WARUM FEIERE ICH DIE HL. MESSE EXKLUSIV IM ÜBERLIEFERTEN RITUS? Vortragsreihe v. Kaplan A. Betschart
Ändert die katholische Kirche ihren Glauben?
Diese Frage drängt sich auf angesichts der schweren Eingriffe ins Hl. Messopfer, welches ja das Zentrum des katholischen Glaubens ist. Zur Beantwortung dieser Frage sind wir nicht allein auf Zeugnisse aus unseren eigenen Reihen angewiesen. Es gibt auch Äusserungen von seiten der Protestanten, welche diese Frage direkt oder indirekt bejahend beantworten. Zunächst sollen einige Zeugnisse katholischerseits vorlegt werden.
1. In seinem Brief an die Freunde der Abtei Sainte-Madeleine, am Fest des hl. Laurentius, 10. August 1994, schrieb Abt Gérard Calvet unter dem Titel “Verrat”: “Sechs Jahre nach dem Erscheinen des Motu proprio ‘Ecclesia Dei’ teilen sehr viele von Ihnen uns Ihre Schwierigkeiten mit, denen Sie begegnen, wenn Sie die Feier der Sakramente und der hl. Messe in den früheren Riten erreichen wollen. Manchmal drücken Sie Ihre Entmutigung in schmerzlichen Worten aus, beispielweise: ‘Sind wir etwa Opfer eines Verrates?’ Einerseits erinnern Sie sich sicher an die Richtlinien des hl. Vaters:
‘Ferner muss überall das Empfinden derer geachtet werden, die sich der Tradition der lateinischen Liturgie verbunden fühlen, indem die schon vor längerer Zeit vom Apostolischen Stuhl herausgegeben Richtlinien zum Gebrauch des Römischen Messbuchs in der Editio typica vom Jahr 1962 weit und grosszügig angewandt werden:
‘All jenen katholischen Gläubigen, die sich an einige frühere Formen in der Liturgie und Disziplin der lateinischen Tradition gebunden fühlen, möchte ich auch meinen Willen kundtun und wir bitten, dass sich der Wille der Bischöfe und all jener, die in der Kirche das Hirtenamt ausüben, dem meinen anschliessen möge -, es ihnen leicht zu machen, in die kirchliche Gemeinschaft zurückzukehren, durch die notwendigen Massnahmen, welche die Berücksichtigung ihrer gerechtfertigten Wünsche sicherstellen.’
Aber Ihre Bischöfe antworten Ihnen beispielsweise, es handle sich hierbei nur um eine ‘barmherzige Parenthese für Personen, die sich schrittweise den Ordo Missae Pauls VI. zu eigen machen müssen’, oder sie beschränken die Anwendung des Motu proprio auf ‘eine einzige Sonntagsmesse je Monat unter Ausschluss jeder anderen sakramentalen Feier’.
Nun wenden Sie sich also logischerweise an die Kommission Ecclesia Dei, und denken, bei ihr Unterstützung zu finden. Aber wie gross ist Ihre Enttäuschung, wenn Sie deren Antwort hören! Denn seit dem Ausscheiden von Kardinal Mayer stossen Sie nicht nur auf Unverständnis gewisser Ortskirchen, sondern auch auf die Tatenlosigkeit der Kommission. Es kommt sogar vor, dass diese, - statt Ihre Bitte zu genehmigen - was doch ihre eigentliche Aufgabe ist - sie mit unfassbarer Kaltblütigkeit zurückweist. Laut Kardinal Innocenti habe eine Armee von Kirchenrechtlern auf Befragen die Unmöglichkeit erklärt, von einem Recht auf die früheren Riten zu sprechen. Durch sein Motu proprio habe der hl. Vater nur eine Gunst gewährt ... Wir überlassen den Fachleuten die Aufgabe, diese Frage zu entscheiden. Aber auch wenn es nur eine Gunst ist, ist sie nun gewährt worden oder nicht? Wenn ja, wie sollten - von dem Moment an, da der Papst beschlossen hat, den Gläubigen eine weitherzigere Anwendung der Messe von 1962 zu bewilligen, und die Bischöfe gebeten hat, diese Entscheidung zu realisieren, - sich die betroffenen Gläubigen dazu entschliessen können, auf die Nutzung dieser Gunst faktisch zu verzichten?
Doch kommt es noch schlimmer: wir kennen verschiedene Prälaten, die mit der Entscheidung des hl. Vaters, die Kommission Ecclesia Dei zu schaffen, nicht einverstanden waren und deren schnelle Auflösung wünschen. Msgr. O’Sullivan, Bischof von Kerry/Irland, bestätigte dies vor nicht allzu langer Zeit, als er berichtete, was Kardinal Innocenti, der Präsident der Kommission Ecclesia Dei, im Zusammenhang mit einem Gespräch, das er folgendermassen wiedergibt, sagte: ‘Kardinal Innocenti eröffnete die Diskussion, indem er uns sagte, es handle sich um eine nur zeitweilige Kommission, die von sich aus darauf hinarbeite, wieder zu verschwinden.’
Gewiss, wäre die Aufgabe der Kommission erfüllt, so bräuchte diese nur wieder zu verschwinden. Aber worin besteht diese Aufgabe? Nach dem Willen des Papstes handelt es sich doch darum, den ‘Traditionalisten’ seitens derer, ‘die in der Kirche ein Hirtenamt ausüben’, die Achtung ihrer Identität zu sichern, mithin eben dadurch, dass überall (wenigstens in jeder Diözese) die Feier von Messen nach dem überlieferten Ritus der Kirche erlaubt wird. Wollte Kardinal Innocenti etwa dies sagen? Man darf füglich daran zweifeln. Denn wer wäre so naiv zu behaupten, derzeit habe das Motu proprio keine Rolle mehr zu spielen? Der Gedanke des Kardinals lässt sich vielmehr in einem Wort zusammenfassen: Auflösung ...
Die ersten, die unter der Abwesenheit des Sakralen in der Liturgie leiden, sind die Kleinen, die Kinder und die Armen, die nicht in der Lage sind, den Verlust eines solchen Schatzes anderswie auszugleichen. Zeugen dafür sind die zahlreichen Familien, die jungen Leute, die Tausende von Pilgern, die zu Pfingsten nach Chartres marschieren, die Vereinigungen ‘Domus Christiani’, ‘Jeune Chrétienté’ ‘Renaissance Catholique’, ‘Christkönigjugend’, mehrere Pfadfinderbewegungen, vielfältige Laiengruppierungen, die danach streben, mittels der Liturgie wieder ein echtes geistliches Leben zu finden. Aber wenn sie sich nun an ihre Bischöfe wenden, scheinen sie nicht gerade von denen abgewiesen zu werden, die ihre Väter sind? Denn wenn ein französischer Bischof erklärt: ‘Ich verstehe nicht, weshalb Sie sich dem überlieferten Ritus verbunden fühlen’, verkennt er den Reichtum der traditionellen Liturgie und ignoriert, mit welcher Phantasie das, was er selbst ‘erneuerte Messe’ nennt, an vielen Orten gefeiert wird.
Viele dieser ‘erneuerten Messen’ veranlassen einen, die Meinung von Jean Guitton zu teilen, der sich kürzlich in einer Radiodiskussion folgendermassen äusserte: ‘... Die Absicht Pauls VI. im Hinblick auf die Liturgie, im Hinblick auf das, was man gemeinhin die Messe nennt, ist es, die katholische Liturgie so zu erneuern, dass sie fast mit der protestantischen Liturgie zusammenfällt ... Aber was seltsam ist: Paul VI. hat das alles getan, um sich so weit wie möglich dem protestantischen Abendmahl anzunähern ... Aber ich wiederhole: Paul VI. hat alles in seiner Macht Stehende getan, um die katholische Messe - über das Konzil von Trient hinweg - dem protestantischen Abendmahl anzunähern ... Ich glaube nicht, dass ich mich täusche, wenn ich sage, dass die Absicht Paul VI. und der neuen Liturgie, die seinen Namen trägt, darin besteht, von den Gläubigen eine grössere Teilnahme an der Messe zu verlangen, darin, der hl. Schrift einen grösseren Platz einzuräumen, und weniger Platz all dem, was es darin (wie einige sagen) an ‘Magischem’, wie andere sagen, an substantieller, transubstantieller Konsekration gibt, was der katholische Glaube ist; anders gesagt, es gibt bei Paul VI. eine ökumenische Absicht, all das, was es in der Messe an allzu Katholischem im traditionellen Sinn gibt, auszulöschen, oder wenigstens zu korrigieren, oder wenigstens abzumildern, und die katholische Messe, ich wiederhole es, der kalvinistischen Messe anzunähern.’
Wie gewichtig auch immer diese Worte des grossen Freundes Pauls VI. sein mögen, wie sollte man darüber erstaunt sein, dass zahlreiche Gläubige da ‘sichere’ Messfeiern suchen? Manche unter ihnen sind daher versucht, sich der Gründung von Msgr. Lefebvre zuzuwenden. Gewisse Prälaten würden es leider sogar wünschen. Im Grunde würden sie sich wie von einer Last befreit fühlen. Haben wir nicht selbst einen von ihnen sagen hören: ‘Nun, wenn diese Leute ins Schisma gehen wollen, sollen sie doch gehen!’ Soll das Hirtengesinnung sein?
Was uns betrifft, so sind wir nicht versucht, die Kirche zu verlassen, und wir hören nicht auf, sie zu ermahnen, in der einzigen Arche des Heils zu bleiben, denn wir vertrauen auf die Worte unseres Herrn. Doch erinnern wir uns auch an die Versprechungen seines irdischen Stellvertreters: ‘Der Hl. Stuhl will auch einen dringenden Aufruf an die Mitglieder der Priesterbruderschaft St. Pius X. wie an die ihnen verbundenen Gläubigen richten, dass sie ihre Position überdenken und mit dem Stellvertreter Christi vereint bleiben. Der Hl. Stuhl versichert ihnen, dass man alle Massnahmen ergreifen wird, um ihnen ihre Identität in der vollen Gemeinschaft der katholischen Kirche zu garantieren.’
Ist das Experiment der Tradition möglich? Ja, mit der Mitarbeit der Bischöfe, die es akzeptieren, die Entscheidungen des hl. Vaters in ihrer Diözese zu verwirklichen. Die berechtigten Anliegen der Gläubigen können befriedigt werden: das Beispiel der Pfarreien von Saint-Georges in Lyon, Saint-Eugène in Paris und St. Sebastian in Salzburg beweist es.
Daher fordern wir Sie auf, kraftvoll zu kämpfen, ohne leere Polemik, indem Sie, gelegen oder ungelegen, von Ihren Hirten die Aufrechterhaltung der lateinischen liturgischen Tradition in wenigstens einer Kirche je Stadt verlangen, im Namen des klar ausgedrückten Willens des Papstes: ‘Es ist aber erforderlich, dass alle Hirten und übrigen Gläubigen aufs neue nicht nur die Autorität, sondern auch den Schatz der Kirche anerkennen, die sich auf die Vielfalt der Charismen sowie der Traditionen der Spiritualität und des Apostels stützen, und auch die Schönheit der Einheit in der Vielgestaltigkeit bewirken ...”
2. Am 23. Januar 1955 schrieb der weltberühmte französische Dichter Paul Claudel, Mitglied der Académie Française, publiziert in der UVK vom Jan./Febr. 1999, Heft 1, S. 44 f.: “Ganz entschieden möchte ich protestieren gegen den sich in Frankreich immer mehr ausbreitenden Brauch, die Messe mit dem Gesicht zum Publikum hin zu lesen. Die Religion beruht darauf, dass Gott der erste Platz gebührt, und dass das Wohl des Menschen lediglich eine Konsequenz aus der Anerkennung dieses entscheidenden Prinzips und seiner Anwendung im praktischen Leben ist. Die Messe stellt die Huldigung par excellence dar, die wir Gott in dem Opfer erweisen, das der Priester auf dem Altar Seines Sohnes in unserem Namen vollzieht. Wir sind es, die, hinter dem Priester geschart und zusammen mit ihm, vor Gott treten, um ihm hostias et preces, Opfergaben und Gebete, darzubringen. Nicht Gott kommt und präsentiert sich uns als einem gleichgültigen Publikum, das auf die für es bequemste Weise Zeuge beim Vollzug des Mysteriums werden soll.
Die neue Liturgie beraubt das christliche Volk seiner Würde und seines Rechtes. Ist es doch nicht mehr das Volk, das die Messe mit dem Priester feiert, ihr ‘folgt’, wie man sehr richtig sagt. Nicht mehr das Volk, dem sich der Priester von Zeit zu Zeit zukehrt, um sich seiner Gegenwart, seiner Teilnahme und seiner Mitwirkung bei dem Werk, dessen Ausführung er in unserem Namen übernommen hat, zu vergewissern. Vielmehr haben wir es nur noch mit der Neugierde von Anwesenden zu tun, die ihm bei der Ausübung seines Amtes zuschauen. So wird es den Gottlosen leicht gemacht, ihn mit einem Taschenspieler zu vergleichen, der seine Nummer abzieht inmitten einer ihn höflich staunend umgebenden Runde. Gewiss trifft es zu, dass sich bei der traditionellen Liturgie ein grosser, rührender, ergreifender Teil des Heiligen Opfers den Blicken der Gläubigen entzieht, nicht aber ihren Herzen und Ihrem Glauben. Das ist so wahr, dass der Subdiakon bei den feierlichen Hochämtern während der ganzen Opferung am Fuss des Altares mit der linken Hand das Gesicht verdeckt. Auch wir werden dadurch aufgefordert, zu beten, in uns selber einzukehren. Nicht zur Neugierde ermahnt uns diese Gebärde, sondern zur Sammlung.
In allen orthodoxen Riten vollzieht sich das Wunder der Wesensverwandlung von den Gläubigen ungesehen hinter der Ikonostase (Bilderwand. Red.). Erst danach erscheint der Zelebrant auf der Schwelle der Heiligen Pforte, Christi Leib und Blut in den Händen tragend.
Ein Überbleibsel dieser Vorstellung ist in Frankreich lange erhalten geblieben, indem man die alten Euchologien - die Kanongebete nicht übersetzte. Dom Guéranger hat energisch gegen jene Leichtfertigen protestiert, die gegen dieses Verbot verstiessen.
Der derzeitige, beklagenswerte Brauch hat das altehrwürdige Zeremonial zur grössten Verwirrung der Gläubigen völlig durcheinander gebracht. Es gibt keinen Altar mehr. Wohin ist jener geweihte Block entschwunden, mit dem die Geheime Offenbarung Christi Leib selber vergleicht? Da steht nur noch ein undefinierbares, mit einem Tischtuch bedecktes Gestell, das schmerzlich an die kalvinistische ‘Hobelbank’ erinnert. Im Sinne der zum Prinzip erhobenen Bequemlichkeit der Gläubigen galt es, besagten Tisch so weit wie möglich von seinem sperrigen ‘Zubehör’ zu befreien: Und zwar nicht nur von Leuchtern und Blumenvasen, sondern auch vom Tabernakel, ja sogar vom Kruzifix! Der Priester liest seine Messe ins Leere! Wenn er das Volk auffordert, sein Herz und seine Augen zu erheben, muss man sich fragen: wohin? Gibt es doch über uns nichts mehr, das der aufgehenden Sonne als Blickfang dienen könnte!
Behält man Leuchter und Kruzifix bei, ist das Volk in noch höherem Masse ausgeschlossen als bei der überlieferten Liturgie. Wird doch damit nicht mehr nur die Zeremonie seinen Blicken entzogen, sondern auch der Priester selber.
Offenbar darf man von den Leuten keinerlei geistige Anstrengung mehr verlangen, und es erscheint als unvermeidlich, ihnen die erhabensten Mysterien ins Angesicht zu schleudern. Daher würde ich mich - voll grosser Bekümmernis - damit abfinden, dass die Messe auf die ursprüngliche Form des Abendmahls zurückgeführt wird. Doch dann heisst es, das gesamte Rituale zu verändern. Was für eine Bedeutung haben dann noch jene Dominus vobiscum, jenes Orate Fratres eines von seinem Volk getrennten Priesters, der nichts von diesem zu verlangen hat? Welche Bewandtnis haben noch jene prachtvollen Gewänder der von uns delegierten Gesandten und das Kreuz auf ihrem Rücken, das nun der Gottheit zugekehrt erscheint? ...”
Fortsetzung folgt
Diese Frage drängt sich auf angesichts der schweren Eingriffe ins Hl. Messopfer, welches ja das Zentrum des katholischen Glaubens ist. Zur Beantwortung dieser Frage sind wir nicht allein auf Zeugnisse aus unseren eigenen Reihen angewiesen. Es gibt auch Äusserungen von seiten der Protestanten, welche diese Frage direkt oder indirekt bejahend beantworten. Zunächst sollen einige Zeugnisse katholischerseits vorlegt werden.
1. In seinem Brief an die Freunde der Abtei Sainte-Madeleine, am Fest des hl. Laurentius, 10. August 1994, schrieb Abt Gérard Calvet unter dem Titel “Verrat”: “Sechs Jahre nach dem Erscheinen des Motu proprio ‘Ecclesia Dei’ teilen sehr viele von Ihnen uns Ihre Schwierigkeiten mit, denen Sie begegnen, wenn Sie die Feier der Sakramente und der hl. Messe in den früheren Riten erreichen wollen. Manchmal drücken Sie Ihre Entmutigung in schmerzlichen Worten aus, beispielweise: ‘Sind wir etwa Opfer eines Verrates?’ Einerseits erinnern Sie sich sicher an die Richtlinien des hl. Vaters:
‘Ferner muss überall das Empfinden derer geachtet werden, die sich der Tradition der lateinischen Liturgie verbunden fühlen, indem die schon vor längerer Zeit vom Apostolischen Stuhl herausgegeben Richtlinien zum Gebrauch des Römischen Messbuchs in der Editio typica vom Jahr 1962 weit und grosszügig angewandt werden:
‘All jenen katholischen Gläubigen, die sich an einige frühere Formen in der Liturgie und Disziplin der lateinischen Tradition gebunden fühlen, möchte ich auch meinen Willen kundtun und wir bitten, dass sich der Wille der Bischöfe und all jener, die in der Kirche das Hirtenamt ausüben, dem meinen anschliessen möge -, es ihnen leicht zu machen, in die kirchliche Gemeinschaft zurückzukehren, durch die notwendigen Massnahmen, welche die Berücksichtigung ihrer gerechtfertigten Wünsche sicherstellen.’
Aber Ihre Bischöfe antworten Ihnen beispielsweise, es handle sich hierbei nur um eine ‘barmherzige Parenthese für Personen, die sich schrittweise den Ordo Missae Pauls VI. zu eigen machen müssen’, oder sie beschränken die Anwendung des Motu proprio auf ‘eine einzige Sonntagsmesse je Monat unter Ausschluss jeder anderen sakramentalen Feier’.
Nun wenden Sie sich also logischerweise an die Kommission Ecclesia Dei, und denken, bei ihr Unterstützung zu finden. Aber wie gross ist Ihre Enttäuschung, wenn Sie deren Antwort hören! Denn seit dem Ausscheiden von Kardinal Mayer stossen Sie nicht nur auf Unverständnis gewisser Ortskirchen, sondern auch auf die Tatenlosigkeit der Kommission. Es kommt sogar vor, dass diese, - statt Ihre Bitte zu genehmigen - was doch ihre eigentliche Aufgabe ist - sie mit unfassbarer Kaltblütigkeit zurückweist. Laut Kardinal Innocenti habe eine Armee von Kirchenrechtlern auf Befragen die Unmöglichkeit erklärt, von einem Recht auf die früheren Riten zu sprechen. Durch sein Motu proprio habe der hl. Vater nur eine Gunst gewährt ... Wir überlassen den Fachleuten die Aufgabe, diese Frage zu entscheiden. Aber auch wenn es nur eine Gunst ist, ist sie nun gewährt worden oder nicht? Wenn ja, wie sollten - von dem Moment an, da der Papst beschlossen hat, den Gläubigen eine weitherzigere Anwendung der Messe von 1962 zu bewilligen, und die Bischöfe gebeten hat, diese Entscheidung zu realisieren, - sich die betroffenen Gläubigen dazu entschliessen können, auf die Nutzung dieser Gunst faktisch zu verzichten?
Doch kommt es noch schlimmer: wir kennen verschiedene Prälaten, die mit der Entscheidung des hl. Vaters, die Kommission Ecclesia Dei zu schaffen, nicht einverstanden waren und deren schnelle Auflösung wünschen. Msgr. O’Sullivan, Bischof von Kerry/Irland, bestätigte dies vor nicht allzu langer Zeit, als er berichtete, was Kardinal Innocenti, der Präsident der Kommission Ecclesia Dei, im Zusammenhang mit einem Gespräch, das er folgendermassen wiedergibt, sagte: ‘Kardinal Innocenti eröffnete die Diskussion, indem er uns sagte, es handle sich um eine nur zeitweilige Kommission, die von sich aus darauf hinarbeite, wieder zu verschwinden.’
Gewiss, wäre die Aufgabe der Kommission erfüllt, so bräuchte diese nur wieder zu verschwinden. Aber worin besteht diese Aufgabe? Nach dem Willen des Papstes handelt es sich doch darum, den ‘Traditionalisten’ seitens derer, ‘die in der Kirche ein Hirtenamt ausüben’, die Achtung ihrer Identität zu sichern, mithin eben dadurch, dass überall (wenigstens in jeder Diözese) die Feier von Messen nach dem überlieferten Ritus der Kirche erlaubt wird. Wollte Kardinal Innocenti etwa dies sagen? Man darf füglich daran zweifeln. Denn wer wäre so naiv zu behaupten, derzeit habe das Motu proprio keine Rolle mehr zu spielen? Der Gedanke des Kardinals lässt sich vielmehr in einem Wort zusammenfassen: Auflösung ...
Die ersten, die unter der Abwesenheit des Sakralen in der Liturgie leiden, sind die Kleinen, die Kinder und die Armen, die nicht in der Lage sind, den Verlust eines solchen Schatzes anderswie auszugleichen. Zeugen dafür sind die zahlreichen Familien, die jungen Leute, die Tausende von Pilgern, die zu Pfingsten nach Chartres marschieren, die Vereinigungen ‘Domus Christiani’, ‘Jeune Chrétienté’ ‘Renaissance Catholique’, ‘Christkönigjugend’, mehrere Pfadfinderbewegungen, vielfältige Laiengruppierungen, die danach streben, mittels der Liturgie wieder ein echtes geistliches Leben zu finden. Aber wenn sie sich nun an ihre Bischöfe wenden, scheinen sie nicht gerade von denen abgewiesen zu werden, die ihre Väter sind? Denn wenn ein französischer Bischof erklärt: ‘Ich verstehe nicht, weshalb Sie sich dem überlieferten Ritus verbunden fühlen’, verkennt er den Reichtum der traditionellen Liturgie und ignoriert, mit welcher Phantasie das, was er selbst ‘erneuerte Messe’ nennt, an vielen Orten gefeiert wird.
Viele dieser ‘erneuerten Messen’ veranlassen einen, die Meinung von Jean Guitton zu teilen, der sich kürzlich in einer Radiodiskussion folgendermassen äusserte: ‘... Die Absicht Pauls VI. im Hinblick auf die Liturgie, im Hinblick auf das, was man gemeinhin die Messe nennt, ist es, die katholische Liturgie so zu erneuern, dass sie fast mit der protestantischen Liturgie zusammenfällt ... Aber was seltsam ist: Paul VI. hat das alles getan, um sich so weit wie möglich dem protestantischen Abendmahl anzunähern ... Aber ich wiederhole: Paul VI. hat alles in seiner Macht Stehende getan, um die katholische Messe - über das Konzil von Trient hinweg - dem protestantischen Abendmahl anzunähern ... Ich glaube nicht, dass ich mich täusche, wenn ich sage, dass die Absicht Paul VI. und der neuen Liturgie, die seinen Namen trägt, darin besteht, von den Gläubigen eine grössere Teilnahme an der Messe zu verlangen, darin, der hl. Schrift einen grösseren Platz einzuräumen, und weniger Platz all dem, was es darin (wie einige sagen) an ‘Magischem’, wie andere sagen, an substantieller, transubstantieller Konsekration gibt, was der katholische Glaube ist; anders gesagt, es gibt bei Paul VI. eine ökumenische Absicht, all das, was es in der Messe an allzu Katholischem im traditionellen Sinn gibt, auszulöschen, oder wenigstens zu korrigieren, oder wenigstens abzumildern, und die katholische Messe, ich wiederhole es, der kalvinistischen Messe anzunähern.’
Wie gewichtig auch immer diese Worte des grossen Freundes Pauls VI. sein mögen, wie sollte man darüber erstaunt sein, dass zahlreiche Gläubige da ‘sichere’ Messfeiern suchen? Manche unter ihnen sind daher versucht, sich der Gründung von Msgr. Lefebvre zuzuwenden. Gewisse Prälaten würden es leider sogar wünschen. Im Grunde würden sie sich wie von einer Last befreit fühlen. Haben wir nicht selbst einen von ihnen sagen hören: ‘Nun, wenn diese Leute ins Schisma gehen wollen, sollen sie doch gehen!’ Soll das Hirtengesinnung sein?
Was uns betrifft, so sind wir nicht versucht, die Kirche zu verlassen, und wir hören nicht auf, sie zu ermahnen, in der einzigen Arche des Heils zu bleiben, denn wir vertrauen auf die Worte unseres Herrn. Doch erinnern wir uns auch an die Versprechungen seines irdischen Stellvertreters: ‘Der Hl. Stuhl will auch einen dringenden Aufruf an die Mitglieder der Priesterbruderschaft St. Pius X. wie an die ihnen verbundenen Gläubigen richten, dass sie ihre Position überdenken und mit dem Stellvertreter Christi vereint bleiben. Der Hl. Stuhl versichert ihnen, dass man alle Massnahmen ergreifen wird, um ihnen ihre Identität in der vollen Gemeinschaft der katholischen Kirche zu garantieren.’
Ist das Experiment der Tradition möglich? Ja, mit der Mitarbeit der Bischöfe, die es akzeptieren, die Entscheidungen des hl. Vaters in ihrer Diözese zu verwirklichen. Die berechtigten Anliegen der Gläubigen können befriedigt werden: das Beispiel der Pfarreien von Saint-Georges in Lyon, Saint-Eugène in Paris und St. Sebastian in Salzburg beweist es.
Daher fordern wir Sie auf, kraftvoll zu kämpfen, ohne leere Polemik, indem Sie, gelegen oder ungelegen, von Ihren Hirten die Aufrechterhaltung der lateinischen liturgischen Tradition in wenigstens einer Kirche je Stadt verlangen, im Namen des klar ausgedrückten Willens des Papstes: ‘Es ist aber erforderlich, dass alle Hirten und übrigen Gläubigen aufs neue nicht nur die Autorität, sondern auch den Schatz der Kirche anerkennen, die sich auf die Vielfalt der Charismen sowie der Traditionen der Spiritualität und des Apostels stützen, und auch die Schönheit der Einheit in der Vielgestaltigkeit bewirken ...”
2. Am 23. Januar 1955 schrieb der weltberühmte französische Dichter Paul Claudel, Mitglied der Académie Française, publiziert in der UVK vom Jan./Febr. 1999, Heft 1, S. 44 f.: “Ganz entschieden möchte ich protestieren gegen den sich in Frankreich immer mehr ausbreitenden Brauch, die Messe mit dem Gesicht zum Publikum hin zu lesen. Die Religion beruht darauf, dass Gott der erste Platz gebührt, und dass das Wohl des Menschen lediglich eine Konsequenz aus der Anerkennung dieses entscheidenden Prinzips und seiner Anwendung im praktischen Leben ist. Die Messe stellt die Huldigung par excellence dar, die wir Gott in dem Opfer erweisen, das der Priester auf dem Altar Seines Sohnes in unserem Namen vollzieht. Wir sind es, die, hinter dem Priester geschart und zusammen mit ihm, vor Gott treten, um ihm hostias et preces, Opfergaben und Gebete, darzubringen. Nicht Gott kommt und präsentiert sich uns als einem gleichgültigen Publikum, das auf die für es bequemste Weise Zeuge beim Vollzug des Mysteriums werden soll.
Die neue Liturgie beraubt das christliche Volk seiner Würde und seines Rechtes. Ist es doch nicht mehr das Volk, das die Messe mit dem Priester feiert, ihr ‘folgt’, wie man sehr richtig sagt. Nicht mehr das Volk, dem sich der Priester von Zeit zu Zeit zukehrt, um sich seiner Gegenwart, seiner Teilnahme und seiner Mitwirkung bei dem Werk, dessen Ausführung er in unserem Namen übernommen hat, zu vergewissern. Vielmehr haben wir es nur noch mit der Neugierde von Anwesenden zu tun, die ihm bei der Ausübung seines Amtes zuschauen. So wird es den Gottlosen leicht gemacht, ihn mit einem Taschenspieler zu vergleichen, der seine Nummer abzieht inmitten einer ihn höflich staunend umgebenden Runde. Gewiss trifft es zu, dass sich bei der traditionellen Liturgie ein grosser, rührender, ergreifender Teil des Heiligen Opfers den Blicken der Gläubigen entzieht, nicht aber ihren Herzen und Ihrem Glauben. Das ist so wahr, dass der Subdiakon bei den feierlichen Hochämtern während der ganzen Opferung am Fuss des Altares mit der linken Hand das Gesicht verdeckt. Auch wir werden dadurch aufgefordert, zu beten, in uns selber einzukehren. Nicht zur Neugierde ermahnt uns diese Gebärde, sondern zur Sammlung.
In allen orthodoxen Riten vollzieht sich das Wunder der Wesensverwandlung von den Gläubigen ungesehen hinter der Ikonostase (Bilderwand. Red.). Erst danach erscheint der Zelebrant auf der Schwelle der Heiligen Pforte, Christi Leib und Blut in den Händen tragend.
Ein Überbleibsel dieser Vorstellung ist in Frankreich lange erhalten geblieben, indem man die alten Euchologien - die Kanongebete nicht übersetzte. Dom Guéranger hat energisch gegen jene Leichtfertigen protestiert, die gegen dieses Verbot verstiessen.
Der derzeitige, beklagenswerte Brauch hat das altehrwürdige Zeremonial zur grössten Verwirrung der Gläubigen völlig durcheinander gebracht. Es gibt keinen Altar mehr. Wohin ist jener geweihte Block entschwunden, mit dem die Geheime Offenbarung Christi Leib selber vergleicht? Da steht nur noch ein undefinierbares, mit einem Tischtuch bedecktes Gestell, das schmerzlich an die kalvinistische ‘Hobelbank’ erinnert. Im Sinne der zum Prinzip erhobenen Bequemlichkeit der Gläubigen galt es, besagten Tisch so weit wie möglich von seinem sperrigen ‘Zubehör’ zu befreien: Und zwar nicht nur von Leuchtern und Blumenvasen, sondern auch vom Tabernakel, ja sogar vom Kruzifix! Der Priester liest seine Messe ins Leere! Wenn er das Volk auffordert, sein Herz und seine Augen zu erheben, muss man sich fragen: wohin? Gibt es doch über uns nichts mehr, das der aufgehenden Sonne als Blickfang dienen könnte!
Behält man Leuchter und Kruzifix bei, ist das Volk in noch höherem Masse ausgeschlossen als bei der überlieferten Liturgie. Wird doch damit nicht mehr nur die Zeremonie seinen Blicken entzogen, sondern auch der Priester selber.
Offenbar darf man von den Leuten keinerlei geistige Anstrengung mehr verlangen, und es erscheint als unvermeidlich, ihnen die erhabensten Mysterien ins Angesicht zu schleudern. Daher würde ich mich - voll grosser Bekümmernis - damit abfinden, dass die Messe auf die ursprüngliche Form des Abendmahls zurückgeführt wird. Doch dann heisst es, das gesamte Rituale zu verändern. Was für eine Bedeutung haben dann noch jene Dominus vobiscum, jenes Orate Fratres eines von seinem Volk getrennten Priesters, der nichts von diesem zu verlangen hat? Welche Bewandtnis haben noch jene prachtvollen Gewänder der von uns delegierten Gesandten und das Kreuz auf ihrem Rücken, das nun der Gottheit zugekehrt erscheint? ...”
Fortsetzung folgt