Papst gegen positivistische Sicht auf Kirchenrecht
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Durch eine positivistische Interpretation verliere das Kirchenrecht jeden Kontakt zur kirchlichen Wirklichkeit, so Benedikt XVI. Bei einer Verabsolutierung des Einzelfalls bestehe hingegen die Gefahr, sich in letztlich willkürlichen seelsorglichen und theologischen Erwägungen zu verlieren. Die in der Regel 20 Richter der römischen Rota treffen jedes Jahr zu Beginn des Gerichtsjahrs mit dem Papst zusammen.
Bisweilen werde das Kirchenrecht einfach mit der Summe der kanonischen Vorschriften gleichgesetzt, sagte der Papst weiter. Das Kirchenrecht sei jedoch mehr als eine bloße Äußerlichkeit der Kirche. Auch für seine Anwendung müsse der Grundsatz des «Mitfühlens mit der Kirche» (sentire cum ecclesia) gelten. Ebenso fragwürdig wie eine positivistische Herangehensweise sei eine «juristische Kreativität», die den Einzelfall zum Maßstab der Gesetzesauslegung mache, hob Benedikt XVI. hervor. Dies geschehe zwar oft aus dem berechtigten Anliegen heraus, den eigentlichen theologischen Grundlagen und seelsorglichen Anliegen der jeweiligen Vorschrift gerecht zu werden. Letztlich ersetzte diese Methode jedoch den Positivismus, den sie überwinden wolle, lediglich durch einen anderen, sagte das Kirchenoberhaupt. Anstelle der Gesetze werde dann die Interpretation verabsolutiert. Dieser Herangehensweise fehle der Sinn für ein objektives Recht.
Das Kirchenrecht müsse immer mit Blick auf die Gerechtigkeit in der Kirche ausgelegt werden, forderte der Papst. Es dürfe nicht auf ein rein menschliches normatives System reduziert werden, sondern müsse stets mit der Kirche verbunden sein, in der ein übergeordnetes Recht gelte.