Der Gott, der sich in Jesus für alle offenbart hat
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Herr Bischof, wenn wir nach dieser Einführung ins Alte Testament eine erste Bilanz der Geschichte Gottes mit den Menschen ziehen, dann haben wir einen Gott kennen gelernt, der zu den Menschen spricht. Zwar gibt es durchaus die menschliche Freiheit und außerdem die Naturgewalten, die unabänderlichen Gesetzen folgen. Dennoch kann dieser Gott auch direkt in die Geschichte der Welt eingreifen. Mit was für einem Gott haben wir es aber ganz konkret in der Bibel und im christlichen Glauben zu tun? Was unterscheidet ihn von den Vorstellungen anderer Religionen - etwa vom islamischen Allah?
Aus christlicher Sicht ist Gott im Alten Testament der Vater Jesu Christi, und Jesus Christus der Sohn des dreifaltigen Gottes …
... womit wir bei einem der großen Rätsel des Christentums wären - dem "dreifaltigen Gott", der sogenannten Trinität. Was können wir darunter verstehen?
Einfach ist das nicht. Dort, wo die erste Person ist, ist auch eine zweite und eine dritte Person gegenwärtig: im Wort und im Geist. Dreifaltig, das ist eine Aussage über das Wesen Gottes. Er besteht aus einem Beziehungsgeflecht von Vater, Sohn und Heiligem Geist. Sein, Liebe, Kommunikation in Gott sind auch die Voraussetzungen dafür, dass wir mit ihm in Kontakt treten können. Mit einem philosophischen Urprinzip kann ich nicht reden, da es in sich abgeschlossen ist und keine Liebe kennt!
Was ist nun aber das Besondere am Gott der Juden und der Christen?
Im Alten Testament offenbart sich Gott durch sein Wort. Er handelt, und zwar Leben schaffend und Leben erhaltend. Dies geschieht vor allem durch seinen Geist. Insofern schlummert eigentlich schon im Alten Testament die Erkenntnis, dass Gott personal ist in der Weise der Relation. Das heißt: Er ist Person, natürlich in einem ganz eigenen Sinn. Auch die Beziehung der Menschen zu Gott offenbart das göttliche Wesen. Im Alten Testament gibt es keine erklärende Wesensaussage, die Gott beschreibt. Er bleibt unerkannt und unerschlossen. Mythen zum Beispiel erzählen Göttergeschichten: über Herkules mit seinen Heldentaten oder Venus, die Liebesgöttin. Das sind sozusagen Parallelgeschichten zu den Menschen mit all ihren Fehlern und Leidenschaften. Sie haben mit dem, was wir Gott nennen, eigentlich gar nichts zu tun. In der Bibel gibt es keine solch eindimensionale Gottesgeschichte. Gott ist immer nur erkennbar, wenn er sich auf den Menschen frei bezieht. Dieser Bezug Gottes auf den Menschen hin zeigt sich dann im Höhepunkt der Selbstoffenbarung: Er wird selbst Mensch in Jesus, der Gottes Wort und Geist verkündet. Sein Wort und sein Geist gehören zu Gott. Sie unterscheiden sich aber in gewisser Weise auch von Gott, weil Jesus ja auf der Erde und unter Menschen ist.
Können wir dennoch sagen: Juden und Christen glauben an den gleichen Gott?
Ja. Für Christen und Juden spricht und handelt im Alten Testament vor allem die Person Gottes des Vaters. Aus christlicher Sicht spricht im Vater auch der Vater Jesu Christi. Deshalb kann man sagen, dass es im Alten Testament offen auf eine mögliche trinitarische Selbsterschließung Gottes hinausläuft, auf die sogenannte Dreifaltigkeit aus Gott, Jesus Christus und Heiligem Geist. Das ist aber etwas ganz anderes als der muslimische Gott. Die Dreifaltigkeit von Gott wird 600 Jahre später im Islam abgelehnt: Dass Gott einen Sohn haben soll, ist für Muslime Gotteslästerung. In mehreren Suren des Korans gibt es eine ausdrückliche Ablehnung der Trinität Gottes. Insofern ist der Gott der Christen etwas ganz anderes als Allah, der Gott der Moslems. Allerdings knüpft der Islam durchaus an den Ein-Gott-Glauben des Alten Testaments an. Er interpretiert Gott aber als in sich geschlossen, nicht in Beziehung stehend und nicht dreifaltig.
Aber kann man nicht dennoch sagen: "Wir alle glauben an Gott?"
Natürlich kann man auch auf einer philosophischen Ebene gemeinsam sagen: Es gibt nur einen Gott. Wir alle sehen in unserem Gottverständnis nur den einen Gott. Aber durch das Verständnis der christlichen Offenbarung ist es nicht der gleiche Gott.
Papst Johannes Paul II. ist ja 2001 in Damaskus in eine Moschee zum Beten gegangen. Und schon 1986 hat er in Assisi mit anderen Religionsführern gebetet. Wollte er damit nicht auch sagen: Wir haben alle denselben Gott?
Papst Johannes Paul II. hat in Assisi genau genommen nicht mit den Moslems gebetet, sondern es war ein Treffen der verschiedenen Religionen und ihrer Führer, wo jeder im Rahmen seiner Religion gebetet hat. Man kann ja in einer Familie zusammen beten, auch wenn es zwei verschiedene Religionen sind. Noch viel leichter können das zwei Richtungen einer Religion tun, die aber in bestimmten Punkten der Glaubenslehre andere Wege gehen. Wie bei den katholischen und evangelischen Christen. Dort ist nämlich die Grundaussage hundertprozentig deckungsgleich, dass der dreifaltige Gott sich in Christus offenbart hat und im Heiligen Geist gegenwärtig ist. In der Möglichkeit des ökumenischen Wortgottesdienstes können wir durch Christus und den Heiligen Geist zu Gott "Vater" sagen. Aber wir können nicht im eigentlichen Sinn mit den Moslems beten. Weil wir als Christen nur durch Christus zu Gott "Vater" sagen können. Wir können ja nicht die Selbstoffenbarung Gottes außer Acht lassen.
Gibt es irgendwo sonst auf der Welt etwas dem christlichen Gott Vergleichbares?
Nein. Diesen einen Gott, der sich selbst offenbart, den gibt es nur aus Israel. Das ist das ganz exklusive Original. Es gab in Ägypten Annäherungen. Tutanchamun etwa sagt: "Das ist mein persönlicher Gott, den sollt ihr alle anbeten." In der Philosophie der alten Griechen gibt es die Einsicht, dass eigentlich nur der eine Gott existieren kann. Aber diese Auffassung hat man zweispurig neben den Glaubensauffassungen von mehreren Göttern herlaufen lassen. Plato und Aristoteles haben trotzdem mit ihrem Vielgötter-Glauben weitergemacht. Da ging es auch um Stabilisierung von Herrschaft: Die Bedürfnisse des Volkes mussten einfach abgedeckt werden. Für die großen griechischen Denker war das eine ein philosophischer Gedanke, das andere war Religion. Es ging nicht darum, dass die religiösen Aussagen einfach wahr sein mussten. Für uns dagegen ist klar, dass Religion etwas mit der Wahrheit zu tun hat.
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