Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage dpa Fr., 17. Mai 2024

Das Stromnetz der Ukraine ist durch russischen Beschuss schwer beschädigt. Über mehrere Monate müssen die Menschen mit stundenweisen Stromsperren leben. (Bild: dpa)

Die Ukraine müht sich weiter, den russischen Angriff an ihrer Ostgrenze im Gebiet Charkiw zu stoppen. Die schwersten Gefechte gebe es bei den Orten Lipzy und Wowtschansk, teilte der ukrainische Generalstab im Lagebericht mit.

Die russische Offensive werde von Kampfflugzeugen durch den Abwurf von Gleitbomben unterstützt. Zugleich hieß es: "Die Einheiten der Verteidigungskräfte halten die Linie und verhindern, dass die Angreifer in die Tiefen unseres Territoriums vordringen." Unabhängige Bestätigungen dafür gab es nicht.

Präsident Wolodymyr Selenskyj reiste gestern in die Nähe der neuen Front und beriet mit den Militärs. In der Nacht begann für die östlichen Gebiete der Ukraine mit Luftalarm. Der Luftwaffe zufolge waren mehrere Schwärme russischer Kampfdrohnen im Anflug. In der Millionenstadt Charkiw waren nach Medienberichten Explosionen zu hören. Die Ukraine wehrt seit Februar 2022 eine großangelegte russische Invasion ab, heute wird der 814. Tag des Krieges gezählt.

Ukraine spricht von hohen russischen Verlusten bei Charkiw

Der russische Angriff nahe Charkiw hatte vergangene Woche begonnen. Relativ schnell besetzten die russischen Kräfte mehrere Dörfer an der Grenze. Ihr Vorstoß wurde dadurch begünstigt, dass die Ukraine ihre westlichen Waffen nicht gegen den Truppenaufmarsch jenseits der Grenze einsetzen durfte.

Auch waren die vorderen Verteidigungsstellungen nicht so ausgebaut, wie es eigentlich angeordnet war. Wie an anderen Frontabschnitten gehe die russische Armee auch bei Charkiw ohne Rücksicht auf hohe eigene Verluste vor, teilte der Generalstab in Kiew mit.

Bei Wowtschansk etwa 40 Kilometer nordöstlich von Charkiw sei es gelungen, die Lage zu stabilisieren, sagte Selenskyj nach seinem Frontbesuch. "Unsere Gegenangriffe dauern an, ebenso wie in anderen Gebieten entlang der Grenze zu Charkiw", sagte er. Besonders heftige russische Angriffe verzeichnete das ukrainische Militär weiter südlich bei Pokrowsk.

Nato-Befehlshaber rechnet nicht mit russischem Durchbruch

Der Nato-Oberbefehlshaber in Europa, Christopher Cavoli, rechnet indes nicht mit einem strategischen Durchbruch der russischen Armee bei Charkiw. "Sie sind in der Lage, lokale Vorstöße zu machen, und das haben sie auch getan. Sie haben aber auch einige lokale Verluste erlitten", sagte er nach einem Treffen des Nato-Militärausschusses in Brüssel. Die Russen hätten nicht genug Streitkräfte, um einen strategischen Durchbruch zu erreichen. "Ich stehe in sehr engem Kontakt mit unseren ukrainischen Kollegen, und ich bin zuversichtlich, dass sie die Linie halten werden."

Selenskyj klagt über Putins "leere Worte" zu Frieden

"Russland versucht, den Krieg auszuweiten, und begleitet ihn stets mit leeren Worten über den Frieden", sagte Selenskyj. Er reagierte damit auf Aussagen von Präsident Wladimir Putin bei dessen China-Besuch. Moskau und Peking nannten dort eine politische Einigung als geeigneten Ausweg aus dem Krieg, ohne dies näher zu erläutern. "Wir müssen Russland mit allen Mitteln zu einem echten, gerechten Frieden zwingen", sagte Selenskyj dagegen.

In einem Telefonat mit dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk warnte Selenskyj vor der Gefahr für Europa durch russische Luftangriffe auf die Gasinfrastruktur seines Landes. "Dagegen müssen wir gemeinsam vorgehen", sagte er. Die russische Luftwaffe hatte Ende März mit Marschflugkörpern und Raketen die oberirdischen Anlagen eines großen unterirdischen Gasspeichers in der Westukraine beschossen. Trotz des Krieges leitet die Ukraine bis Ende 2024 noch russisches Gas in die EU durch. Sie nutzt die Speicher selber und bietet sie den EU-Nachbarländern an.

Monatelange Stromabschaltungen in der Ukraine nach Angriffen

Wegen der schweren Schäden an Kraftwerken und Umspannwerken in der Ukraine rechnet die Regierung mit monatelangen Stromabschaltungen. Erst ab August oder September sei mit einer Verbesserung zu rechnen, sagte Jurij Bojko, Berater des Ministerpräsidenten und Aufsichtsrat beim Versorger Ukrenergo (Ukrenerho), in Kiew. Wie schon am Mittwoch gab es auch gestern regional gestaffelte Abschaltungen, um Strom zu sparen. Auch Straßenzüge in der Hauptstadt Kiew waren betroffen.

Im Angriffskrieg gegen die Ukraine hatte die russische Armee im März und April gezielt Kraftwerke, Umspannwerke und Stromleitungen aus der Luft beschossen. Die Produktionskapazität sank nach offiziellen Angaben um 44 Prozent. Die Stromproduktion aus Kohlekraftwerken ging fast vollständig verloren. Auch Wasserkraftwerke am Dnipro wurden beschädigt. Die Aussichten auf rasche Reparaturen sind schlecht. Die Stromproduktion aus Kernkraft funktioniert weitgehend. Auch Energieimporte aus Nachbarländern reichen nicht immer aus, die Lücke zu schließen.

Lage im AKW Saporischschja gespannt

Die Lage im russisch besetzten Atomkraftwerk Saporischschja in der Südukraine bleibt nach Einschätzung der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA weiter gespannt. Das sagte der Leiter der UN-Behörde, Rafael Grossi, in Wien.

Die IAEA tauschte ein weiteres Mal ihr Team von Experten aus, die in der größten Nuklearanlage Europas Wache halten. "Die potenziellen Gefahren für die Anlage dauern an, und die Situation kann sich jeden Moment verändern.", sagte Grossi.

Die Experten hätten in den vergangenen Tagen Artilleriefeuer weiter weg und Gewehrfeuer dichter am Werk gehört. Soweit sie das Werksgelände betreten dürften, hätten sie bei Kontrollgängen keine schweren Waffen in dem AKW gesehen. Es gebe auch keine Hinweise, dass vom Werksgelände Drohnen gestartet worden seien. Russland und die Ukraine werfen einander immer wieder vor, die Atomanlage zu beschießen.

Mehr zur aktuellen Lage in der Ukraine:

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Dixit Dominus
Das ist doch kein Krieg gegen die Ukraine! Das ist ein Krieg der NATO, angeführt von der USA, gegen Russland auf dem Boden der Ukraine, zum Nachteil der ukrainischen Bevölkerung, die von ihrer eigenen politischen Führung verraten worden ist.
heidrichberlin
Wenn der Papst für Friedensgespräche ist, wird der von unserer Regierung nur verspottet.
niclaas
Von vier Atomkraftwerken auf dem ehemaligen Territorium der Ukraine sollen die Russen ausgerechnet jenes beschießen, welches sie selbst unter Kontrolle haben? Die DPA muß schon eine sehr dumme Kundschaft haben …
niclaas
Natürlich gibt die Ukraine den Gas-Tansfer nicht auf, weil ein Teil der Dollarmilliarden an Transitgebühren in korrupte Taschen wandert und dazu Gas gestohlen wird. Es überrascht da mehr, daß die Russen den Hahn noch nicht abgedreht haben.
Boni
Putin ist - wie jeder Nutzer der vorhandenen Sicherheitsarchitektur - stets auf der Suche nach teilspielperfekter Strategiewahl. Es ist also vollkommen ausgeschlossen, dass Putin irgendwelche Schuld hat, wenn die Sicherheitsarchitektur die Strategiewahl "Einmarsch in ein Nachbarland" als teilspielperfekt im Sinne von Nobelpreisträger Reinhard Selten erscheinen lässt.
Herr Konrad
Putin holt sich die alte Sowjetunion wieder zurück. Der Feind sitzt woanders.
michael7
Bei genauem Hinsehen beobachtet man bei diesem Konflikt auf Seiten Russlands weniger blinde Aktion, als vielmehr stets eine Re-Aktion, oft sogar klar definiert.
Da geht es nicht um die alte Sowjetunion, sondern um Reaktionen auf die militärische Drohung Kiews gegen die Ost-Ukraine oder die unkluge NATO-Einkreisung Russlands bei gleichzeitiger Ablehnung des Angebots Russlands, mit der NATO zusammenarbeiten …Mehr
Bei genauem Hinsehen beobachtet man bei diesem Konflikt auf Seiten Russlands weniger blinde Aktion, als vielmehr stets eine Re-Aktion, oft sogar klar definiert.
Da geht es nicht um die alte Sowjetunion, sondern um Reaktionen auf die militärische Drohung Kiews gegen die Ost-Ukraine oder die unkluge NATO-Einkreisung Russlands bei gleichzeitiger Ablehnung des Angebots Russlands, mit der NATO zusammenarbeiten zu wollen.
Bei einem wirklichen Einmarsch hätte man wohl von Anfang an die Energie-Infrastruktur angegriffen.
Letztlich hat man damit aber erst begonnen, nachdem Angriffe auf russische Infrastruktur verübt wurde.
Und nun besetzte Russland Teile im Norden, weil von dort immer wieder Angriffe auf Belgorod usw. getätigt wurden.
Statt nur immer weiter Waffen zu liefern, sollte deshalb endlich begonnen werden, über sinnvolle Konflikt-Lösungen nachzudenken, die nicht immer nur völlig sinnlos noch mehr Menschenleben kosten.
Herr Konrad
Frieden ist leider nicht gewollt.
Boni
Sicherheitsarchitektur nennt man das Entscheidungsunfeld, innerhalb dessen ein Akteur mit sicherheitspolitischen Interessen Entscheidungen trifft. Putin ist ein solcher Akteur. Er ist aber nur in einem sehr geringen Maße Sicherheitsarchitekt.
Es sind die Sicherheitsarchitekten, die die Ukraine auf dem Gewissen haben.
Boni
Schrecklich, was die Zerstörer der Sicherheitsarchitektur in diesem geschundenen Land angerichtet haben.
Herr Konrad
Komisch das viele Ukrainer wieder nach Hause wollen, und an der Ausreise gehindert werden???
Klaus Elmar Müller
@Herr Konrad Zeigen sie uns doch die Fotos, wo russische Soldaten ukrainische Vorgärten in Ordnung bringen. Es ist ja Frühling.
Herr Konrad
Die Macht der Bilder, alles klar. So wie bei den Särgen von Corona in Bergamo. 🤔
Herr Konrad
Lächerlich.
Herr Konrad
Fragen sie einmal was die Menschen wollen? Alle Reden immer nur Schwachsinn, nur weil wieder irgendwo ein Artikel auftaucht. man kann es einfach nicht mehr hören. Den Leuten kann man jeden Mist unter die Nase reiben, sie glauben einfach alles.
Klaus Elmar Müller
Putin verteidigt also nicht russifizierte Gebiete, sondern will das ganze Land. Und schädigt die Menschen dort.
Boni
Was hat Putin mit der zerstörten Sicherheitsarchitektur zu tun? Er hat sie doch micht zerstört.
Klaus Elmar Müller
@Boni Aus dem kalten Krieg wurde durch die Implosion des spinnerten Kommunismus ein kalter Friede. Putin hat daraus einen heißen Krieg gemacht.
Boni
Sicherheitsarchitektur nennt man das Entscheidungsunfeld, innerhalb dessen ein Akteur mit sicherheitspolitischen Interessen Entscheidungen trifft. Putin ist ein solcher Akteur. Er ist aber nur in einem sehr geringen Maße Sicherheitsarchitekt.
Es sind die Sicherheitsarchitekten, die die Ukraine auf dem Gewissen haben.