Eine Hypothese zu Traditionis Custodes. Von Antonino Caponnetto*
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Fast zeitgleich mit dem Motu Proprio wurde die Nachricht von der Ernennung von Emilce Cuda zur Leiterin des Büros der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika bekannt. Deshalb wollen wir das, was wir anfangs nur vermutet haben, ohne es auszusprechen, jetzt kundtun, und sei es nur als laut ausgesprochenen Gedanken.
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zunächst in Lateinamerika, von Gott ausgehend von dem Schrei der Armen und nimmt die Soziologie als Vermittlungsinstrument. Das ist die Methode der Befreiungstheologie".
Es gibt, in dem was sie sagt, nicht viele Subtilitäten zu entziffern. Die Soziologie tritt an die Stelle der Theologie; und eine soziale Schicht, nämlich die der “Armen", ist der Ausgangspunkt für die Gläubigen. Außerdem geht es nicht um die Ausübung einer Tugend, nämlich der Klugheit, sondern um die Anwendung einer Methode, nämlich der Klassendialektik. Das ist Soziomorphismus, das heißt, die Übertragung sozialer Phänomene auf nichtsoziale Sachverhalte in der Natur oder auf religiöse Vorstellungen, in seiner krassesten Form.
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Auf die Frage, ob Bergoglio ein Peronist sei, gibt sie die folgende Antwort: "Der Peronismus ist eine lokale, argentinische politische Praxis. Er beginnt mit dem Namen von General Perón und wird in verschiedenen Zusammenhängen immer wieder neu angepasst. Da der Papst Argentinier ist und Teil dieser kulturellen und politischen Bewegung war, sagt man, wenn er spricht: „Das ist Peronismus“. Der Papst ist Argentinier und wenn er die Politik interpretiert, benützt er das Vokabular des Peronismus [...]. Der Peronismus ist Teil der argentinischen Kultur, er ist keine politische Partei, er ist die argentinische Art, Politik zu machen. Der Papst folgt der Linie der Theologen des Volkes, wie die Priester Lucio Gera und Rafael Tello, die mit den Arbeiterorganisationen, den Elendsvierteln, den sozialen Aktivisten, den Katholiken, die sich mit der Politik und den sozialen Problemen befassten, in Kontakt standen. Insofern sie auf der Seite des Volkes stehen, ist die Partei, die sie vertritt, natürlich der Justizialismus, der so genannte Peronismus. Es geht also nicht darum, Peronist zu sein, aber jeder, der sich auf die Seite des Volkes stellt, benutzt am Ende einen peronistischen Diskurs, einen volksnahen Ansatz.
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Wir wollen die Teile dieses grobschlächtigen Puzzles zusammensetzen.
Gewiss attackiert, verfolgt und unterdrückt Bergoglio die tridentinische Messe aus all den schwerwiegenden, substanziellen und tiefgreifenden Beweggründen, die ihm die Traditionalisten zu Recht vorwerfen. Wir leugnen das nicht, sondern stimmen zu. Man kann mit Fug und Recht sagen, dass dieser Mann die Tradition so hasst, wie er die "moderne Welt" und die Revolution liebt. Es ist erlaubt, ihn zur Rede zu stellen und als Leugner der spirituellen, dogmatischen und liturgischen Quellen zu bezeichnen, aus denen sich unsere heilige Mutter immer genährt hat.
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Perón sagte das am 1. Mai 1955 bei einer Kundgebung auf der Plaza de Mayo als eine Warnung durch den Mund des Generalsekretärs der Gewerkschaft Confederación General del Trabajo (C.G.T.), Eduardo Vuletich, den er physisch an seiner Seite hatte, als dieser folgendes brüllte: "Wir, die Arbeiter, bevorzugen jenen, der zu uns in unserer Sprache spricht, den wir verstehen, und nicht jenen, der zu uns in Latein betet, das wir nicht verstehen, und der mit dem Gesicht zum Altar und mit dem Rücken zum Volk steht!". Das war sieben Jahre vor der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils. Es wäre also nicht falsch zu sagen, dass der Novus Ordo in der peronistischen Ekklesiologie eine gewerkschaftliche Eroberungsfeldzug der Arbeiter war[2].
Wenn jemand Bergoglio darauf aufmerksam machen würde, dass mit dem Novus Ordo der gregorianische Gesang, Latein, Griechisch im Kyrie, der Altar coram Deo, die kniende Mundkommunion und die Feierlichkeit des Zelebranten und der Gläubigen immer noch möglich sind, würde ihn die neue Messe in gleicher Weise irritieren. Er würde ein Motu Proprio erlassen, das "Ecclesia de Eucharistia" von Johannes Paul II. und "Sacramentum Caritatis" von Benedikt XVI. aufheben würde. Beide Päpste versuchten, jeder auf seine Art und Weise und mit ihren eigenen Grenzen, dem zur Show gewordenen Novus Ordo ein Ende zu setzen.
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Die himmlische Liturgie zu missachten", schrieb Jean Cordon, "bedeutet, die eschatologische Spannung der Kirche zu verwerfen, indem man sie in diese Welt drängt (Säkularismus) oder sich dieser Welt entzieht (Pietismus) [...]. Die himmlische Liturgie zu vernachlässigen, bedeutet zu vergessen, dass die Fülle der Zeit ständig in unsere alte Zeit eindringt, um "die letzten Zeiten” herbeizuführen, bedeutet, in die Zeit vor der Auferstehung zurückzugehen und in einen leeren Glauben zurückzufallen". Das ist Bergoglios Feind: die Liturgie, die eine Brücke zwischen dem Menschen und Gott, zwischen dem Irdischen und dem Himmlischen, zwischen der Gegenwart und der Zeit der Wiederkunft Christi sein kann und muss. Dieses liturgische Leben, so Guardini, das von der Gnade bewegt und von der Kirche geleitet wird, "bedeutet, ein lebendiges Kunstwerk zu werden, das vor Gott, dem Schöpfer, aufgeführt wird, mit keinem anderen Ziel als dem, in seiner Gegenwart zu sein und zu leben".
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Hier ein Beispiel, das nicht vergessen werden sollte. Am 20. Oktober 2018 fand in der Basilika von Luján ein gotteslästerlicher Akt statt, der vom damaligen Bischof der Diözese, Monsignore Radrizzani, geleitet wurde, unterstützt von einigen anderen Geistlichen und mit der Zustimmung, dem Gruß und der besonderen Billigung von Bergoglio. Es handelte sich um eine gewerkschaftspolitische "Messe" zur breiten Unterstützung des peronistischen Delinquenten Pablo Moyano, um seine Verhaftung und Inhaftierung zu verhindern. Am Ende dieser ernüchternden Parodie ersetzte der Bischof das "Ite missa est” bzw. dessen übliche spanische Version durch einen respektlosen gaunersprachlichen "¡Terminó. Rajen!” ("Es ist vorbei. Raus hier!). Der Vorfall löste eine große gesellschaftliche Empörung aus. Stimmen aus verschiedenen Kreisen brachten ihre Ablehnung zum Ausdruck. Jener, der wissentlich geschwiegen hat, war Bergoglio.
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Wir möchten nicht missverstanden werden. Natürlich ist Traditionis Custodes ein Angriff auf die traditionelle und immerwährende Liturgie der Kirche, und es ist klar, dass für uns die Priorität darin besteht, die Wahrheit in diesem Bereich zu verteidigen. Natürlich glauben auch wir, wie schon oft gesagt wurde, dass hinter jeder politischen Frage eine theologische Frage steht. Was wir hier sagen wollen, ist, dass Bergoglio seinen Kampf nicht aus einem theologischen, ekklesiologischen oder liturgischen Eifer herausführt. Er sieht diesen Kampf als eine weitere Phase des Klassenkampfes. Hier liegt die Tragödie, das Drama, der fatale Umstand, dass der Inhaber des Throns Petri ein Agent der Klassenrevolte ist, eine Schlüsselvariable der antichristlichen Weltrevolution.
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Bergoglio schaute mich an, ohne zu nicken oder zu widersprechen, fügte aber hinzu: "Ja, aber vergessen Sie nicht diesen ganzen politischen Elitenkram". In der ideologischen Sprache Argentiniens und von Buenos Aires heißt das: "Seht her, das sind Gorillas", das heißt, Anti-Peronisten. Das war eine Aussage, die nicht auf eine Bevorzugung der Theologie vor der Soziologie schliessen ließ.
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[1] Der Originalbericht stammt von Nicolás Iglesias Schneider und erschien in “Brecha”, Ausgabe Dezember 2019. Sie wurde jedoch am 9. Januar 2020 von “Los dioses locos” erneut veröffentlicht: dioseslocos.org/…-entre-el-peronismo-el-populismo-y-el-catolicismo/
[2] Mit der Analyse dieses Phänomens habe ich mich in meinem Buch "Von Perón bis Bergoglio" ausführlich beschäftigt. El “catolicismo excomulgable", Buenos Aires, Bellavista Ediciones, 2019.
*Der Autor ist ein am 21. September in Buenos Aires geborener Historiker.
Bilder: Lawrence Lew OP, CC-BY-NC