Und immer wieder zog es ihn zu diesem Bild
Aber nur von einer einzigen, jedoch mehrmals erlebten Sache sprach er, nämlich wie dieser Russe, der Bronek, immer wieder in ein Buch schauen musste, ein Religionsburch oder was Ähnliches. Den Text hätte er als Russe eh nicht verstanden, doch da war dieses Bild; das hatte es ihm angetan. Er füchtete sich davor, aber er musste es immer wieder sehen. Irgend so ein Bild eines Teufels, der jemand gepackt hat. So genau wusste es mein Vater auch nicht mehr. Jedenfalls kam es uns Kindern, eigentlich schon Erwachsenen, so vor, als wäre die Erinnerung an dieses Bild das einzige gewesen, was Bronek mit in sein russisches Zuhause nahm.
Irgendwann wollten wir's mal wissen und entschlossen uns dieses Bild zu finden. Mein Vater meinte, es müsste eigentlich in der Werkzeughalle liegen, und da fanden wir es dann auch, 50 Jahre der Feuchtigkeit einer unbeheizten Werkzeughalle mit kaputten Fensterchen ausgesetzt. Das vermoderte Buch stank fürchterlich, so, als wäre jedes Blatt einzeln mit Urin durchtränkt. Ich wickelte es fast luftdicht in eine Plastiktüte, scannte später die Seite mit dem Bild ein und verwahrte das stinkende Buch weiter. Ich wollte dasselbe in der Freisinger Dombibliothek finden, tat mich aber schwer, da viele Seiten fehlten, vor allem die Seiten vorne, so etwa auch Autor und Buchtitel. Auch heute scheint dieses Buch noch nirgends eingescannt zu sein, da das Googeln nach Textpassagen keine Ergebnisse liefert.
Wenigstens das Bild soll nun im Netz stehen, ein Bild, an das Bronek sicherlich bei seinem Sterben gedacht hat - es sei denn, er sollte noch leben.
Während die unteren zwei Dämonen nur darauf warten, den Geldsäckl-Inhaber in Empfang zu nehmen, sieht der rechte Dämon eher verzweifelt aus. Er ist schon alt, reißt sein breites Maul weit auf und klammert sich mit seinen Krallenfingern an den Sünder, genauer: an das Leinentuch, das uns von dessen Wohlbefinden erzählt, einem Wohlbefinden, das ihm jetzt zum Verhängnis wird. Von den Augen dieses Dämons blitzt Bosheit, doch eine gewisse Freude auf seinen neuen Kameraden ist ihm ebenso anzumerken: "Jetzt geht's dir auch so wie mir!", wrid er denken.
Hurtig und entschlossen wirkt dagegen der obere Dämon. Schön sieht er aus und kräftig, und seine Drachenflügel verleihen ihm ein übernatürliches Flair. Gnade kennt er nicht, und das macht Angst. Ein geselliges Beisammensein mit ihm würde man lieber meiden. Doch das Leinentuch mitsamt dem Eingewickelten gehört ihm schon. Er lässt es nicht los. Es gibt kein Entkommen.
Der Umwickelte ist den breiten Weg der weiten Welt gegangen, einen Weg, dessen Ende er falsch berechnet hat. Er ist reich, doch sein Geld entgleitet ihm. Es tropft in die Hölle, und die Dämonen interessieren sich nicht einmal dafür. Er nur ist das Ziel ihrer Gier. Er fasst sich mit den Händen an den Kopf. Er schreit. Doch es ist zu spät.
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