In der Kathedrale von Salamanca, Spanien, wird bis Dezember eine realistische Skulptur des Körpers Christi ausgestellt, die auf dem Grabtuch von Turin basiert.
Mit Latex und Silikon hat der Künstler Álvaro Blanco eine volumetrische und hyperrealistische Nachbildung des gekreuzigten Körpers geschaffen. Sie enthält menschliches Haar, wiegt 75 Kilo und ist 1,78 Meter groß.
Neben der Statue informiert die Ausstellung auch über das Leben Christi und Studien zum Grabtuch.
Was das mutmassliche Alter des Tuches betrifft, so weiss darüber die Textilrestauratorin Dr. Mechthild Flury-Lemberg Relevantes zu sagen, die 2002 bei der Restaurierung in Turin mitgewirkt hatte, das Objekt also aus eigener Anschauung kennt. Erstens hat sie festgestellt, dass die Art der Nähte, mit der der seitliche Streifen mit dem Tuch verbunden ist, korrespondiert mit Nähten von Textilien, die im Herodianum bei Ausgrabungen gefunden wurden. Zudem ist bekannt, auf welche Art das Tuch seit seinem Erscheinen in Lirey gefaltet wurde. Es gibt aber Spuren von Faltungen, die älter sein müssen. Zudem gibt es auch zwei Arten von Wasserflecken. Die einen stammen vom bekannten Brand in Chambéry, die anderen beruhen auf einer alten Faltung, die in der Art eines Zickzackmusters erfolgte, so wie es auch römischer Zeit Darstellungen und Reliefs gibt, welche in dieser Art gefaltete Tücher zeigen. Damit verbindet sich die Annahme, dass das Tuch in jener Phase in einem wasserfesten Tongefäss aufbewahrt wurde, in das Wasser eindrang, welches von unten her aufgesogen wurde und so diese kleineren, sich im Rapport wiederholenden Wasserflecken verursachte. - Diese Erkenntnisse der Restauratorin Lemberg-Flury können vielleicht ein Denkansatz sein für Oenipontanus und die These, dass das Tuch nicht älter sein könne als jene Zeit bei seinem Auftauchen in Frankreich.
@Seidenspinner Ich kann nachfühlen, dass der Realismus der 3D-Darstellung Unbehagen auslöst. Als Lehrperson mit Abschluss in Kunstgeschichte möchte ich allerdings zu bedenken geben, dass die Ikonographie nicht "eigene Regeln erfunden" hat. Vielmehr bemühte sie sich, das erhaltene Wissen möglichst getreu zu überliefern. Dabei stellte sich mit der Zeit eine gewisse Stilisierung ein, die, weil es sich um Betrachtungsbilder handelte, auch weiter symbolhaft aufgeladen und interpretiert wurden, was wiederum die Darstellung etwas in diese Richtung verschoben hat. Es gibt eine sehr plausible These, dass das Tuch bei seinem hypothetischen Aufenthalt in Konstantinopel die Ikonografie auch wieder beeinflusst hat. Ich meine die Darstellung des leidenden Christus, dessen Beine in einem Grab stecken, und dessen aufrechter Oberkörper die typische Armhaltung des Turiner Grabtuchs zeigen mit den überkreuzten Händen. Auch da ist bemerkenswert ein gewisser Realismus, der dann auch in gotischen Kreuzigungsdarstellungen Eingang gefunden hat, wenn wir sie mit Kreuzesdarstellungen aus der Romanik vergleichen. Gerade die explizite Darstellung der Wunden Jesu sollte den Betrachtern ermöglichten, mit dem Herrn geistig mitzuleiden. Übrigens gibt es eine These, wonach schon die grossen romanischen Kreuzskulpturen nach dem Modell des Gero-Kreuzes in Köln zurückgehen auf das Vorbild des Grabtuches, da das Gero-Kreuz mit den Abmessungen des Leichnams zu korrespondieren scheint. Ich will mich da nicht auf die Äste hinauslassen, sondern damit nur zeigen, dass neu erkannte historische Fakten von Zeit zu Zeit auch Einfluss genommen haben auf traditionelle ikonografische Traditionen. Was wir feststellen ist eine gewisse darstellerische Pendelbewegung: auf der einen Seite wurde das bekannte Erbe in der Ikonographie sorgfältig kopiert, andrerseits haben neue Erkenntnisse historischer Fakten (oder die zumindest als solche wahrgenommen wurden) die Ikonographie auch wieder beeinflusst. Die aktuelle 3D-Darstellung steht also perfekt in dieser Reihe, als Ausdruck für die Bildsprache unserer Zeit. Meine Meinung: Wenn sie vermag, Menschen, die den traditionellen Kruzifixen wenig abgewinnen können, zu berühren zum Nachdenken und letztlich zum Glauben an die Botschaft des Evangeliums zu bringen, so sollte man dem Gnadenwirken Gottes keine Steine in den Weg legen. Es ist halt nicht für alles für alle von derselben Bedeutung.
Ich finde, dass eine Geschichte mehr Facetten und Nuancen hervorruft, wenn diese erzählt oder gelesen wird. Beim Betrachten eines Filmes hingegen wird der Zuschauer viel mehr festgelegt. Das Geheimnisvolle verschwindet leicht hinter den vorgegebenen Bildern. Deswegen finde ich Heiligenromane viel ansprechender und anrührender, als Heiligenfilme. Dies ist bei solchen Darstellungen s.o. ganz ähnlich. Je realistischer die Darstellungen, desto weniger Raum existiert, um ein inneres Bild entstehen zu lassen.
Muss man das wirklich immer und immer wieder nachbilden. Diejenigen die es bisher nicht geglaubt haben werden es auch zukünftig nicht glauben. Finde es würdelos ....!
@Oenipontanus Hier gerne ein Link zur persönlichen Weiterbildung: Shroud of Turin Facts Check: Carbon 14 Dating Biggest Mistake Auszug daraus: Walter McCrone hat nicht bewiesen, dass Shroud ein gemaltes Bild von Jesus war. Und die Behauptung von Bischof Pierre d'Arcis (1389), ein Künstler habe gestanden, das Bild von Jesus auf das Leichentuch gemalt zu haben, ist falsch. Die moderne forensische Wissenschaft beweist sowohl McCrone als auch d'Arcis das Gegenteil. McCrone war der einzige Wissenschaftler, der diese Behauptung aufstellte. Jeder andere Wissenschaftler, der die Bildfasern getestet und analysiert hat, widerspricht McCrone. Darüber hinaus wird McCrones Arbeit nicht von Experten begutachtet und kann nicht wissenschaftlich reproduziert werden. Und obwohl es stimmt, dass d'Arcis eine solche Behauptung aufstellte, wurde er von seinen eigenen Kollegen angezweifelt. Historiker bezweifeln auch, dass er ehrlich war. Gut dokumentierte chemische und spektrale Analysen beweisen, dass die Bilder des Leichentuchs nicht gemalt wurden.
@Oenipontanus Ich schätze es, dass Sie die Exegese sehr ernst nehmen. Aus den exegetischen Deutungen, die mir bis jetzt vorlagen, hatte ich stets den Eindruck gewonnen, dass die Texte so offen sind, dass sie ein Begräbnis in der Art des Turiner Grabtuchs durchaus zulassen, plus auch ein Sudarion von Oviedo, welches nach neueren Untersuchungen als eine Art Komplementärreliquie von der Kreuzabnahme erscheint. Deshalb würde mich Ihre Argumentation interessieren. (Nachtrag: Ich sehe gerade, dass Sie darauf bereits geantwortet haben. Danke, ich werde mir dazu meine Gedanken machen.)
@Oenipontanus Erlauben Sie mir, dass ich Ihre These, wonach sich die meisten Echtheitsverteidiger einer petitio principii schuldig machen, indem sie das zu Beweisende einfach als gegeben voraussetzen, infrage zu stellen. Gewiss gibt es diese Erscheinung, aber ich würde dies nicht verallgemeinernd behaupten. (Mit Verlaub: Prüfen Sie sich, ob Sie Ihrerseits völlig frei davon sind, aber um zu dieser Offenheit zu kommen, müssten zuerst exegetische Grundlagen geklärt werden.) Für mich persönlich ist ein starkes Indiz dafür, dass das Turiner Grabtuch mindestens ins zwölfte Jahrhundert zurückgehen muss, die Illustration im Codex Pray in der Nationalbibliothek in Budpest. Die Enstehung dieses Codex wird üblicherweise auf etwa 1192 geschätzt, variert aber auch je nach Quelle. Jedenfalls muss er älter sein als das Auftauchen des Grabtuches in Lirey 1355/57. Die Darstellung weist verschiedene explizite Merkmale auf, die für das Turiner Grabtuch typisch sind: 1. Der Tote ist völlig nackt. 2. Die Haltung entspricht jener des TG. 3. Es wird ein grosses Tuch in der Art des Grabtuchs verwendet. 4. Bei der unteren Darstellung wird ein Muster angedeutet, das starke Assoziationen mit der Körperbindung des TG (Fischgrätmuster) aufweist. 5. Die wohl stärkste Verbindung ist aber die Darstellung von vier kleinen Kreisen in der Anordnung eines L, wie sie auf dem TG zu sehen sind und sich durch die Faltung wiederholen. Dieses Merkmal, welches für die Darstellung keinen erkennbaren Sinn ergibt, wird aber bedeutsam unter der Voraussetzung, dass genau dieses Tuch damals existierte und der Künstler direkt oder indirekt Kenntnis hatte von jenen Merkmalen des Grabtuchs. Argumente 1 - 4 könnten auch durch Bildtraditionen erklärt werden. Punkt 5 wäre aber zu spezifisch, als es damit zu erklären. Im übrigen hat die Textilrestauraton Mechthild Flury festgestellt, dass, obwohl diese vier sich repetierenden kreisrunden L-Löcher in der Literatur of als "Brandlöcher" bezeichnet werden, keine solchen sind. Vielmehr handle es sich um die Auswirkungen einer Flüssigkeit, die auf das Tuch tropfte und sich durch ihre säurehaltige Zusammensetzung mit der Zeit durch die Schichten frass, so dass diese Löcher die Folge waren.
Bistum Salamanca stellt "hyperrealistische" Christus-Figur aus: Es zeigt eine Christus-Figur, die den Körper nachbildet, der auf dem Grabtuch zu erkennen ist.
Noch immer steht das Grabtuch als Folge der inzwischen längst überholten C-14-Altersbestimmung von 1988 als ein Fake aus dem Mittelalter in der Kritik. Man fragt sich zu Recht, über welch exakten anatomischen Kenntnisse ein hypothetischer Fälscher zu jener Zeit verfügt haben müsste, damit eine solche hyperrealistische Darstellung überhaupt möglich war. Dazu käme Detailwissen um den Ablauf einer römischen Geisselung und über eine Hinrichtung am Kreuz. Das ist aber nicht alles: Der Fälscher hätte auch über eine geheime Fälschungstechnik verfügen müssen, um bis heute die besten Wissenschaftler aus unzähligen Disziplinen zu täuschen. Für sein Artefakt hätte ein solcher Fälscher ein antikes Tuch aus Palästina beschaffen müssen. Die Schweizer Textilrestauratorin Mechthild Flury-Lemberg von der Abegg-Stiftung Riggisberg fand heraus, dass die Nähte des angehefteten seitlichen Streifens mit Funden aus der Herodes-Festung Massada korrespondieren. Ehrlich gesagt, ich Kleingläubiger habe keinen so grossen Glauben, um an einen solch genialen Fälscher wirklich glauben zu können, der einen überragenden Erfinder wie Leonardo da Vinci hätte erblassen lassen. Sherlock Holmes meinte zu solchen Fällen lapidar: „Wenn Du das Unmögliche ausgeschlossen hast, dann ist das, was übrig bleibt, die Wahrheit, wie unwahrscheinlich sie auch ist.“ The Adventure of the Beryl Coronet / Sherlock Holmes „When you have excluded the impossible, whatever remains, however improbable, must be the truth.“
"Ehrlich gesagt, ich Kleingläubiger habe keinen so grossen Glauben, um an einen solch genialen Fälscher wirklich glauben zu können, der einen überragenden Erfinder wie Leonardo da Vinci hätte erblassen lassen."
@Elista wollte in diesem Moment denselben Satz herauskopieren, weil er mich ins Herz getroffen hat: "Ehrlich gesagt, ich Kleingläubiger habe keinen so grossen Glauben, um an einen solch genialen Fälscher wirklich glauben zu können"
Ja, vollkommen richtig. Ein Fälscher hätte damals ein absolut geniales Genie sein müssen und zudem hätte er auch noch hellseherische Fähigkeiten gebraucht, denn wie sonst hätte er schon damals, den Stand der heutigen Wissenschaft kennen können. Wie sonst hätte er wissen können, das er bei einer angenommenen Fälschung, damals auf die Beschaffenheiten des verwendeten Materials hätte achten müssen, des Alters des Materials, die Verarbeitungsmethoden des Gewebes, die Blutgruppe des Blutes, das auf dem Tuch haftete, usw, usw. Alles Indizien, bei denen damals niemand wusste, das sich das irgendwann einmal, wissenschaftlich exakt nachweisen lassen würde