Sollen Priester zur Priesterbruderschaft Pius X. überwechseln? Von Prälat N.N.
Zum Abschluß unseres Treffens möchte ich noch auf eine Frage eingehen, die mir einige von euch gestellt haben, und von der ich weiß daß sie viele Priester in unseren Diözesen und Ordensgemeinschaften, auch weit über unsere Landes- und Sprachgrenzen hinaus, derzeit umtreibt: Könnte ein Wechsel zur FSSPX ein Ausweg aus einer als zurecht unerträglich empfundenen Sackgasse sein, in die uns die Kirchenführung derzeit treibt?
Nicht nur die Gläubigen ziehen scharenweise zur Piusbruderschaft, sondern auch die Priester. Allein in Polen sind neulich 13 Priester zur Bruderschaft gewechselt, in Wien hat die italienische Kongregation ihre zentralst gelegene Kirche, die einer Kathedrale gleicht, der Piusbruderschaft geschenkt, Bischöfe nehmen ihren Alterssitz bei der FSSPX und arbeiten aktiv in dieser mit, zahlreiche Ordenspriester, teils mit wichtigen Funktionen in ihrem Orden, nähern sich der Piusbruderschaft immer mehr an und treten schließlich ganz zu ihr über. Was ist von solchen Übertritten zu halten? Soll man dies tun?
Ich möchte diese eure Frage so konzise und systematisch wie möglich beantworten, und sie deshalb in zwei Teilfragen unterteilen, und die zweite Teilfrage dann nochmals in zwei weitere Teilfragen aufspalten.
Zunächst einmal ist die Frage aufzutrennen in: 1) KANN man als Priester (ruhigen Gewissens) zur FSSPX wechseln, und 2) SOLL man als Priester zur FSSPX wechseln?
1) KANN man zur FSSPX wechseln?
Diese Frage ist eindeutig mit ja zu beantworten. Denn in der Bruderschaft findet ein Priester alles was er sich eigentlich wünscht bzw. wünschen sollte: ein wahrhaft katholisches Umfeld, eine gesunde Lehre, erfüllende Aufgaben, die auch seinen Talenten entsprechen, und vor allem: seine Hauptaufgabe ist tatsächlich die Darbringung des heiligen Meßopfers in seiner erhabensten, unverkürzten Form.
Kurz: er wird gerade in seinem Priestersein geschätzt und gefordert. Er darf ungeniert katholisch sein, ohne Abstriche. Die Liturgie ist gottzentriert und entspricht in Wort und Gestus ihrem eigenen Wesen, die Lehre ist rein und unverfälscht, die Rettung der Seelen steht im Vordergrund und ist zentraler Bestandteil aller seiner Aufgaben. Der Priester muß keine faulen Kompromisse in seiner Katholizität eingehen und darf seinen Glauben sozusagen frei und ohne die Zwänge politischer Korrektheit ausleben.
Kurz gesagt: nirgendwo anders läßt es sich so „unverschämt katholisch“ sein wie in der FSSPX. Die fehlende Anerkennung durch den Heiligen Stuhl ist eigentlich nur ein psychologisches Druckmittel, das nur so viel Wirkung hat wie man ihm beimißt, eine Formalität, die dem katholischen Inhalt keinen Abbruch verleiht. Der Priester muß sich entscheiden was ihm wichtiger ist: Name, Status, Etikett und Form – oder der Inhalt.
Diese Entscheidung muß jeder von euch selber treffen. Aber weder sündigt man, wenn man der FSSPX beitritt, noch fällt man aus der Kirche heraus oder vom Glauben ab – ganz im Gegenteil: es ist ein Zeichen der Standhaftigkeit und der Glaubenstreue. Von daher „kann“ man durchaus zur FSSPX wechseln.
2) SOLL man zur FSSPX wechseln?
Wie angekündigt ist auch diese Frage in zwei weitere Aspekte zu untergliedern: nämlich in einen „innerlichen“ und in einen „äußerlichen“ Wechsel zur Priesterbruderschaft St. Pius X.
2 a) Soll man innerlich zur FSSPX wechseln?
Es gibt für einen Katholiken keine wirkliche Alternative als jene, die theologischen Positionen der FSSPX anzunehmen. Das gilt auch und in aller erster Linie für Priester.
Das muß erklärt werden: „innerlich zur FSSPX“ wechseln ist gleichbedeutend mit „zur traditionellen Theologie und Liturgie gelangen“, d.h. ihre Positionen zu teilen. Wer katholisch ist, denkt in religiösen Belangen eben wie die Piusbruderschaft.
Das Merkmal der FSSPX ist das, daß sie keine eigene Theologie entwickelt hat, die „typisch Pius“ wäre, sondern „typisch Pius“ ist einfach das, was immer allen Bistümern und Orden, bei aller Unterschiedlichkeit, gemeinsam als selbstverständlich galt: den überlieferten, katholischen Glauben zu wahren, zu festigen und zu verteidigen und ihn auch aktiv umzusetzen.
Die FSSPX hat nicht Eigenes entwickelt, sondern trägt einfach das Allgemeine weiter. Das, was früher niemandem aufgefallen wäre, weil es selbstverständlich und allgemein war, ist in der Novus-Ordo-Kirche leider zum Besonderen, sozusagen zum Alleinstellungsmerkmal geworden.
Im Gegensatz zu Orden oder Movimenti hat die FSSPX kein „Charisma“, wie man oft oberflächlich sagt, sondern sie ist einfach ganz normal und unaufgeregt katholisch – ohne irgendwelche Schwerpunkte oder Eigenheiten, wie sie für Orden typisch sind.
Insofern die FSSPX also vollumfänglich katholisch ist und es auf eine sehr exemplarische Weise ist, muß ein jeder gläubiger Katholik, erst recht ein Priester, innerlich mit der Piusbruderschaft sein, da in ihr das weitergeführt wird, was eigentlich die gesamte Kirche weiterführen hätte sollen.
2b) Soll man äußerlich zur FSSPX wechseln?
Schließlich stellt sich noch die Frage, ob man als Priester sich auch äußerlich der Priesterbruderschaft St. Pius X anschließen sollte. Dazu würde ich meinen: man kann es zwar ruhigen Gewissens tun und man fällt nicht von Glauben oder Kirche ab, wenn man es tut, man sündigt nicht und bleibt weiterhin vollumfänglich katholisch, man sollte aber dennoch nicht wechseln, wenn es nicht unbedingt sein muß.
Denn es braucht auch außerhalb der Bruderschaft Priester, welche in dieselbe Richtung arbeiten, welche die Gläubigen in derselben katholischen Lehre unterweisen und ihnen die Sakramente im klassischen Ritus spenden, und dazu ermutigen zur FSSPX zu gehen.
Das Katholische darf nämlich nicht allein in die FSSPX abgedrängt werden, wo es ohnedies schon vorhanden ist und voll erblüht, es darf nicht eines Tages ausschließlich in der FSSPX zu finden sein, sondern es muß auch außerhalb der Bruderschaft genauso wie in dieser selbst gepflegt und erhalten bleiben.
Es braucht in allen Orden und Diözesen Priester, die wie die Priester der Piusbruderschaft denken und handeln – nämlich einfach katholisch, ganz gemäß der Tradition und dem überlieferten katholischen Glauben.
Die vatikanischen Verbote werden ohnedies weitgehend ignoriert, und das ist auch gut so. Wir Priester sollten das aber noch viel offensiver tun, wir sollten es öffentlich machen und ganz offen sagen.
Denn die Alte Messe ist nichts Unanständiges oder Minderes, und sie wird nur dann abgedrängt werden können, wenn wir Priester uns diesem Diktat beugen und uns in die Klammheimlichkeit abschieben lassen. Je offener wir positiv über die Alte Liturgie sprechen und sie auch öffentlich zelebrieren, desto mehr Bestand wird sie auch haben.
Es wird nicht die FSSPX sein die die Kirche retten wird, sondern die Gesamtheit des katholischen Spektrums der Kirche: allein das Katholische in der Kirche wird übrigbleiben und deren Fortbestand sichern.
Es wird deshalb nicht die Piusbruderschaft sein, welche die Kirche retten wird, weil es gar keine spezifische Gruppierung (wie etwa ein Orden oder eine Bewegung) sein wird durch welche die Kirche gerettet wird: es wird das Eingreifen der Allerheiligsten Dreifaltigkeit selbst sein welche die Kirche vor ihrem aus menschlicher Sicht vorprogrammierten Zusammenfall bewahren wird – und zwar durch das Katholische selbst.
Zwar ist dieses in der FSSPX vollkommen vertreten, aber es ist nicht auf diese beschränkt oder deren Eigengut, sondern kirchliches Allgemeingut. Jede Gemeinschaft, die denken würde, sie wäre qua Gemeinschaft diejenige durch die die Kirche gerettet werde irrt gewaltig – und das trifft auch auf die Piusbruderschaft zu.
Im Gegenteil, man müßte weitere, ähnliche traditionelle Institute wie die FSSPX gründen, mit derselben Freiheit, mit eigenen Seminaren und eigenen Bischöfen.
Bislang fehlte es den einen an Mut, den anderen an Geld, um eine ähnliche Bewegung zu gründen, aber ich denke es wird nicht mehr lange dauern bis vergleichbare freie Verbände entstehen, weil der Bedarf an weiteren unabhängigen traditionellen Instituten immer größer wird.
Würde die FSSPX sozusagen die alleinige Monopolstellung des traditionellen Katholizismus innehaben, so wäre das nicht nur für alle Beteiligten -FSSPX eingeschlossen- ein Nachteil, sondern sogar eine große Gefahr.
Auch besteht eine weitere Gefahr, nämlich daß man alle katholisch denkenden Priester im Sinne einer Ghettobildung in der FSSPX sozusagen „zusammentreibt“ und so den Rest der Kirche von den Katholiken „säubert“ und „befreit“.
Eventuell würde man eines Tages, nachdem man alle traditionell gesonnenen Priester in die FSSPX getrieben hat, die gesamte Piusbruderschaft offiziell als schismatisch deklarieren und feierlich exkommunizieren – ein nicht unrealistisches Szenario, das von manchen tatsächlich überlegt wird.
Auch aus diesem Grund ist es unklug, wenn alle katholisch gesinnten Priester, auch wenn sie noch so sehr unter der gegenwärtigen Situation und dem aktuellen Pontifikat leiden, offiziell zur FSSPX wechseln würden, und sich dort sozusagen ins gemachte Nest kuscheln.
Es braucht einfach beides: die Katholiken als kraftvolle Bruderschaft organisiert, und die losen Einzelkämpfer, die in Glaubensdingen genauso denken, aber auf eine andere Weise, sozusagen „aus den Bistümern heraus“ auf dasselbe Ziel hinwirken.
Ansonsten besteht die Gefahr, daß das Katholische, d.h. die Tradition, nur versteckt in einer Seitennische überlebt – es muß aber überall verstreut diese Katholiken geben, die das Katholische überall in der Kirche sichtbar machen, und die Gläubigen überall sammeln und zur Tradition führen.
Auch die Zelebration des NOM ist in dieser Optik zu sehen: es ist wahr, daß diese Form der Liturgie wieder rückgängig gemacht werden muß, da sie nicht dem entspricht, was das Wesen der Liturgie, speziell des Meßopfers, eigentlich ist. Sie ist einfach defizitär und eine Light-Version der liturgischen Vollform in ihrem katholischen Sinne.
Dennoch kann man - nicht jedoch als Mitglied der FSSPX! - den NOM insofern zelebrieren, als man ihn sozusagen als eine Übergangslösung ansieht, die man notgedrungen dazu nutzt, um die Gläubigen vom NOM zum Römischen Ritus zu führen.
Es ist wie der Feuerwehrmann, der sich selbst in die Gefahr begeben muß, um die Menschen -deren Seelen- in Sicherheit zu bringen. Diese Sicherheit ist bei denen zu finden, welche bereits jetzt ausschließlich den Römischen Ritus zelebrieren, wie es das Ziel sein muß.
Doch damit sich dieses verwirklichen kann, braucht es auch die „Rettungskräfte“ welche vorerst -auch- noch den NOM zelebrieren, um die Menschen aus diesem hinauszuführen und in die Tradition einführen.
Wenn die neue Liturgie unter diesem Blickwinkel des „Rettungseinsatzes“ zelebriert wird, obwohl man eigentlich bereits verstanden hat daß und warum sie stark defizitär, und deshalb zu überwinden ist, scheint deren Zelebration moralisch vertretbar zu sein, sozusagen im Sinne eines notwendigen Übels, um den Seelen eine Brücke zum unverfälscht Katholischen zu bauen, von dem sie sonst ausgeschlossen bleiben würden.
Damit das Katholische nicht in eine einzige Seitennische abgedrängt werden, und dann samt und sonders exkommuniziert und von der „offiziellen Kirche“ abgesprengt werden kann, würde ich unterm Strich davon abraten, auch äußerlich zur Piusbruderschaft zu wechseln, sondern eher dazu raten, weiterhin als Diözesan- oder Ordenspriester in deren Sinne zu wirken, zumindest solange dies geht.