@Eremitin Die damalige Doppelgänger-Geschichte rund um Paul VI. bekam ich in meiner Jugend aus erster Hand mit. Ein bestimmter
Th. Kolberg veröffentlichte in den 1970er Jahren ein Buch
"Der Betrug des Jahrhunderts", in dem er sich u.a. auf Stimmen-Analysen stützte, die behaupteten, es gebe zwei Stimmen von Paul VI. Zudem wurden als Belege Porträtfotos abgedruckt, welche die Doppelgängerthese zu untermauern suchten.
Ich sah das Problem darin, dass ältere Fotos des "echten" Paul VI. gegen neuere des "falschen" gegenübergestellt wurden, der Fotobeweis überzeugte mich nie vollkommen. Der Doppelgänger, so Kolberg, sei ein römischer Priester, der mit plastischer Chirurgie dem Aussehen Pauls VI. angenähert worden sei. Auch das eine gewagte Theorie, mit der gestandene Freunde des Montini-Papstes und dessen Angehörigen wohl ihre Probleme gehabt hätten.
Letztlich überzeugten mich also alle die Indizien und als Belege angeführten Privatoffenbarungen nie. Doch mein vor einigen Jahren verstorbener Vater und mit ihm eine Gruppe von Männern, unter ihnen ein ehemaliger Schweizergardist, liessen sich dadurch unter Gewissensdruck setzen und fuhren im Jahre 1978, vielleicht schon etwas früher, mehrmals nach Rom mit dem Ziel, den "echten" Paul VI. zu befreien. Der würde nämlich in einem Keller des Vatikans gefangengehalten, so die These, gestützt auf genannte Privatoffenbarungen.
Auf einer dieser Fahrten war Vater dabei. Es war das berühmte Jahr der drei Päpste, nachdem Ende August Johannes Paul I. gewählt worden war und bereits nach 30 Tagen unter unklaren Umständen verstarb. So warteten denn die Schweizer Papstbefreier über diese Schicksalstage in Rom auf ein Himmelszeichen, während unsere geplagte Mutter in Telefongesprächen in die Ewige Stadt hinunter unseren Vater innig bat, doch möglichst bald nach Hause zurückzukommen, weil Kunden auf die Erledigung von Aufträgen drängten. Gleichzeitig drängte eine Schwester von Vater, die fest an die Doppelgängertheorie glaubte und ihn dazu aufgefordert hatte, diesem weltgeschichtlichen Auftrag des Himmels nicht untreu zu werden. Hin und her gerissen zwischen himmlischen und irdischen Pflichten hatte jene Tante auch ein Pfand, weil sie Vater den Wagen geschenkt hatte, mit dem Paul VI. von Rom in die Schweiz gekarrt werden sollte.
Einer der Papstbefreier, ein guter Bekannter, von dem ich erst kürzlich erfuhr, dass er auch zu dieser Gruppe gehört hatte, erzählte mir auch von einer nächtlichen Schmunzelepisode, die sich im Damasushof zugetragen habe. Dort im Refugium der Schweizer Garde hatte einer der Privatwagen mit Schweizer Autokennzeichen Einlass gefunden. Den Zutritt erwirkt hatte eine der Schweizergarde verbundene Person, die ebenfalls mit nach Rom gefahren war. Während jener Ortskundige sich in die päpstlichen Gemächer schlich, um nähre Hinweise auf den gefangengehaltenen Papst zu erhalten, wartete sein Begleiter als Wache im Wagen. Derweil machten zwei Schweizergardisten ihren nächtlichen Kontrollgang. Da hörte der Zurückgelassene im Auto plötzlich, wie sich die Gardisten dem Wagen näherten, und der einer von ihnen sagte: "Schau da, ein .........er!" (Autokennzeichen eines Schweizer Kantons). Der Begleiter im Auto stellte sich in einer Not schlafend und schnarchte laut. So hörte er den Gardisten draussen lachend sagen: "Der schläft!" So zottelten die zwei Gardisten bald wieder davon, während der "Schläfer" wohl hörbar aufatmete.
Aufgrund einer Autopanne verzögerte sich die Rückfahrt meines Vaters. Der Wagen musste in die Reparatur, und der Chauffeur über das Wochenende in Rom bleiben. Plötzlich wurde es unruhig in der Stadt: "Weisser Rauch, weisser Rauch!" Alle strömten auf den Petersplatz, und so wurde Vater Zeuge der Papstwahl Johannes Pauls II. Vater hat noch im Alter immer wieder davon erzählt, wie jener polnische Kardinal, dessen Name niemand so richtig verstanden habe, auf die Loggia trat, die Arme ausbreitete und mit deutlicher Stimme verkündete, nein, nicht
"Buona sera!", sondern
"Laudetur Jesus Christus!". Vater kam dadurch zur Einsicht, dass der Gewählte trotz aller persönlicher Bedenken als legitimer Papst zu gelten habe und hat sich Zeit seiner Lebens an dessen Legitimität festgehalten, wie auch sein Priesterfreund
Prof. Albert Drexel.
Ach, darüber müsste man wirklich mal ein Buch schreiben mit dem Titel:
"Als Vater den Papst befreien wollte"! Wir Kinder hatten Vater noch Wolldecken mit auf die Reise mitgegeben, damit der Papst dann auch schön warm habe und sich nicht erkälte auf der Reise, und dass man ihn am Zoll damit tarnen könne. Zudem war für uns die Vorstellung durchaus reizvoll, dass der alte, gebrechliche Paul VI. auf dem Weg durch die Schweiz vielleicht auch eine Nacht in unserem Haus verbringen würde. Ein Bett für den vatikanischen Flüchtling stand schon bereit. Vielleicht wäre dann die Weiterreise nach Deutschland erfolgt, wo er dann den neuen Kaiser gekrönt hätte?
Wie auch immer, für ein solches Buch ist es bestimmt noch zu früh. Verschiedene Beteiligte und ihre direkten Nachkommen leben noch immer. Aber mit einigen Recherchen bei Beteiligten und deren Nachkommen könnte man schon mal anfangen.