@a.t.m. ; Was Ratzinger das schreibt, ist richtig, aber nicht vollständig! Seine Worte beziehen sich eigentlich eher auf die hörende Kirche, wozu auch einfache Pfarrer und Priester gehören. Was einen Papst und die mit ihm verbundenen Bischöfe angeht, so können die Gläubigen aber keine formelle Häresie feststellen.
Also bleibt nur die Wahrnehmung und Konstatierung eines Aktes der absoluten Temerität: d.h. der vermessene Versuch der Deklaration eines Gegendogmas gegen eine bereits dogmatisierte Glaubenslehre im Sinne eines kontradiktorischen Widerspruches. Z. B.: Christus ist auferstanden - Christus ist nicht auferstanden! Der vernünftige Glaubensakt der hörenden Kirche muß dem philosophischen Widerspruchsgesetz genügen, d.h. ein und derselbe Sachverhalt kann nicht zugleich wahr und falsch sein! Das wird genauso verteidigt von Kleutgen, der immerhin mit Franzelin für Pius IX. das Unfehlbarkeitsdogma formulierte. Ebenfalls ist de Lugo SJ hier zu nennen. Laut Scheebens Dogmatik (man findet sie auf "archive.org"), gilt die Unfehlbarkeit des Papstes bzw. der lehrenden Kirche für diejenigen Gegenstände, über welche das Lehramt noch nicht peremptorisch entschieden hat. Zwar hielt Scheeben einen solchen Fall für sehr unwahrscheinlich, er würde aber nicht gegen das Unfehlbarkeitsdogma verstoßen, denn die Unfehlbarkeit gilt für Entscheidungsprozesse, worüber noch nicht entschieden wurde. Der kontradiktorische Widerspruch gegen ein bereits erklärtes Dogma als Akt der Vermessenheit ist also nicht gegen das Dogma der Unfehlbarkeit. Ebenfalls hielten die Emendatoren des I. vatikanischen Konzils (das sind Experten eines Konzils, die unter dem Moderator Anfragen des Plenums beantworten) einen solchen Fall als nicht gegen das Dogma der Unfehlbarkeit gerichtet. Wie Scheeben fanden sie es nur recht wenig wahrscheinlich. Siehe hierzu,
Mansi Band 52, Kolumne 1109. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, daß die hörende Kirche dem vermessenen Träger des Lehramtes keine formelle Häresie nachweisen muß, sondern lediglich den Widerspruch zum bisherigen konstatiert, sei es, weil der Papst wirklich Häretiker wurde, wahnsinnig, ungebildet, oder drogensüchtig.