus wäre vor dem Hintergrund des politischen Aufstands in Gestalt der AfD ein geradezu paradoxes Ergebnis. Die AfD ist wesentlich Aufstand des protestantischen Bürgertums gegen die Regierung Merkel, deren Euro-Politik und Masseneinwanderung und gegen deren Missachtung des bürgerlichen Essentials, wonach das Eigentum, also das Haus und die Frau des Bürgers, für den Fürsten unantastbar zu sein haben. Nun ist der Aufstand vorbei. Die Parolen verhallen und die Geschäftigkeit des Alltags kehrt zurück in der Gestalt einer weiteren Partei im Bundestag. Es kreißte der Berg und heraus traten die Deutschnational(inn)en in neuem Gewande?
Die weitere Rolle und Entwicklung der AfD ist noch unklar, denn Oppositionspartei ist sie nur bedingt, eher die zugespitzte Befindlichkeit einer unerklärten Regierungspolitik im Wartezimmer. Und doch hat der politische Aufstand etwas bewirkt. Auf stillem Wege rücken Personen des katholischen Milieus in politische Schlüsselpositionen ein. Schon bald könnte wieder von der katholischen Soziallehre die Rede sein, so als ob in den letzten fünfundzwanzig Jahren nie anders gesprochen worden wäre. Das Grundmuster der Veränderung spiegelt sich sogar bei den Linken. Sahra Wagenknechts Idee einer linken Volksbewegung passt in den Stimmungswandel und ist auch dort mit ähnlichen politischen Gegenkräften konfrontiert. Immerhin verheiratet ist sie mit einem saarländischen Milieu-Katholiken. Jens Spahn wiederum stammt aus dem katholischen Milieu und ist doch eher ein Gegenargument. Während Christian Lindner von der „Welt“ aus angeschoben wird, kann sich Jens Spahn der Unterstützung der FAZ sicher sein. Als konservativen Merkelkritiker haben die Frankfurter Spahn in Stellung gebracht. Und Laschet hat darauf zu Recht geantwortet, dass das Christliche der Markenkern der CDU sei, nicht das Konservative. Das klingt angesichts der faktischen Lage lächerlich, ist aber als perspektivische Aussage und als Kampfansage zu verstehen. Spahn entspricht jenem bekannten Typ des Katholiken, der seine Andersartigkeit durch Überanpassung kompensiert. Als Schwuler und Bilderberger passt er ins FAZ-Schema, wäre aber für die Christdemokratie langfristig dieselbe Gefahr wie Merkel, die auch vom Christlichen und Sozialen wenig nur wusste. Spahn als nächste Merkel 2.0? Spahn und die AfD könnten die CDU in eine Debatte über ihre Christlichkeit als Markenkern zwingen. Das allein wäre schon was Gutes.
Helmut Kohl war 1989 auf dem Bremer-Parteitag politisch am Ende, wäre da nicht die Mauer in den Parteitag hineingefallen. Angela Merkel bekommt mit der großen Koalition noch einmal Zeit, auf stillem und wirksamem Wege die notwendigen Veränderungen anzugehen: die Festigung Deutschlands in der Mitte Europas, Investitionen in die Verbesserung der wirtschaftlichen Infrastruktur und eine Neuausrichtung des Schul- und Bildungswesens. Im Grunde geht es um ähnliche Maßnahmen, wie sie einst Preußen nach der Niederlage gegen Napoleon aktivierte. Auch die katholische Kirche in Deutschland wird von dem Wandel erfasst werden. Es wird stiller werden um den Wettlauf mit der Ökumene, der besseren Reformation und der freudigen Selbstabschaffung. Neue Wege werden beschritten, so als sei es nie anders gewesen. Mal abwarten, wer sich da in den Vordergrund schiebt. Nach einer alten Adenauer-Regel könnte schlechtes Gewissen eine wirksame Triebkraft sein, und dann hätten wir ja gleich mehrere Kandidaten ...
Das Geheimnis deutscher Politik der letzten 200 Jahren besteht darin, unabhängig vom politischen Herrscher und allen Katastrophen zum Trotz das jeweils Nächste und Notwendige pragmatisch, still und leise anzugehen. Die inhaltliche Unbestimmtheit der Angela Merkel ist nun ein großes Plus.
Am Grunde der Moldau wandern die Steine
Es liegen drei Kaiser begraben in Prag.
Das Große bleibt groß nicht und klein nicht das Kleine.
Die Nacht hat zwölf Stunden, dann kommt schon der Tag.
Es wechseln die Zeiten. Die riesigen Pläne
Der Mächtigen kommen am Ende zum Halt.
Und gehn sie einher auch wie blutige Hähne
Es wechseln die Zeiten, da hilft kein Gewalt.
Am Grunde der Moldau wandern die Steine
Es liegen drei Kaiser begraben in Prag.
Das Große bleibt groß nicht und klein nicht das Kleine.
Die Nacht hat zwölf Stunden, dann kommt schon der Tag.
B. Brecht 1944