Fragen zum Liturgiker Dom Gueranger (1805 bis 1875)

Dom Gueranger stritt anerkennswert für die Dogmen von Mariens Unbefleckter Empfängnis (1854) und der päpstlichen Unfehlbarkeit (1870). Aber werkelte er nicht zu viel an der ihm und allen überlieferten …More
Dom Gueranger stritt anerkennswert für die Dogmen von Mariens Unbefleckter Empfängnis (1854) und der päpstlichen Unfehlbarkeit (1870). Aber werkelte er nicht zu viel an der ihm und allen überlieferten Liturgie herum? Und steht er damit nicht am Anfang der liturgischen Katastrophe von heute?
1. Er bekämpfte überlieferte gallikanische Riten zugunsten des Tridentinischen. War das Kirchenpolitik gegen den Ungeist des Gallikanismus? Dann wäre die Liturgie Mittel zum Zweck geworden. Jedenfalls liegt ein Fehler darin, liturgische Tradition hinwegzufegen.
2. Dom Gueranger hat angeblich den ursprünglichen Gregorianischen Choral gefördert. Auch in dieser Hinsicht wandte er sich (nicht demütig!) gegen das Überlieferte. Schon vor 900 soll es eine Zweitstimme der gregorianischen Melodien gegeben haben. These: Wie die sogenannte Klassik des 18. Jahrhunderts die römische Antike als klar und farblos und humanistisch missverstand, hauchte auch das 19. Jahrhunder seiner angeblichen Restauration der …More
Bethlehem 2014
Sehr geehrter @Klaus Elmar Müller! Sie müssen versuchen, das aus der Zeit heraus zu verstehen. Auch Dom Guéranger war ein Kind seiner Zeit, nicht anders als Sie und ich.
Die damalige Zeit war in Frankreich sehr antikirchlich geprägt. Der Kirchenstaat zerfiel. Da wollte man bewußt "ultramontanistisch" sein. - Aus ähnlichen Gründen hat man auch in Deutschland (Köln, Trier...) die Eigenriten der …More
Sehr geehrter @Klaus Elmar Müller! Sie müssen versuchen, das aus der Zeit heraus zu verstehen. Auch Dom Guéranger war ein Kind seiner Zeit, nicht anders als Sie und ich.
Die damalige Zeit war in Frankreich sehr antikirchlich geprägt. Der Kirchenstaat zerfiel. Da wollte man bewußt "ultramontanistisch" sein. - Aus ähnlichen Gründen hat man auch in Deutschland (Köln, Trier...) die Eigenriten der Diözesen aufgegeben - was auch ich durchaus bedaure. Diese Riten aber waren aus dem Mittelalter übernommen, während die gallikanischen Riten spätere Neuerfindungen waren. Beides: das Aufgeben der alten Deutschen Riten und der französischen neuen führte zu einer Vereinheitlichung, durch die die Liturgiereform Pauls VI. erst möglich wurde. Tatsächlich allerdings muß an zugeben, daß zumindest in Deutschland schon zuvor (seit dem Konzil von Trient) vieles an Eigenriten aufgegeben worden war. - Mithin hat der Gallikanismus auch durchaus schlechte Früchte getragen, bis hin zu separatistischen Tendenzen. Nicht alles, was Dom Guéranger beseitigen wollte, hatte schon "Tradition"!
Sie schrieben: "Dom Gueranger hat angeblich den ursprünglichen Gregorianischen Choral gefördert." Das könnte kein Kenner so behaupten; am allerwenigsten hätte Gueranger selbst so etwas gewollt, da es einen "ursprünglichen" Choral gar nicht gibt. Jeder Choralkenner ist sich bewußt, daß der Choral eine Gesangform ist, die sich ständig - bis heute - in Entwicklung befindet. Wann man einen "Idealpunkt" ansetzt, darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Das, was Guéranger als überlieferten Choral vorfand, war in einem desolaten Zustand (Medicäa). Da war es doch nur klug und angebracht, die Handschriften zu sammeln, zu sichten und miteinander zu vergleichen. Zu sehr und zu willkürlich hatte die Medicäa die Melodien verändert! DAS war nicht demütig; nicht aber das Handeln Guérangers! - Für eine Zweitstimme um 900 hätte ich dann schon ganz gern einen Beleg - das scheint mir äußerst unwahrscheinlich.
Ihre Vorwürfe an Guéranger bzgl. des Chorals treffen doch wohl eher Dom Mocquereau, aber nicht den frommen und demütigen Guéranger!
Eine Parallele zwischen der Version Guérangers und Pauls VI. bei der Erhebung (Opferung?) des Kelches kann ich durchaus nicht entdecken. - Natürlich wollte Guéranger (er durfte die Texte ja nicht übersetzen!) die Gläubigen, die bis dato oft nur Zuschauer der Liturgie waren wie im Theater, in das heilige Geschehen einbeziehen. Dies wurde später auch ein Hauptanliegen des Hl. Pius X. - Das dies 170 Jahre später und in einer anderen, nichtmediterranen, sondern germanischen Gegend anders empfunden wird, darf man dem Urheber dieses Werkes nicht anlasten. Auch Sie wollen nicht, daß man Ihre Texte wie ein Franzose im Jahre 2193 liest...
Klaus Elmar Müller
Danke für Ihre kenntnisreiche Stellungnahme und Ihre bedenkenswerten Hinweise! So leicht ist es für mich gar nicht, ebenso kenntnisreich zu antworten. Nur das Folgende: 1. Das Anschauen Gottes im Himmel und das Schauen der verirdischten himmlischen Liturgie in unserer hl. Messe gleicht keinem oberflächlichen Theaterbesuch (Sogar weltliches Theater kann Mysterien schauen lassen). Wenn man die …More
Danke für Ihre kenntnisreiche Stellungnahme und Ihre bedenkenswerten Hinweise! So leicht ist es für mich gar nicht, ebenso kenntnisreich zu antworten. Nur das Folgende: 1. Das Anschauen Gottes im Himmel und das Schauen der verirdischten himmlischen Liturgie in unserer hl. Messe gleicht keinem oberflächlichen Theaterbesuch (Sogar weltliches Theater kann Mysterien schauen lassen). Wenn man die Messtexte kennt, legt man irgendwann den Schott oder Bomm beiseite und SCHAUT ergriffen ("Theater" von "thean"-"schauen"). 2. Passend zum Anschauen des Mess-Mysteriums: das Rosenkranzgebet (gegen das Sie zwar nichts schrieben); es ist nicht bloß "in der Messe beten, sondern die Messe beten": "der für uns gekreuzigt worden ist" greift die unblutige Gegenwärtigsetzung des Kreuzesopfers auf, die glorreichen Geheimnisse schilden die Voraussetzung für das Wunder dieser Gegenwärtigsetzung und verherrlichen die mitanwesende verklärte Gottesmutter, und "der zu Bethlehem geboren worden ist" schildert die Analogie dazu, dass Jesus in der hl. Wandlung auf den Altar kommt und in unser Herz will. 3. Von einer Zweitstimme hörte ich von einem Gregorianik-Experten (und las es bei Wikipedia). Es war wohl ein tiefer fortlaufender Grundton. Ich fand zu einer Begleitstimme, auch instrumentaler, das Folgende. knowunity.de/…rganum-barock-2879228f-9b9f-4512-8c64-d31f65434d13
Bethlehem 2014
@Klaus Elmar Müller Da stimme ich Ihnen vollends zu! - Ich halte es auch für ungut, daß in der alten Messe die Leute "immer" in ihr Buch schauen, statt zum Altar, wo etwas GESCHIEHT! - Das ist in der neuen Messe durchaus besser - obgleich ich gegen zuviel Muttersprache in der Liturgie bin und auch nicht prinzipiell für eine Messe zum Volk hin.
Die Messe ist tatsächlich ein "Heiliges Spektakel" -…More
@Klaus Elmar Müller Da stimme ich Ihnen vollends zu! - Ich halte es auch für ungut, daß in der alten Messe die Leute "immer" in ihr Buch schauen, statt zum Altar, wo etwas GESCHIEHT! - Das ist in der neuen Messe durchaus besser - obgleich ich gegen zuviel Muttersprache in der Liturgie bin und auch nicht prinzipiell für eine Messe zum Volk hin.
Die Messe ist tatsächlich ein "Heiliges Spektakel" - man muß sie SCHAUEN, nicht etwa mitlesen.
Und: daß Messe und Rosenkranz gut zusammenpassen, hat man jahrhunderrtelang bewiesen. Das hat auch den Vorteil, daß die Gläubigen nach vorne schauen, wohl kaum (oder nur selten) auf ihren Rosenkranz.
Guéranger ging es wohl darum, den Gläubigen, die lesen können, aber kein Latein (die Zahl solcher Menschen stieg im 19. Jhd. stark!), ein tieferes Verständnis der Liturgie zu vermitteln.
"Grundton" in der Gregorianik kann ich mir im 9. Jdt. durchaus vorstellen.