Kardinal Sarah und die Zelebration ad orientem
6. Juli 2016
Schweigendes Handeln des Herzens www.occidens.de/chronica/liturg4.htmEin Vortrag Kardinal Sarahs bei der Tagung „Sacra Liturgia UK 2016“ erregte soeben
Aufmerksamkeit, weil der Kardinal, Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung und von Papst Franziskus mit einer Reform der Reform der Liturgie nach dem II. Vaticanum beauftragt, die Priester aufforderte,
ad orientem zu zelebrieren.
Doch das ist nur ein neuer Schritt des Kardinals auf die Erneuerung der Liturgie hin. Vor mehr als einem Jahr, am 12. Juni 2015, veröffentlichte er im Osservatore Romano einen Aufsatz, der nicht nur Aufforderungen zu guter Zelebration enthielt, sondern das Wesen der Liturgie zu erklären wußte und sich dabei auf die Liturgiekonstitution des II. Vatikanum berief. Dabei zeigte er, was auch
unser Anliegen ist, daß der heutige liturgische Usus sich durchaus nicht auf diese Konstitution stützen kann.
Dieser Text scheint wenig bekannt geworden zu sein. Im Netz konnte ich ihn nur an ganz wenigen Stellen finden, aber immerhin bei www.chiesa – allerdings ist er dort nicht in der
Jahresübersicht enthalten und, anders als sonst, nur auf Italienisch.
Darum sei hier sehr dazu eingeladen,
diesen Artikel zu lesen; als Kostprobe einige Sätze daraus auf Deutsch:
Wie unser Papst Franziskus vor kurzem in Erinnerung gerufen hat, ist der Zelebrant nicht der, der ein Schauspiel präsentiert, er darf nicht die Sympathie der Versammlung suchen, indem er sich vor ihr aufstellt wie ihr Hauptunterhalter. Einzutreten in den Geist des Konzils bedeutet im Gegenteil, sich zu verleugnen, dessen zu entsagen, der Brennpunkt zu sein.
Im Gegensatz dazu, wie manches Mal behauptet worden ist, stimmt es völlig mit der Konzilskonstitution überein, ist es geradezu günstig, daß sich während des Bußritus, des Gesangs des Gloria, der Gebete und des eucharistischen Gebets alle, Priester und Gläubige zusammen nach Osten wenden, um ihren Willen auszudrücken, am Werk des Gottesdienstes und der von Christus vollbrachten Erlösung teilzunehmen.
...
Eine zu schnelle und vor allem zu sehr rein menschliche Lesart hat zu dem Schluß geführt, es sei notwendig, dafür zu sorgen, daß die Gläubigen ständig beschäftigt seien. Die gegenwärtige westliche Mentalität, geprägt von der Technik und fasziniert von den Medien, hat aus der Liturgie ein Werk der Pädagogik, wirksam und ertragreich, machen wollen. In diesem Geist hat man die Zelebrationen zu gestalten gesucht. Die liturgischen Akteure, beseelt von pastoralen Motiven, versuchen manchmal ein didaktisches Werk zu vollbringen, indem sie in die Zelebrationen profane und showartige Elemente einführt. ... Man glaubt, so die Teilnahme der Gläubigen zu fördern, während tatsächlich die Liturgie zu einem rein menschlichen Spiel reduziert wird.
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Man läuft wirklich Gefahr, in unseren Zelebrationen Gott keinen Platz zu lassen. ... Es ist Zeit, dem Konzil Gehör zu schenken. Die Liturgie ist «hauptsächlich Cultus, Dienst an der göttlichen Majestät» (n. 33). Sie hat pädagogischen Wert in dem Maße, in dem sie völlig hingeordnet ist auf die Verherrlichung Gottes und auf den göttlichen Cultus, den Gottesdienst. Die Liturgie stellt uns wirklich in die Gegenwart der göttlichen Transzendenz. Teilnahme aber bedeutet, in uns jenes Erstaunen zu erneuern, das der heilige Johannes Paul II. so sehr im Blick hielt (vgl. „Ecclesia de Eucharistia“, n. 6). Dieses heilige Erstaunen, diese freudige Furcht verlangt unser Schweigen angesichts der göttlichen Majestät. Oft wird vergessen, daß das heilige Schweigen eines der vom Konzil angegebenen Mittel ist, die Teilnahme zu fördern.
Wenn die Liturgie das Werk Christi ist, ist es da nötig, daß der Zelebrant dort die eigene Kommentare einbringt?
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In diesem Sinn ist es beklagenswert, daß das Heiligtum, der Altarraum unserer Kirchen kein Ort ist, der strikt dem Gottesdienst vorbehalten bleibt, daß man dort eindringt in profaner Kleidung, daß der heilige Raum durch die Architektur nicht klar abgegrenzt ist. Da, wie das Konzil lehrt, Christus in seinem Wort, wenn es vorgetragen wird, anwesend ist, ist es gleichermaßen zerstörerisch, wenn die Lektoren keine angemessene Kleidung tragen, die zeigt, daß sie keine menschlichen Worte vorlesen, sondern ein göttliches Wort.
Und zum Schluß wünscht der Kardinal noch, das «in eine der nächsten Ausgaben des Missale der Bußritus und die Opferungsgebete des „usus antiquior“» eingefügt werden.