@John Sotow, die Zitate beider Heiligen Kirchenlehrer sprechen mE eine seinerzeit (mangels konkreter Anlassfälle) abstrakte, allgemeine Thematik an, nämlich, ob es die Möglichkeit eines ketzerischen/häretischen Papstes gäbe, und was die Kirche in einer solchen Situation tun müsse. Nach dem Heiligen Franz von Sales falle ein ketzerischer Papst ipso facto aus seiner Würde und aus der Kirche heraus, und die Kirche müsse ihn entweder seines Apostolischen Stuhls berauben oder, wie manche sagen, für beraubt erklären. Der heilige Robert Bellarmin meinte ebenfalls, dass der Papst-Ketzer nicht ipso facto abgesetzt wird, sondern muss von der Kirche für abgesetzt erklärt werden."
Heute, so sehe ich es, ist diese Thematik durch den gegenwärtigen Inhaber des Stuhles Petri hochaktuell geworden. Im Wesentlichen werden folgende Meinungen vorgebracht:
1. 1. die Katholische Kirche habe mit dem VK II ihr Ende gefunden, und es gäbe daher (in Rom) sowieso keinen rechtmäßigen Papst mehr (interessanterweise stimmen sie mE – ob sie es wissen oder nicht, stelle ich einmal außer Debatte - mit der Meinung der sogenannten MDM-Sekte überein, wonach Gott die Schlüssel zum Himmelreich zurückgenommen habe);
2. 2. Bergoglio sei gar nicht Papst, weil er nicht rechtmäßig gewählt worden sei;
3. 3. Die Amtsgeschäfte als Papst ruhten;
4. 4. Papst Franziskus sei ein Häretiker und habe seine Schüsselgewalten eo ipso sowieso verloren;
5. 5. er gehöre abgesetzt.
Zu den Punkte 1 und 2 habe ich schon in diesem Forum meine Ansicht zum Ausdruck gebracht und bleiben daher außen vor.
Zu den in den Punkte 3 bis 5 angesprochenen Ansichten ergeben sich unter Bedachtnahme des geltenden kanonischen Rechts – und das ist hoffentlich nach einschlägiger Ansicht hinreichend klar - meine Antworten, die sich aber im Hinblick auf die technische Begrenztheit dieses Forums nur auf eine oberflächliche Reflexion stützten können und sie lauten: Nein, von einem Ruhen der Amtsgeschäfte (Punkt 3) kann einmal keine Rede sein! Grundlage meiner Einschätzung sind primär KKK 882 und 883 in Zusammenschau mit Can 331, 332 § 2, 333 § 2 CIC. Danach unterliegt der
Römische Bischof kraft seines
Amtes,
nämlich als irdischer Stellvertreters
Christi und
Hirten der
ganzen Kirche, grundsätzlich keiner, die irdische Leitungsgewalt betreffende Einschränkung. Ein Ruhen-Lassen von (allen oder nur einigen) Amtsgeschäften ist nach den Wortlauten dieser Bestimmungen ausgeschlossen, lediglich ein Verzicht – wie die schmerzliche Vergangenheit ja zeigt - von allen Amtsgeschäften möglich (Can 332 § 2 CIC).
Diese Bestimmungen gewähren einem Papst bei zunächst oberflächlicher Betrachtung eine uneingeschränkte Kompetenz, über Menschen und Seelen (über das forum internum und forum externum) nach Belieben zu verfügen, und es nimmt daher nicht Wunder, dass der Widersacher nicht nur seinen Rauch in die Katholische Kirche hineinzubringen, sondern auch den Stuhl Petri durch einen Getreuen (nennen wir ihn: falschen Propheten) zu besetzen sucht. Dass ihm dieses Ansinnen gelingen wird, das hat auch schon Christus selbst angenommen, denn sonst wäre die Wortfolge, „und die Pforten der Hölle werden sie (die von ihm gestiftete Kirche) nicht überwinden“, ja logischerweise entbehrlich gewesen.
Das berührt aber gleichzeitig auch die Frage, ob die „Herrschaft des Inhabers des Stuhles Petri (Bischofs von Rom) tatsächlich völlig unbegrenzt ist? Auch diese Frage kann mit „nein“ beantwortet werden, zumal sich aus sich Can 1752 CIC und der göttlichen Offenbarung Einschränkungen ergeben. Zum Einen legt die genannte CIC-Bestimmung – mE als sogenannte „escape-Klausel“ - das Seelenheil als das höchste Gesetz fest und bedroht demnach jedes Amtsgeschäft (Handlung), das (die) dem Seelenheil zuwiderläuft (zuwiderlaufen), mit Anfechtbarkeit und/oder mit Nichtigkeit und Sanktionen, etwa auch mit einer Exkommunikation. Das Problem dabei ist allerdings, dass eine solche Widrigkeit (Nichtigkeit) von einer kirchlichen Institution - für Bischöfe oder Kardinäle ist der Papst darüber zu befinden zuständig - festgestellt werden muss, wofür aber – aktuell –, wenn der Papst selbst der Urheber der Widrigkeit ist, kein Rechtsinstitut vorgesehen ist; derartiges bleibt demnach verfolgungs- und sanktionslos.
Dasselbe gilt mE im Übrigen auch für den Fall, dass ein Papst offensichtlich eine Häresie verbreitet und/oder ein Schisma bewirkt (Punkte 4 und 5) und dadurch - nach Meinung mancher profunder Theologen - ipso facto aller Leitungsgewalt verlustig werden würde. (vgl die in diesem Zusammenhang erfolgten Ausführungen des Jesuiten Robert Bellarmin, der zur Häresie und deren Auswirkung auf die Jurisdiktionsgewalt erklärte: „Papa haereticus est depositus“) Im Übrigen lehren auch andere Kirchenväter und Kirchenlehrer, wie zB der Heilige Franz von Sales, ein Zeitgenosse des Heiligen Bellarmin, dass „offensichtliche Häretiker unmittelbar jegliche Jurisdiktion verlieren“. Nach Arnaldo Vidigal entfernen sich Häretiker selber von der Kirche, und es verbleibe deshalb keine geistliche Gewalt über jene, die in der Kirche verbleiben. Vidigal spricht hier nur die „geistliche Gewalt“, weswegen ich daraus schließe, dass auch er nicht von einer rechtlichen Möglichkeit einer Absetzung ausgegangen ist.
Auch wenn man davon ausgeht, dass offensichtliche Häretiker, die Kirche verlassen, bedarf es mE nach geltendem kanonischen Recht doch einer Institution, die die Häresie oder das Schisma von Amts wegen feststellt, und erst mit einer amtlichen Feststellung die Straffolge des Verlustes jeglicher (Schlüssel)Gewalt „ipso facto“ in Rechtskraft erwächst. Das Kirchenrecht enthält also – ungeachtet dessen, ob das manchen Papstkritiker gefällt oder nicht - keine Regelung, daher gilt das oben Geschriebene, dh, es bleibt (bis dato) amtlich verfolgungs- und sanktionslos und ein papa häreticus bleibt (legal in seiner Jurisdiktionsgewalt) im Amt – ob auch in moralischer (legitimer) Autorität, stelle ich in Abrede, zumal meines Erachtens auch die göttliche Offenbarung, zB Apostelgeschichte 5,29, eine „escape-Klausel“, wonach wir Gott mehr gehorchen sollen als den Menschen, festlegt. Gott ist der Herr der Welt, er hat uns gemacht und deshalb darf er uns auch sagen, was wir tun sollen. Und wenn Gott uns etwas – im forum internum - sagt, dann ist es auch das Beste für uns, weil er uns liebt und alle Gebote, die er uns gegeben hat, sehr gut sind. Er möchte uns helfen und uns vor Fehlern schützen. Aus all dem folgt mE, dass eine dem Can 1752 CIC widerstreitende oder häretische oder schismatische päpstliche Anordnung zwar für das forum externum (sie gehört daher dem aktuellen Rechtsbestand an), nicht aber für das im forum internum Verbindlichkeit hat.
Hier erlaube ich mir einen dritten Heiligen zu benennen, den Heiligen John Henry Newman, der gesagt hat, „wenn ich einen Toast ausprechen müsste, dann auf den Papst, zuvor aber noch auf das Gewissen“.
Zum Schluß: Ich bin mir sicher, dass die Möglichkeit besteht, dass ein nicht seinen Aufgaben gerecht werdender Mann sogar mit Zulassung des Heiligen Geistes zum Papst gewählt werden kann, um unseren Glauben zu prüfen, dass aber Gott, um einen unheilvollen Papst in seine Grenzen zu weisen und Seelen zu retten, bei gegebener Zeit selbst, wie er verheißen hat, eingreifen wird. Die Frage stelle sich mir nur, wann das im Anlassfall sein wird?